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Sonnentänzerin, Sonnenbraut
von Christel Scheja

Pat Hachfeld Pat Hachfeld
© http://www.dunkelkunst.de
"Ist es nicht wunderschön hier, Hauptmann?" sagte die junge Frau an Arrains Seite. Der Grauhaarige nickte nur und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Nein, er konnte die Begeisterung seiner Herrin für dieses Land wirklich nicht teilen. Es war heiß und die Sonne brannte unerbittlich vom Himmel. Die grünen Ufer des Flusses, den sie hinauf segelten, täuschten darüber hinweg, daß die Wüste nur wenige hundert Schritt entfernt lauerte.
Hauptmann Arrain seufzte und musterte die junge Frau, die über das Deck der Barke zurück zu ihrem Divan wanderte und sich dort niederließ. Sie schien die Sonne und Hitze gut zu vertragen, ja es wirkte sogar so, als ob sie beides genoß. Trotz ihres hellen Haares hatte die Haut der Prinzessin schon einen samtbraunen Ton angenommen und war nicht verbrannt wie die der Männer.
Arrain rieb sich vorsichtig über den Arm. Er benötigte wieder die kühlende Salbe des Heilers. Aber der Mann war nicht zu sehen. Vermutlich hielt sich der Romet wieder bei den Soldaten auf, die bereits einen Hitzschlag erlitten hatten.
Arrain murmelte einen leisen Fluch und blickte zu dem flatternden rotgoldenen Banner hoch. Wieder einmal fragte er sich, was Prinzessin Miriyet so an diesem Land begeisterte. Khemet bestand zu fünf Sechsteln aus Wüste, in der räuberische Wüstenstämme lebten, die sich um die Oberherren einen Dreck scherten.
Und die dekadenten Bewohner des Flußtales hatten bereits den Zenit ihrer Kultur überschritten und lebten nur noch im Schatten der Bauwerke ihrer Blütezeit. Einer Blüte, die immerhin fast ein Jahrtausend gewährt hatte, während der Niedergang binnen eines Jahrhunderts vor sich gegangen war.
Aber die Lieblingstochter des Kaisers hatte sich nicht von den Warnungen der Berater einschüchtern lassen, und ihren Wunsch durchgesetzt, das Tal des Romyet zu bereisen. Und Kaiser Vayannin hatte ihn, einen der älteren Befehlshaber der Garde beauftragt, die Prinzessin mit seinem Leben zu beschützen. Arrain seufzte. Er diente dem Reich treu und ergeben, und hoffte, durch seinen Dienst zu dessen Wohl beizutragen. Deshalb mußte er es auch ertragen, Wächter einer verzogenen Prinzessin zu sein.
Zu gut erinnerte er sich an die Unterredung, während der ihm der Kaiser eingeschärft hatte, jeden Wunsch seiner Tochter zu erfüllen. "Als Mitglied der kaiserlichen Familie befiehlt Miriyet in meinem Namen, also befolgt das, was sie sagt. Auch wenn ihr meint, es würde sie in Gefahr bringen."
Arrain erinnerte sich auch noch an den seltsamen Blick, den der Kaiser dann noch auf den Rubinring seiner Hand geworfen hatte. Das kaiserliche Symbol - ein Vogel aus Feuer war fast verblaßt, wie der Hauptmann wußte. Genauso rätselhaft waren die Worte des Herrschers gewesen. "Sie folgt dem Ruf ihres Blutes. Nun geht und hütet meine Tochter wohl."
Arrain sah zu seinen Männern, die sich in der Hitze wohl ähnlich wie er fühlten. Auf Anraten des Statthalters in Khemenet hatten sie die eisernen Brustpanzer gegen wattiertes Tuch ausgetauscht, aber das war für viele der Männer immer noch zu warm.
Der Hauptmann drehte sich der Prinzessin zu, die sich auf einen Arm gestützt hatte und ihn zu sich heranwinkte. Sie hatte den Schleier abgelegt, mit dem sie zuvor ihren Köper verhüllt hatte. Nun schimmerte jede Rundung ihres schlanken Leibes durch das durchsichtige weiße Gewand.
"Herrin", tadelte Arrain verlegen. "Ihr solltet euch bedecken!" Miriyet liebte offensichtlich nicht nur dieses Land, sie eignete sich nun auch Eigenschaften der Bewohner an, denen es nichts ausmachte, halb oder gänzlich nackt herumzulaufen. Das widersprach dem Schamgefühl des Hauptmannes.
Miriyet blickte zu ihm. Ihre Augen blitzten als sie verstand. "Macht euch keine Sorgen, Hauptmann Arrain. Mich wird hier niemand anrühren. Ich glaube die meisten Männer sind zu erschöpft um überhaupt an Begehren und Lust zu denken", stellte sie ziemlich direkt fest. "Ich denke, sie beneiden mich eher. - Oh, seht, ich glaube, wir nähern uns einem Dorf. Bitte legt dort an. Ich möchte mich ein wenig umsehen!" Arrain seufzte und gab den Befehl weiter, auch wenn ihm der Sinneswandel ein wenig plötzlich erschien. Die Barke war heute bereits an drei anderen Dörfern vorbei gesegelt.
Manchmal war die Prinzessin launisch wie ein Kind - aber er mußte den Befehlen des Kaisers gehorchen.

Die Bewohner des kleinen Dorfes erwiesen sich als sehr gastfreundlich. Schon als die Barke im Fluß vor den Hütten ankerte, und das kleine Boot ins Wasser gelassen wurde, versammelten sich Männer und Frauen, Junge und Alte am Ufer, redeten aufgeregt miteinander, winkten oder beobachteten neugierig, was geschah. Die Prinzessin hatte sich nicht davon abraten lassen, an Land gehen zu wollen. Sie musterte die braunhäutigen Romet mit wachen Augen und stellte dem Heiler, der sie als Dolmetscher begleitete, Frage um Frage. Der Hauptmann hörte nur ein paar Wortfetzen. Er sprang als erster an Land. Die Romet wichen zurück und sanken, als sie das kaiserliche Zeichen erkannten, auf die Knie. Dennoch ließ Arrain die Wachen Stellung beziehen, bevor er Miriyet ans Ufer trug. Kaum berührten die Füße der Prinzessin den Boden, schob sie ihn zurück und trat auf die Menschen zu.
"Herrin!" warnte der Hauptmann und schluckte, als sie mit den Händen winkte. "Erhebt euch! Habt keine Angst!" Der Heiler übersetzte ihre Worte.
Ehe Arrain sich versah, hatten die Romet ihre Scheu abgelegt. Kleine Kinder eilten auf die Prinzessin zu, deuteten immer wieder mit aufgeregtem Geschnatter auf Miriyets Haar. Die Prinzessin lachte über ihre Neugier, während sie die Tracht der Eingeborenen bewunderte. Die Männer trugen nur einen gefältelten Lendenschurz aus weißem Leinen und einen bunten, Brustschmuck, der aus Bast, bemalten Holzperlen und Stoff bestand. Die Gewänder der Frauen bestanden aus einfachen, um die dunklen Leiber gewickelten Tüchern, die von dünnen Bändern gehalten wurden. Manche liefen mit nackten Brüsten umher. Arrain seufzte, da die Prinzessin dies besonders zu begeistern schien.
Der Hauptmann schüttelte hingegen den Kopf über die sichtbare Dekadenz der Romet. Männer wie Frauen bemalten ihre Gesichter, zumindest sah man dies den blau umrandeten Augen deutlich an. Ihn wunderte nun nicht mehr, daß der Großvater des Kaisers Khemet so leicht erobert hatte: Die Männer waren so zierlich und klein wie ihre Frauen und obendrein so putzsüchtig.
Offensichtlich hatten die Dorfbewohner von der Reise der Prinzessin erfahren und die Festungskleidung angelegt. Aber Arrain wurde bald schon eines besseren belehrt. Der Heiler klärte ihn auf: "Sie feiern eine Hochzeit im Tempel!" erklärte er. "Und der Dorfältester hat uns eingeladen mit zu feiern. Offensichtlich wissen sie nicht, wer wir sind, aber sie halten die Herrin ob ihres Haares für ein gutes Omen. Soll ich ihnen sagen, wer wir sind?"
"Nein", meinte Arrain aufgrund einer plötzlichen Eingebung. Vielleicht war es besser, die Menschen hier im Unklaren zu lassen ... Er blickte sich um. Wer wußte denn schon, ob unter all den Romet nicht der ein oder andere war, der mit den Wüstenstämmen unter einer Decke steckte? Wenn niemand wußte, wer Miriyet war, würde keiner darauf kommen, sie zu entführen und womöglich als Geisel gegen ihrer Vater zu verwenden.

Das Fest war klein, aber ausgelassen. Der Hauptmann hatte seinen Männern befohlen, zwar zu essen und zu trinken, um die Romet zu nicht zu verärgern, sich aber mit dem Bier zu mäßigen.
Brummig über den Dickkopf der Prinzessin, mitten unter den Dorfbewohnern zu sitzen und das Fest in vollen Zügen auszukosten, saß Arrain nun da und hielt stumm Wache. Viel lieber hätte er in einer Grenzfestung im nebligen Norden nach wilden Barbaren Ausschau gehalten, denn er wußte wenigstens, was er von denen zu halten hatte. Aber bei diesem Volk war er sich nicht so sicher.
Arrain aß und trank nur wenig. Dabei beobachtete er den Priester argwöhnisch. Der Mann, der als Zeichen seiner Würde ein Leopardenfell trug, blickte immer wieder nachdenklich auf die Prinzessin, die sich angeregt und mit Hilfe des Heilers mit den Romet unterhielt. Und das machte den Hauptmann stutzig. Ob der Priester vielleicht ahnte, wer Miriyet war? Die Gottesdiener der Romet waren im Allgemeinen hochgebildet, wenngleich dem Mann das hier in diesem kleinen Dorf nicht viel nutzte. Vielleicht war er gerade deshalb so gefährlich.
Arrain fiel auf, daß er einen der kleinen Jungen, die bisher nicht von Miriyets Seite gewichen waren, zu sich winkte und ein paar Worte sagte. Der Knabe, kehrte wieder zu der Prinzessin zurück und schwatzte auf ihn ein. Arrain erhob sich um zu erfahren, was der Kleine ihr übermittelt hatte, und die Prinzessin zu warnen, aber es war bereits zu spät: "Natürlich werden wir den Tempel deiner Götter besuchen!" sagte sie freundlich zu dem Knaben. "Es ist immer gut, den Unsterblichen seine Ehrerbietung zu erweisen, denn sie hüten schließlich dieses Land. Ja, morgen nach Sonnenaufgang."

Am nächsten Morgen führte sie Junge durch die Gassen, die von den weißgetünchten Häusern begrenzt wurden. Die Menschen, denen sie begegneten, hatten zwar jeden Schmuck abgelegt, waren aber immer noch geschminkt.
"Das hat schon seinen Sinn!" erklärte Miriyet tadelnd, als sie Arrains Blick schließlich bemerkte. "Die Schminke ist eine Salbe, die die Augen der Menschen hier vor der Sonne und den Insekten schützt, und nicht nur Zierde. Wir sollten uns ein Beispiel an ihnen nehmen!"
Arrain holte tief Luft. "Vielleicht mag ihnen das von Nutzen sein, aber ich würde eher erblinden, als mich so zu bemalen. Nein, das ist eines Mannes, vor allem eines Soldaten ..."
Er verstummte, da sie den Tempel erreicht hatten. Gegenüber diesem Bauwerk wirkte das Dorf geradezu heruntergekommen und ärmlich. Staunend hob er seinen Blick zu den Stufen aus rotem, den Säulen und Mauern aus ockerfarbigen Sandstein. Das mußte noch ein Bauwerk aus den alten Tagen Khemets sein. Die Säulen und Wände waren mit Bildern und Schriftzeichen bedeckt. Gerade wollte sich Miriyet den Stufen nähern, als der Priester unvermittelt aus den Schatten hervortrat.
Die Romet, Knabe und Heiler sanken auf die Knie und warteten, bis der Priester sie gesegnet hatte, ehe sie sich wieder erhoben. Der Junge lief auf ein anderes Gebäude zu. "Er lernt in der Tempelschule Lesen und Schreiben, um später vielleicht einmal im Tempel zu dienen", erklärte der Heiler kurz.
Der Priester wandte sich nun ihnen zu. Mit einem Nicken grüßte er den Hauptmann, dann streckte er die Hände aus, um Miriyet an Stirn und Arm zu berühren. "Greift nicht ein, laßt ihn gewähren!" rief Miriyet Arrain zu, der instinktiv nach seiner Waffe gegriffen hatte.
Was sollte das schon wieder? Angespannt beobachtete der Hauptmann, wie die junge Frau die Segnung über sich ergehen ließ und lauschte den Worten des Mannes, der die Sprache des Kaiserreiches immerhin gebrochen beherrschte: "Ich begrüße und segne euch im Namen der Götter, meine Freunde. Denn Fremde ihr seit nicht mehr, da heiliges Gastrecht ihr genossen. Ich sehe, daß die Götter sandten euch - Ynefer in ihrer Weisheit und Orseth in seiner Güte. Tretet ein, und sollt sehen das Antlitz der Götter."
Arrain wischte sich den Schweiß von der Stirn und blickte Miriyet eindringlich an, doch die Prinzessin schüttelte den Kopf und wandte sich dann dem Priester zu. "Ja, ich würde eure Götter sehr gerne kennenlernen."
Sie betraten einen Vorhof. An drei Seiten standen die Statuen von einige der unzähligen Götter Khemets. Arrain erkannte einen Teil, aber längst nicht alle, der seltsamen Gestalten. Die Götter Khemets trugen tierische und menschliche Züge zugleich: Kröten, Echsen, Schlangen, Vögel, ja selbst ein Hund war darunter. Arrain blickte sich um. Er kannte die Göttin mit dem Katzenkopf schon aus Khemenet, den anderen mit dem Haupt eines Mannes und den Leib eines Löwen jedoch nicht. Einzig der Gott der Sonne war von reiner Menschengestalt, ein stattlicher junger Mann. Doch Arrain bemerkte, wie Miriyet zusammenzuckte - nicht wegen des hellen, roten Edelsteines in der Stirn der Statue, der aus sich selbst heraus glühte, sondern wegen der seltsamen Haube, die die Statue trug. Sie schien ganz aufgeregt. "Was ist das für ein Vogel? So etwas schönes habe ich noch nie gesehen", flüsterte die Prinzessin gebannt. "Es ist, als erhebe er sich aus den Flammen."
"Dies sein der Vogel Benuit, der Gefährte der Sonne. Bote der Götter, weil er reisen kann zwischen Himmel und Erde. Er Beschützer von allen Menschen, weil Licht in der Dunkelheit. Immer Hoffnung geben wenn in Not, wärmen Herz, wenn voller Trauer. Denn er zwar sterben, aber immer wiedergeboren werden durch Feuer", erklärte der Priester und schien einen Augenblick zu überlegen. "In drei Tagen das Fest des Benuit sein, und ich große Gunst von dir erbitten. Tanz für uns!"
"Das wird sie nicht!" fuhr der Arrain dazwischen. "Die Herrin ist von edelstem Blut und wird nicht wie eine Sklavin vor euren Barbarengöttern tanzen. Nein ich werde ..."
"Hauptmann" unterbrach ihn Miriyet scharf. "Das ist ganz allein meine Entscheidung." Dann wandte sie sich wieder dem Priester zu. Ein seltsames Lächeln spielte über ihr Gesicht. "Warum soll ich das für euch tun?" fragte sie neugierig.
"Weil du Haar der Sonne trägst und das sein gutes Omen, daß kommende Jahre fruchtbar werden und reich an Getreide, wie an Kindern. Du sollst tanzen den Tanz des Benuit für uns, dann wird alles gut. Du Tochter der Sonne. Bitte verfluche uns nicht..."
"Das erlaube ich auf keinen Fall. Miriyet!" warf Arrain wieder ein. Die Prinzessin musterte ihn scharf. "Schweigt!" Sie schien nicht auf ihn hören zu wollen.
"Aber ich kann doch nicht richtig tanzen", erklärte Miriyet dann dem Priester verlegen. "Dort wo ich herkommen lehrt man das den Mädchen nicht."
Der Mann im Leopardenfell lächelte. "Das Federgewand dich leiten werden, du sehen." Dann wandte er sich Arrain zu. "Und ihr, Hauptmann keine Furcht. Der Herrin kein Haar gekrümmt wird werden, daß ich schwöre bei meinem Göttern!"
"Ich werde euch daran erinnern!" knurrte Arrain. Er fragte sich, welcher Dämon in die Prinzessin gefahren war, auf diesen Unsinn einzugehen.

Die Antwort erhielt er später auf dem Schiff. Miriyet ließ ihn zu sich rufen und sandte selbst ihre Leibdienerin aus dem Zelt an Deck der Barke, in dem sie nächtigte. "Ich verstehe, Arrain, daß ihr euch große Sorgen um mich macht, aber seid versichert, daß ich weiß, was ich tue" erklärte Miriyet ernst, und blickte den Hauptmann an. "Ich begreife, warum ihr so ärgerlich und zornig seid, aber sorgt euch nicht länger."
"Herrin, ihr macht euch selber zur Närrin, wenn ihr vor diese Barbaren tretet wie eine Sklavin und möglicherweise noch halbnackt. Das schickt sich nicht für eine Frau eures Ranges."
Miriyet schüttelte den Kopf und stützte die Hände auf ihr Lager. "Das macht mir keine Sorgen. Ich betrachte es nicht als Schande, denn ich erfülle nur den Wunsch dieser lieben Menschen und ... es war kein Zufall, daß wir gerade hier angelandet sind." Sie holte tief Luft. "Ihr wißt, daß die Orakelpriesterinnen der verschleierten Myriene für jede der Töchter des Kaisers in den Sternen und den Nebeln lassen, um ihr Schicksal zu ergründen." Sie verstummte kurz und schloß die Augen. "Mir weissagten sie diese Reise - 'Und ihr Fuß wird den Sand der Wüste und den Schlamm des Flusses berühren. Folgen soll sie dem Ruf des Feuers in das Heim des unsterblichen Vogels und tanzen für die Sonne. Auf das der Bund erneut werde geschlossen und das Symbol in neuem Licht erglühe!" Miriyet öffnete die Augen, griff hinter sich und hielt ihm dann einen Ring entgegen. "Kennt ihr das?"
Arrain zuckte zusammen. "Das kaiserliche Siegel. Das Symbol der Herrschaft", sagte er erschrocken.
"Ja, so ist es. Der ganze Sinn meiner Reise besteht darin, den Bund zu erneuern, den mein Urgroßvater mit den Romet schloß und meinem Vater das Siegel wiederzubringen." Miriyet lächelte versonnen. "Auf der anderen Seite fühle ich mich so, als sei ich heimgekommen!"
Arrain schluckte. Darauf wußte er nichts mehr zu sagen. Aber es erklärte viel von dem Verhalten der Prinzessin.

Der Priester selbst half Miriyet in das Federgewand, das sich als schwerer Armschmuck entpuppte, den sie selbst nicht anlegen konnte. Die Prinzessin trug nur ein kurzes Tanzgewand, das ihren Bauch und die Beine enthüllte. Goldfarbene Säume zierten das weiße Leinen und ein Halsschmuck hielt das perlengeschmückte Oberteil. Ein kleines Diadem schmückte die Haare. Arrain schluckte, als er Miriyet so sah. Das Gewand schien so, als sei es für die junge Frau geschaffen worden. Keine noch so prächtige Robe hatte ihre Schönheit bisher so hervorgehoben.
Er trat mit der Prinzessin und dem Priester nach draußen. Ein großes Feuerbecken brannte in der Mitte des Vorhofes, an dessen äußerem Ende sich die Dorfbewohner versammelt hatten. Arrain setzte sich zu ihnen. Angespannt wartete er auf den Tanz. Er wollte nicht glauben, daß seiner Prinzessin kein Leid geschehen würde.
Miriyet stand ruhig in der Mitte des Hofes. Die Sonne verlieh ihrer Haut einen goldenen Glanz. Kurz hob sie die Hand, so daß Arrain das Siegel des Kaisers an ihrem rechten Ringfinger erkennen konnte. Sie schien sich schon auf das Kommende zu freuen. Nun warf der Priester auch noch Kräuter in das Feuerbecken, Kräuter die einen betäubenden Duft ausströmten und das Atmen schwer machten.
Arrain versuchte die Benommenheit abzuschütteln und wurde noch wütender. Die anderen Anwesenden hingegen, atmeten tief ein und aus, und schienen sich in den Visionen treiben zu lassen, die die Dämpfe mit sich brachten.
Musik setzte ein. Kaum erklangen die Flöten und Saiteninstrumente, schlugen die Trommeln den Rhythmus, begann Miriyet sich der Musik hinzugeben, wie sie es noch nie zuvor getan hatte. Die Prinzessin tanzte leichtfüßig über den glatten Stein des Hofes, immer wieder um die Feuerschale herum, und ihr Gesicht wirkte immer entrückter als hielte sie die Musik gefangen.
Arrain achtete jedoch weniger auf die Bewegungen, als auf die Federn des Tanzgewandes, die bei jeder Bewegung rauschten. Tanzten nicht kleine Flämmchen um die Spitzen? Was war das?
Eine Sinnestäuschung, die die berauschenden Dämpfe vorgaukelten? Magie? Illusion?
Nein! Nun sah er das Glänzen deutlich. Es entströmte nicht dem Federkleid, nicht dem Priester, sondern Miriyet, der Prinzessin - die immer noch leichtfüßig schwebte über den Boden schwebte und tanzten, als habe sie das schon ihr ganzes Leben getan.
Und dann geschah es! Über der Glut der Feuerschale bildete sich eine Erscheinung. Arrain hielt die Luft an. Er hatte dieses Wesen schon so oft gesehen, doch immer nur als Symbol der kaiserlichen Macht, als Wappen der herrschenden Dynastie.
Das war ein Feuervogel, ein Phönix und er lebte. Ein Vogel und mehr - schwanengleich aber so prächtig, daß selbst der schillernste Pfau verblasste.
Das Bild begann Miriyet zu überlagern, und einen Moment schien es nur so, als würden die beiden miteinander verschmelzen. Die Tänzerin sprang in die Höhe und schwebte über der Feuerschale, während sich ihre Glieder streckten und das Federkleid mit ihr verschmolz. Die Flammen schossen hoch brannten heftiger und dann schoß ein großer schlanker Vogel mit goldenem Gefieder auf die Sonne zu.
Arrain sprang auf und eilte auf den Priester zu, der dem Feuervogel ebenfalls nachblickte und genauso überrascht schien wie die Dorfbewohner. "Warum?", schrie der Hauptmann den Mann im Leopardengewand an, packte ihn am Kragen und begann ihn zu schütteln. "Was ist hier geschehen! Was hast du getan? Was für ein elender Zauber ist das!"
"Halte ein Arrain, ich befehle es dir!" erklang da die Stimme Miriyets aus der Luft. Arrain ließ den Priester los und wirbelte herum, als er eine warme Berührung in seinem Nacken spürte. Der Feuervogel schwebte über ihnen, einen Ring im Schnabel. "Erinnere dich an das, was ich dir gestern sagte, Hauptmann!" ermahnte ihn Miriyet. "Erinnere dich an die Weissagung und all das, was geschehen ist. Der Priester war nur einer der Führer auf dem Weg zu meiner Bestimmung. Jetzt weiß ich, warum ich in dieses Land gehöre: Vor einem Jahrhundert schloß Kaiser Thermanon einen Bund mit dem Herrn der Sonne, und versprach ihm, daß in jeder Generation eine Tochter seines Blutes in dieses Land kommen würde, um den Schwur zu erneuern und die Benuit, die Gefährtin der Sonne, zu sein. Und diesmal bin ich die Erwählte. Nimm den Ring, Arrain, und bring ihm meinem Vater!"
Der Vogel ließ den Ring in die Hände Arrains fallen. Der Hauptmann zuckte zusammen, als er sah, wie der Rubin pulsierte und das Symbol aufglühte. "Und nun kehre in Frieden und mit reinem Gewissen an den Hof meines Vaters zurück, Arrain. Er kennt das Geheimnis des Bundes und wird wissen, was geschehen ist. - Ich aber muß dich, und euch alle nun verlassen, um meinen neuen Herrn und Gefährten aufzusuchen."
Dann schlug Miriyet mit den Flügeln. Ein starker Aufwind hob sie in die Lüfte und der Sonne entgegen. Arrain blickte ihr so lange nach, bis die Augen schmerzten und sie seinen Blick entschwunden war. Dann erst senkte er den Kopf, musterte den Priester noch einmal und wandte sich stumm ab.
Die Romet ließen ihn, noch immer tief bewegt von dem Geschehenen ziehen. Arrain zürnte ihnen nicht länger. In seinem Herzen war plötzlich ein tiefer Friede und eine Freude, die er sich nicht erklären konnte. Aber als er auf das leuchtende Siegel blickte, verstand er. Thermanon der Große, der Begründer der Dynastie hatte das Erbe der Romet angetreten - und so lange seine Nachfahren dies heiligten, würde das Reich blühen und bestehen, so wie einst Khemet für ein Jahrtausend das erste aller Länder war...

01. Aug. 2007 - Christel Scheja

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