Flucht ins Feenland
Bereits 1926, und damit eine kurze Weile vor dem Herrn der Ringe, setzte eine gewisse Autorin namens Hope Mirrlees mit Flucht ins Feenland einen Meilenstein in der phantastischen Literatur. Dabei sind weder der Roman, noch die Autorin in irgendeiner Weise typisch. Zwar zählte Hope Mirrlees durch ihr freundschaftliches Verhältnis zu Virgina Woolf und der Mitgliedschaft in dem Bloomsbury-Kreis zu einem äußerst exklusiven Kreis von Autoren, jedoch verlor sie bereits nach diesem - ihrem ersten erfolgreichen - Roman das Interesse am Schreiben. Und so mutet es an, als wäre ihr Roman dadurch in Vergessenheit geraten. Denn erst 77 Jahre nach der englischsprachigen Veröffentlichung unter dem Originaltitel Lud-in-the-Mist brachte der Piper-Verlag die deutsche Übersetzung (durch Hannes Riffel) auf den Markt.
Der Anfang der Geschichte wirkt ein wenig schwerfällig, und so benötigt der Leser zunächst einige Seiten, um seinen Weg hinein zu finden. Doch es lohnt sich allemal, diese märchenhafte Erzählung mit shakespearhaften Zügen bis zum Ende zu verfolgen.
Mittelpunkt des Geschehens ist das Land Dorimare mit seiner Hauptstadt Lud-in-den-Nebeln. Das angrenzende Feenland wird von den Bewohnern Dorimares strikt abgelehnt, und doch gehört es in gewisser Weise zu ihnen.
Die verbotenen Feenfrüchte werden verschwiegen als gesponnene Seide bezeichnet, und obwohl sich bemüht wird, deren Existenz zu ignorieren, sorgen sie im Laufe der Geschichte für einen aufkeimenden Wirbelsturm.
Gewöhnungsbedürftig mag für manchen Leser die Sprache sein. Die Autorin beschreibt viel und ausführlich, beinahe liebevoll, als wollte sie dem Leser jedes noch so kleine Detail so nahe wie möglich bringen. Dabei wirken ihre Worte recht blumig. Diese ausführlichen Beschreibungen führen allerdings auch zu einem Manko: Kleine Durststrecken im Verlauf der Geschichte. Sie bremsen den Handlungsverlauf aus, um dem Leser erneute Details über Dorimare und seine Bewohner nahe zu bringen.
Hauptfigur der Geschichte ist Meister Nathan Hahnenkamm, Bürgermeister von Lud-in-den-Nebeln.
Wem dieser Name bereits ungewöhnlich erscheint, der wird im Laufe der Geschichte noch auf weitere, zum Schmunzeln anregende Namen treffen. Da findet sich sowohl die Lehrerin Fräulein Ehrenpreis Holzapfel und die verrückte Waschfrau Mutter Schwips wie auch Abmrosius Geißblatt oder Ete Petete. Allein die Namen ermöglichen es, den Figuren einen gewissen Charakter zuzuschreiben.
In Schwung gerät die Geschichte an erster Stelle durch Ranulph, den Sohn von Bürgermeister Hahnenkamm. Er soll von den verbotenen Feenfrüchten gegessen haben, was sich in seiner recht merkwürdigen Verhaltensweise äußert. Auf den Rat des Arztes Endymion Lear wird Ranulph auf einen Bauernhof geschickt. Dort soll er genesen. Allerdings liegt dieser Bauernhof in unmittelbarer Nähe des Feenlandes.
Damit hat der Wirbelsturm um die Feenfrüchte jedoch längst nicht sein volles Ausmaß erreicht. Denn in der Schule von Fräulein Ehrenpreis Holzapfel taucht ein koboldhaftes Wesen auf und verleitet die jungen Damen zu ausschweifenden Tänzen. Es dauert nicht lange, da sind auch sie infiziert und machen sich auf und davon.
Um Dorimare nicht dem Chaos zu überlassen, muss Bürgermeister Hahnenkamm handeln. Er macht sich selbst auf den Weg ins Feenland.
Eine wunderbare Erzählung, die viele Facetten von sozialkritisch, politisch, abenteuerlich bis hin zu träumerisch in sich birgt.
29. Jul. 2007 - Ulrike Stegemann
Der Rezensent
Ulrike Stegemann

Website: http://www.world-phantastika.de
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Jahrgang 1978, ist gelernte Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte, wechselte jedoch im September 2000 in die technische Abteilung einer Zeitung.
Ihre Geschichten veröffentlichte sie bisher in diversen Anthologien, Zeitschriften, Heftromanen, der lokalen Zeitung sowie als eBooks.
Seit März 2004 ist sie He...
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