|
Die venezianische Küche im Rhythmus der vier Jahreszeiten – Genießen mit Vivaldi
| DIE VENEZIANISCHE KÜCHE IM RHYTHMUS DER VIER JAHRESZEITEN – GENIESSEN MIT VIVALDI
Buch / Kochbuch
|
Eva Gesine Baur
Die venezianische Küche im Rhythmus der vier Jahreszeiten Genießen mit Vivaldi
Bassermann-Verlag, München, 8/2007, Originalausgabe: Heyne-Verlag, München, 2002
HC mit Schutzumschlag, Sachbuch, Kultur, Bildband, Kochen & Backen, Biografie, Musik, 978-3-8094-2191-7, 192/1995
Umschlaggestaltung von Atelier Versen, Bad Aibling, unter Verwendung des Bildes "Korb mit Früchten" von Michelangelo Merisi da Caravaggio, Pinacoteca Ambrosiana, Milano
Alle Fotografien von Giosanna Crivelli und Thomas Klinger; Portrait "Antonio Vivaldi" von Francois Morello La Cave; "Der Frühling, "Der Sommer, "Der Herbst, "Der Winter von Guiseppe Arcimboldo, akg-images, Berlin
Beilage: 1 CD "Genießen mit Vivaldi Die vier Jahreszeiten
www.Bassermann-Verlag.de
Die heutige Zeit ist geprägt von Hektik. Alles muss schnell gehen: Man schlingt Fast Food in sich hinein, während man das Handy ans Ohr hält, dröhnt sich mit Techno-Stampf zu und lässt sich von unruhigen Video-Clips berieseln, schreibt Email und SMS in Kürzeln und ohne Höflichkeitsformeln, selbst der Freizeitvergnügen gibt es so viele, dass es bereits in Stress ausartet, sie wahrzunehmen, es wird gedankenlos gekauft und gleich wieder weggeworfen, Quantität und Billig rangiert vor Qualität.
Kaum jemand findet noch die Muße, innezuhalten und den Moment zu genießen erst recht nicht mit all seinen Sinnen. Ein besonderer Augenblick oder ein seltener Genuss ist ohnehin zu einer Rarität geworden, denn was wird noch als besonders empfunden? Kleine Dinge wie frische Erdbeeren, die man Dank Treibhäuser und Importe zu jeder Jahreszeit erhalten kann, aber auch größere wie eine Urlaubsreise gehören längst zum Standard, sind fast schon banal. Man kann nahezu alles bekommen, was man sich wünscht; es gibt kaum noch Wartezeiten, Vorfreude und Überraschungen.
Dass man sich dadurch selbst so mancher Vergnügen beraubt und die eigentliche Lebensqualität sinkt, wird den Wenigsten bewusst.
"Die venezianische Küche im Rhythmus der vier Jahreszeiten" ist ein Buch, das dieses Thema aufgreift und dem Leser vor Augen zu führen versucht, was er versäumt, wenn er nicht weiß, wie man richtig lebt und genießt. Der aufwändig gestaltete Band ist allerdings mehr als ein Sachbuch über Lebensart und kultur:
Stimmungsvolle Fotos stellen die Stadt Venedig, die als Metropole eigentümlicher und exquisiter Genüsse schlechthin gilt, im Wandel der Jahreszeiten vor. Ausgewählte, auf die Jahreszeiten und wichtigen Feste abgestimmte Rezepte liefern eine passende Ergänzung. Besonders schön ist, dass in vielen Fällen die historische Bedeutung einer traditionellen Speise erläutert wird. Als typisches Kind Venedigs wird der Komponist und Geiger Antonio Vivaldi vorgestellt, und eine CD mit seiner Musik sorgt für ein Klangerlebnis. Auge, Ohr, Nase und Mund dürfen sich erfreuen.
Warum Venedig und Vivaldi?
Genuss impliziert nicht nur etwas Schönes, Angenehmes, Erlesenes sondern auch Verzicht, denn nur wer entbehrt, weiß wirklich zu schätzen, was er hat oder bekommt. Dekadenz und Sünde haften dem Genuss ebenfalls an.
Diese Ambivalenz spiegelt sich in der Geschichte Venedigs und dem Lebensgefühl seiner Bewohner wider. Man findet hier Reichtum und Armut, Prunk und unaufhaltsamen Verfall, Religiosität und Weltlichkeit, Bescheidenheit und Laster. Venedig schwelgt in einem betörenden Rausch der Sinne und klammert sich an seine ruhmreiche Vergangenheit, obwohl die Stadt längst an Bedeutung und Macht verloren hat.
Antonio Vivaldi wurde als Mann mit zwei Gesichtern bekannt. Obgleich zum Priester ausgebildet, machte er Karriere als Musiker. Statt seiner religiösen Pflichten nachzukommen und Enthaltsamkeit zu üben, waren ihm Geld und künstlerische Anerkennung wichtiger; auch den süßen Verlockungen des weltlichen Lebens war er keineswegs abgeneigt. Sein Werdegang lässt sich mit den Jahreszeiten vergleichen und passenderweise heißt einer seiner bekanntesten Zyklen "Le Quattro Stagioni".
Als Kind wird Vivaldi zwar der Kirche geschenkt, aber weniger streng erzogen, als man annehmen würde, und als musikalisches Genie erkannt, das sich stetig nach oben arbeitet. Als junger Mann feiert er, allen Neidern zum Trotz, seine größten Erfolge und ist mehr Lebemann als Priester. Doch schon bald sinkt sein Stern, denn er hat viele Konkurrenten, und nicht jeder will der Gönner einer so umstrittenen, exzentrischen und fordernden Persönlichkeit sein. Vivaldi verliert seine festen Anstellungen, die Einnahmen werden weniger, gesundheitliche Probleme stellen sich ein. Auf seinen Tod wartet Vivaldi in Wien, ohne dass sich seine Hoffnung auf einen letzten großen Erfolg erfüllt. Wie so manch anderer von der Nachwelt als großer Künstler gewürdigte Mann bekommt er lediglich ein Armenbegräbnis.
Die traditionelle Küche Venedigs orientiert sich an den Jahreszeiten und ihren Festen und offeriert komplizierte, erlesene Gerichte neben eher einfachen und preiswerten. Beispielsweise findet man in diesem Band "Radieschen mit Räucherspeck", "Seezunge mit Basilikum und Pinienkernen", "Spinattorte", "Brokkoli mit Ingwer", "Marinierter Kürbis", "Weinsuppe", "Perlhuhn in Pfeffersauce", "Risotto nach Art der Häscher", "Entenbrust süsssauer", "Truthahn mit Granatapfel", "Venezianische Krapfen", "Brotpudding" u. v. m.
Eine typische Frühlingsspeise ist der "Osterfladen", der gebacken wird, um die Auferstehung Christi oder auch den ersten Vollmond zu feiern:
600 g gesiebtes Weizenmehl verarbeitet man mit 10 g Backpulver, 20 g Weinstein, 6 verquirlten Eidottern, 200 g Zucker, 200 g weicher Butter, 1/8 l Milch, 1 DL Rum und der abgeriebenen Schale von 1 Zitrone zu einem geschmeidigen Teig. Nach und nach hebt man 6 steif geschlagene Eiweiß unter und lässt dann den abgedeckten Teig an einem warmen Ort 1 h gehen. Teig in eine gebutterte Springform geben, 15 min trocknen lassen, ein Kreuz in die Oberfläche ritzen. 1 Eigelb mit etwas Milch verquirlen, den Kuchen damit bestreichen und 3 EL Hagelzucker darüber streuen. Bei 175 200°C goldgelb backen.
Dieses und rund siebzig weitere Rezepte laden zum Nachkochen und backen ein sowie natürlich zum stilvollen Genießen an einer festlich gedeckten Tafel mit schöner Hintergrundmusik, vielleicht gar von der beiliegenden CD.
"Die venezianische Küche im Rhythmus der vier Jahreszeiten" ist ein wunderschönes Geschenk für Menschen, die gern stilvoll dinieren und besondere Momente zusammen mit ihren Lieben genießen wollen. Der Titel ist zugleich Lesebuch, Bildband und Kochbuch, und die beigefügte CD rundet das Erlebnis, das die Lektüre bietet, gelungen ab.
08. Sep. 2007 - Irene Salzmann
Der Rezensent
Irene Salzmann

Total: 1065 Rezensionen
März 2018: keine Rezensionen
Irene Salzmann, Jahrgang 63, verheiratet, drei Kinder, studierte mehrere Semester Südostasienwissenschaften und Völkerkunde an der LMU München.
Schon seit Jahren schreibt sie phantastische und zeitgenössische Erzählungen, die zunächst in den Publikationen der nicht-kommerziellen Presse erschienen sind. In den vergangenen Jahren w...
[Weiterlesen...]
[Zurück zur Übersicht]
|
|