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Zugeschanzt
Frauke Turm
Zugeschanzt
Argument Verlag, Hamburg, 3/2007
TB, ariadne krimi 1170, 978-3-86754-170-1, 192/990
Titelgestaltung von Martin Grundmann
www.argument.de
Die Zeiten, in denen ein spannender Krimi im Asphalt-Dschungel einer amerikanischen Metropole, im Unterweltsviertel britischer Städte oder an einem exotischen Ort spielen musste, der Held in James Bond-Manier den Fall lösen konnte, viel Action und Gewalt erforderlich waren, sind schon seit einer geraumen Weile vorbei, denn immer mehr Autoren verlassen die ausgetretenen Pfade und suchen nach neuen, glaubwürdigeren Motiven.
In Folge entdeckte man, dass auch Krimis mit Lokalkolorit ihren Reiz haben, dass die scheinbar kleinen Verbrechen, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft ereignen, sehr viel Furcht erregender durch ihren Realitätsbezug sein können. Menschliche Protagonisten, die mit Stärken und Schwächen ausgestattet sind, nachvollziehbare Probleme kennen und mit Verstand statt mit Krawall ihren Job erledigen, vermögen die Leser ebenfalls in ihren Bann zu ziehen.
Auch Frauke Turm folgt mit Zugeschanzt diesem Trend, denn sie siedelt die Handlung ihres Romans im Hamburger Schanzenviertel an, das bis 2006 Schauplatz von Demonstrationen und Straßenschlachten um den denkmalgeschützten Wasserturm war. Dieser sollte als Kulturzentrum erhalten werden, doch da die notwendigen Gelder für das Projekt fehlten, erhielten Investoren den Zuschlag, die daraus ein Vier-Sterne-Hotel machen und die Parkanlage den Bedürfnissen der Gäste anpassen wollten, so dass das Fleckchen Grün der Allgemeinheit nicht länger als Ort der Entspannung zur Verfügung stehen würde.
Solche Entwicklungen sind keine Seltenheit, besitzen doch auch andere Gemeinden umstrittene Grundstücke und Immobilien, die durch Mauscheleien an den Meistbietenden verschachert werden, der bloß an seinen Profit und nicht an die Interessen der Bürger denkt.
Die Autorin beginnt ihr Buch an dem Punkt, an dem die Würfel bereits gefallen sind und es um die Realisierung der Investorenwünsche geht. Fiktive Personen und eine erfundene Handlung verleihen dem zunächst trocken erscheinenden Thema den richtigen Pfiff und machen den Krimi gleichzeitig zu einer Milieustudie.
Roland Bufkop, einem kleinen Beamten, soll es nicht zum Schaden gereichen, wenn er der Viktoria, die sich mit ihrem Vorhaben durchgesetzt hat, den Wasserturm zu einem Hotel umzubauen, den Weg ebnet, dass sie auch die Grünanlage nach ihren Vorstellungen gestalten darf. Zwar sitzt Bufkop an der richtigen Stelle, doch er trägt das Herz am rechten Fleck. Weder möchte er sich schmieren lassen, noch den Anwohnern ihren Park nehmen. Doch wie verhält man sich in einer so heiklen Situation gegenüber den Reichen und Mächtigen?
Seine Frau Heide flüchtete sich, nachdem die Ehe kinderlos blieb, in die Rolle der perfekten Hausfrau. Langsam erkennt sie, dass ihr dies keine Erfüllung bietet. Dank der Vermittlung einer guten Freundin fasst sie Fuß als Sekretärin und landet schließlich im Büro eines aufstrebenden Architekten. Zu ihrer großen Überraschung arbeitet man hier intensiv an der Neugestaltung des Schanzenparks, als wäre alles längst geregelt.
Einer der Bauarbeiter, die die Fassade des Wasserturms sanieren sollen, erleidet einen tödlichen Unfall. Da sich der Mann illegal in Deutschland aufhielt, versucht der Vorarbeiter, die Leiche verschwinden zu lassen. Er ahnt nicht, dass sich längst ein Polizeibeamter unter seine Leute gemischt hat, der eigentlich wegen eines Drogendelikts ermittelt.
Der Sternschanzenpark ist ein Schmelztiegel, denn Junge und Alte, Frauen und Männer, Menschen aus allen sozialen Schichten suchen hier gleichermaßen Erholung, Spiel und Spaß. Die Grünanlage ist der Schauplatz von Tragödien und Glück. Hier laufen auch alle Fäden der Roman-Handlung zusammen, werden voneinander unabhängige Geschehnisse verknüpft.
Die Autorin schildert menschliche Schicksale zwischen Korruption und Zivilcourage. Die Motive der Sympathieträger sind nachvollziehbar, und man hofft mit ihnen zusammen, dass sich alles noch aufklären und zum Besseren wenden wird. Zwar scheint das Thema anfangs wenig spektakulär, doch schnell nimmt man Anteil an den realistisch beschriebenen Sorgen und Nöten der Beteiligten und begleitet sie gespannt auf ihrem Weg bis zum Schluss des Buches. Der Krimi kommt tatsächlich ohne bombastische Knalleffekte aus, denn die Protagonisten überzeugen durch Subtilität, Beharrlichkeit und Köpfchen.
Nebenbei sind auch die Wortspiele recht amüsant: Frauke Turm schreibt über das Streitobjekt Wasserturm. Dieser steht im Sternschanzenpark, und alle, die glauben, etwas dabei gewinnen zu können, hoffen, dass ihnen die notwendigen Genehmigungen und Aufträge für dessen Neugestaltung zugeschanzt werden.
Wer realistische und tiefgründige Krimis schätzt, wird von Zugeschanzt bestens unterhalten!
20. Sep. 2007 - Irene Salzmann
Der Rezensent
Irene Salzmann

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Irene Salzmann, Jahrgang 63, verheiratet, drei Kinder, studierte mehrere Semester Südostasienwissenschaften und Völkerkunde an der LMU München.
Schon seit Jahren schreibt sie phantastische und zeitgenössische Erzählungen, die zunächst in den Publikationen der nicht-kommerziellen Presse erschienen sind. In den vergangenen Jahren w...
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