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Hiobs Stern

HIOBS STERN

Buch / Phantastik

Dieses Werk, zugegeben, ist keine Neuerscheinung es kam schon 1988 heraus. Und ich weiß auch nicht, ob Franke seitdem einen neuen Roman geschrieben hat. Die Verzeichnisse in den SuhrkampBüchern erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit (Heyne z. B. arbeitet da wesentlich informativer und somit werbewirksamer). Früher lieferten die Editoren der Phantastischen Bibliothek gelegentlich eine komplette Liste aller Bände, doch diese sehr löbliche Übersicht verschwand irgendwann; jetzt gibt es nur noch TeilVerzeichnisse. Und das HeyneLexikon endet 1987; wer also nicht die berühmte Loseblattsammlung abonniert hat, kann nur noch raten, ob Franke wieder zugeschlagen hat. So stand "Hiobs Stern" nicht einmal auf meiner Suchliste, ebensowenig die 1990er Storysammlung "Spiegel der Gedanken". Ich erfuhr von beiden Bänden erst, als ich sie in Herrn Rauschers SuhrkampKiste auf dem Leipziger Buchmarkt entdeckte und was es in den fünf Jahren danach gegeben hat, weiß ich nicht. Wenn es also unter Euch jemanden gibt, der über eine aktualisierte FrankeBibliographie verfügt, würde ich sie/ihn bitten, sich bei mir zu melden. Aber damit genug der Vorrede. Zurück zum Roman, der zumindest für mich der aktuellste von HWF ist.
"Hiobs Stern" bedeutet zweierlei: zum einen das Symbol einer Bewegung, deren Begründer und Seele Edmond "Hiob" Donato ist; zum anderen einen geheimen Zufluchtsort, an dem diese Bewegung ihre Zentrale hat, Waffenlager, neue Kämpfer allerdings weiß niemand, ob dieser Ort nicht nur ein Mythos ist. Doch wofür kämpfen die Frauen und Männer um Hiob überhaupt?
Man könnte sie als "interstellare Ökoterroristen" bezeichnen. Sie wehren sich gegen ein System, das sich den erreichbaren Kosmos mehr und mehr unterwerfen will. Auf der Erde des Jahres 3000 gibt es keine Kriege oder Auseinandersetzungen mehr. Die Globalgesellschaft hat sich ausbalanciert, ist in sogenannte "Wohlstandszonen" und in Interessengebiete mächtiger Wirtschaftszusammenschlüsse aufgeteilt worden. Demokratische gewählte Regierungen existieren nicht mehr die Politiker brachten nichts, also wurden sie beseitigt, und jene übernahmen die Macht, welche sie sowieso besitzen: die Banken. Die menschliche Gesellschaft wie auch der besiedelte Kosmos sind in deren Einflußsphären unterteilt: in die "weiße" (Keimzelle: die Firmen der heutigen "freien Welt"), die "gelbe" (entstammte asiatischen Unternehmen) und die "rote" (Quelle: die mächtigen Wirtschaftskonzentrationen des Staatssozialismus na ja, 1988 sah alles noch ein wenig anders aus). Diese Imperien führen in den neuentdeckten Gebieten zwar Kämpfe um Einflußsphären, sind sich aber darin einig, auf der Erde alles im Gleichgewicht zu belassen, vor allem das System mit der allmächtigen "Verwaltung" an der Spitze zu erhalten. Ein System, in dem jeder, sogar ein Krimineller, seinen festen Platz einnimmt bis auf die wenigen, welche dieser Ordnung selbst den Kampf ansagen. Hiobs Gruppe zum Beispiel: Sie versucht, in den Außenwelten für die Erhaltung der unberührten Natur zu kämpfen; mit Gewalt, da anderes nicht zum Ziel führt. Daher ist Jonas Crueger, Angehöriger der Sicherheitstruppe CORE, vollkommen davon überzeugt, Hiob müsse gefaßt und verurteilt werden. Jahrelang schon liefert er sich mit diesem Kämpfe, die meist zu seinen Ungunsten ausgehen. Doch dann wird der legendäre Rebell gefangengenommen, und Jonas soll ihn zur Erde bringen, dem Prozeß entgegen ...
Aber so linear, wie ich hier erzähle, geht Franke nicht vor. Ein großer Reiz des Buches besteht in der verwirrenden Montage der Teilhandlungen. Alles beginnt mit einem Jonas, welcher sich längst zur Ruhe gesetzt hat, sich jedoch für seine 47 Jahre erbärmlich alt und schlecht fühlt. Luxuriös beherbergt und gut versorgt, dämmert er dahin, bis eine Talkshow ihn aus dem Trott herausreißt: denn in dieser Show tritt Hiob auf, und der scheint die gleichen Krankheitssymptome aufzuweisen. Jonas glaubt nicht an einen Zufall ...
Der erste Teil des Romans ist diesem Jonas gewidmet, welcher versucht, wieder auf die Beine zu kommen. Unterbrochen wird die Darstellung dieser Versuche von Erinnerungen an die früheren Kämpfe mit Hiob. Der zweite Teil schildert gleichfalls Vergangenheit: Jonas als Wächter, Hiob als Gefangener. Dieses Geschehen endet allerdings äußerst unerwartet (den Schluß von Teil 2 kann man auf sehr verschiedene Weisen deuten). Im dritten Teil, der zeitlich nach dem ersten spielt, klärt sich dann vieles auf, und nicht nur der Leser, sondern auch Jonas gewinnt einige überraschende Erkenntnisse.
"Hiobs Stern" erinnert mich sehr stark an "Ypsilon minus", mein erstes Buch von HWF, das noch in der DDR erschien und mich sofort zu einem Fan des Autors machte. Hier wie dort der übermächtige Staat und das angepaßte Individuum, welches dann jedoch, durch irgendein unbegreifliches Geschehen alarmiert, aus dem gewohnten Gefängnis ausbricht. Hier wie dort sind die Haupthelden nicht, was sie zu sein scheinen, obwohl sie selbst zu Anfang den Schein für die Wirklichkeit nehmen. Ebenfalls gleich: die Verfolgungen und die Bestechungsversuche seitens der Macht; und beide Male kommt es zu einem Ende, welches vage Hoffnung verheißt. Auch der deutliche Hinweis auf moralische Probleme ist beiden Werken gemeinsam überhaupt ein Merkmal für Franke generell. In einer Zeit oft unpolitischen NurNochErzählens kultiviert er seine Anschauungen über die Gesellschaft und seine Ansprüche an den Menschen (was für mich, wiewohl der Zeigefinger mitunter ein wenig zu deutlich erhoben wird, eher eine Stärke als eine Schwäche ist).
Ein altes Thema in neuem Gewand also; aber es gibt natürlich auch Unterschiede, zum Beispiel tritt das ökologische Thema stark in den Vordergrund, dem Zeitgeist entsprechend. Aber wiederum ist auch das typisch für Franke: Mit "Ypsilon minus" reagierte er 1976 ebenfalls auf weitverbreitete Sorgen um die Erhaltung des Individuums einem Staat gegenüber, welcher seine Bürger mit allen Mitteln anzupassen versucht (der Radikalenerlaß von 1972 war ebenso wie die Verzweiflungstaten der RAFTerroristen Ausdruck dieses Zeitproblems). Ein weiterer Unterschied besteht in der ganz konkreten Zeichnung des monopolkapitalistischen Zukunftsstaates, welcher in "Ypsilon minus" wesentlich diffuser blieb (Franke spricht übrigens auch deutlich vom Kapitalismus, vermeidet beschönigende Schlagwörter). Wir erfahren, wie ein solcher Globalstaat der Zukunft aussehen könnte.
Gut geschrieben, lesbar sind beide Bücher. In "Hiobs Stern" begegnen wir ein weiteres Mal Frankes rationalem Stil, welcher nicht in detailreichen Beschreibungen schwelgt, sondern immer an der Hauptsache bleibt. Das mag nicht jedem liegen; mir gefällt aber gerade diese nüchterne Erzählweise, die Franz Rottensteiner, Herausgeber der Phantastischen Bibliothek, im ALIEN CONTACT 18 sehr sachlich darstellt. Franke, heißt es dort, sei kein Sprachkünstler, kein Autor der literarischen Spitze, habe Schwächen, aber wenn man sein Bemühen akzeptiere, "eine dem technischen Zeitalter angemessene Sprache zu finden, dann ist es zumindest ein lohnenswerter Versuch und, wie ich finde, etwas, das neben anderer Literatur Bestand hat" (F. Rottensteiner im ALIEN CONTACTInterview, AC Nr. 18, S. 50). Ich möchte hinzufügen, daß ich es als angenehm empfinde, durch diese knappe, sachliche Sprache kein aufgeblähtes 400SeitenMonstrum von Buch vorzufinden, welches mir die Leselust von vornherein austreibt. 155 Seiten reiner Text; das entspricht der Story, und damit gut. Spannend erzählt, so daß man das Büchlein an einem Nachmittag durchlesen kann. Mein Urteil zu "Hiobs Stern" also: Tip, und nicht nur für Fans von HWF.

Hiobs Stern, © Suhrkamp Verlag, 1988, 165 S., DM 12,00, Suhrkamp Taschenbuch Nr. 1588

30. Okt. 2006 - Peter Schünemann
http://www.solar-x.de

Der Rezensent

Peter Schünemann

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