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Feuerfrost

FEUERFROST

Buch / Fantasy

Das Buch paßt ausgezeichnet in diese Rezi hinein, denn so muß ich die einleitenden Worte zu Susan Coopers Werk nicht wiederholen. Tatsächlich ist es ganz ähnlich aufgebaut: Wieder Kinder, wieder Geschwister Colin und Susan diesmal , wieder werden sie aus ihrer gewohnten Umgebung in eine andere versetzt: Die beiden müssen für ein halbes Jahr in Highmost Redmanhey bei Bess Mossock, dem ehemaligen Kindermädchen ihrer Mutter bleiben, denn diese fährt ins Ausland. (Leider läßt sich aus den Hinweisen im Buch die Gegend nicht genau rekonstruieren, da alle Namen erfunden zu sein scheinen, doch liegt etwas WalisischSchottisches in ihnen, das "Ll" und das "Y" in den Wörtern weisen m. E. darauf hin.) Die beiden Stadtkinder (offensichtlich sind sie das) leben nun also auf einem Dorf in irgendeinem Hochland beim Bess und deren Mann, dem Bauern Gowther. Gleich am zweiten Tag werden sie mit allerlei interessanten und gefährlichen Dingen konfrontiert. Die Gegend ist voller alter Stollen und stillgelegter Minen, und überall gibt es Hinweise auf einen seltsamen Zauberer und eine alte Legende, welche im Prolog des Buches erzählt wird. Ihr zufolge ritt einst ein Bauer mit einer milchweißen Stute zum Markt und begegnete eben diesem Zauberer, der ihm das Pferd abkaufen wollte. Der Landmann jedoch weigerte sich; da Konkurrenz die Preise in die Höhe treibt, war ihm der Markt lieber. Doch wie es der Zauberer voraussagte, kaufte niemand sein Tier, und so mußte der Bauer auf dem Rückweg doch klein beigeben. Er wurde aber reich belohnt: In einer unterirdischen Höhle, in der viele Ritter in silbernen Rüstungen schliefen, durfte er sich so viele Schätze nehmen, wie er tragen konnte.
Leider nahm er auch den Zauberstein Feuerfrost mit, und um diesen dreht sich das Geschehen, in das die Kinder hineingeraten. Sowohl der Zauberer Cadellin als auch die Hexe Selina Place und der böse Kapuzenmann Grimnir wollen Feuerfrost in ihre Gewalt bringen. Denn nur solange der Stein existiert, schlafen die Ritter unter dem Berge in der alten Zwergenstadt Fundindelve in ewiger Jugend; zerstörte man ihn, würden sie erwachen und altern und das letzte Aufgebot des Guten wäre dahin. Am Tage der Letzten Schlacht zwischen Gut und Böse hätte der Große Geist der Finsternis,Nastrond von Ragnarök, dann leichtes Spiel.
Selina Place, der Gestaltwandlerin, begegnen die Kinder denn auch sehr bald. Sie können mit Mühe widerstehen, als die Frau sie zwingen will, in ihre Kutsche einzusteigen. Aber der "Brautstein" Susans, ein Geschenk ihrer Mutter, hat sich bei dieser Begegnung eigentümlich verfärbt, obschon er bald darauf seine Klarheit zurückgewinnt ... Und wenn dem Leser dann noch mitgeteilt wird, daß dieser Stein ein Geschenk von Gowthers Frau Bess an ihre ehemalige Schutzbefohlene ist, daß Bess ihrerseits von jenem Bauern der Legende abstammt, dann wird sofort klar, was Susan da an ihrem Handgelenk spazierenträgt und warum die Kinder ins Kreuzfeuer geraten. Als sie am Abend dieses erlebnisreichen zweiten Tages nämlich noch einmal hinausgehen, werden sie von den SvartAlfar, häßlichen Gnomenwesen, gejagt und beinahe gefangen, wenn nicht Cadellin sie retten würde. So kommen die Kinder nach Fundindelve, so erfahren sie die Geschichte, aber der Zauberer bemerkt nicht die Nähe des von ihm so schmerzlich vermißten Steins, und zu diesem Zeitpunkt wissen auch seine beiden Gäste noch nicht alles über dessen Herkunft. Daß Cadellin das Kleinod nicht sieht, weil Susan ihren Mantel trägt nun ja, es wirkt ein bißchen banal; aber in der Zwergenstadt wird es zu kalt für ohne Mantel sein, und Zauberer machen eben auch Fehler. Außerdem muß die Geschichte ja erst so richtig losgehen (bisher habe ich nur vier Kapitel von einundzwanzig kurz wiedergegeben, und ich höre jetzt auf).
Man sieht, es passiert einiges in diesem Buch, das ganz auf Spannung hin angelegt ist. Eine Aktion jagt die andere, man kann kaum verschnaufen. Im Unterschied zu Coopers lebendigen Gestalten bleiben die Figuren Garners eher Schablonen, auf ihr psychisches Profil wird wenig Wert gelegt. Und während in "Over Sea, Under Stone" das Ringen eben auch vorzüglich psychischer Natur und weniger handgreiflich ist, geht es in "Feuerfrost" recht deftig zu. Der Autor ist nicht kleinlich, er zieht alle Register von Mythologie und Fantasy, um sie zu einem bunten Reigen rasch wechselnder Bilder zu verschmelzen. Ich möchte im folgenden versuchen, die einzelnen Kreise kurz aufzulisten, denn aus ihnen schöpft das Buch seine Lesbarkeit, nicht so sehr aus der Dutzendaction, die man oft findet.

1. wäre da die Artussage. Wenn das Wort auch an keiner Stelle fällt, so sind doch die Motive recht eindeutig. Der Zauberer Cadellin kann in seiner ganzen Art und seinem Verhalten mit zumindest einer Gestaltungsvariante der MerlinFigur verwechselt werden: mit dem eher menschlichen, auch irrenden Merlin (nicht aber mit dem originären, alles beherrschenden Propheten des ursprünglichen literarischen Vorlagen). Noch deutlicher weisen allerdings die "hundertvierzig Ritter in silberner Rüstung" auf die Artuslegenden hin: "Hier liegen sie im Zauberschlaf ... bis der Tag kommt und kommen wird er an dem England in schrecklichster Gefahr sein wird und Englands Mütter weinen werden. Dann müssen sie aus diesem Berg reiten und nach einer dreimal verlornen, dreimal gewonnenen Schlacht auf der Ebene den Feind ins Meer jagen." Dieses Bild des ewig lebenden und wiederkehrenden guten Königs verbindet sich ja ganz deutlich auch mit der Artusgestalt.
2. sind Elemente germanischnordischer Mythen feststellbar, zum Beispiel die Gestalten der Schwarzelfen (hier: SvartAlfar; das Wort "Alfar" übernimmt Garner oder der Übersetzer direkt) und der Lichtelfen (hier: LiosAlfar), das Wort "Ragnarök" (wobei es hier den Wohnsitz des Bösen Nastrond bezeichnet, sozusagen das örtliche Ende der Welt, während es in der germanischen Mythologie für das zeitliche Weltende steht, für die Götterdämmerung). Ebenso gehört der "Fimbulwinter" in dieses Gebiet, welcher auf die Kinder losgelassen wird, als sie Cadellin den wiedereroberten Zauberstein bringen wollen (allerdings verkleinert ihn Garner fast ins Lächerliche, wenn er ein lokales und kurzzeitiges Ereignis daraus macht bei den alten Germanen dauerte dieser alles erfassende Winter so lang wie drei gewöhnliche zusammen, und er leitete das Ragnarök ein). Auch die "Muspelmäntel", mit denen die Wanderer sich vor der grimmigen Kälte schützen, entstammen der Phantasie unserer Vorfahren, denn "Muspelheim" hat als Wohnort der grimmigen Feuerriesen nicht gerade das weingste mit Wärme zu tun.
3. läßt sich ein sehr "tolkiennaher" Erzähl und Namenston feststellen. Man lese zum Beispiel das folgende: "Vor langer Zeit ... zog Nastrond, der Große Geist der Finsternis, auf der Ebene in den Krieg. Ihm aber stellte sich ein mächtiger König entgegen, und Nastrond unterlag. Er legte seine irdische Gestalt ab und floh in den Abgrund von Ragnarök; und alle Menschen freuten sich, denn sie glaubten, das Böse sei für immer von der Erde verschwunden: der König aber wußte in seinem Herzen, daß dies niemals sein würde." Das gleicht sehr der Beschreibung des Kampfes von Elendil und Gilgalad gegen Sauron, den sie zwar besiegten, der aber weiterlebte und wiederkehren würde. Genauso vermag ich in der Irrfahrt der Kinder und der ihnen hilfreichen Zwerge durch die Minen eine Parallele zur Reise der Ringgemeinschaft durch Moria erkennen. Auch die Freundschaft zwischen dem Elfenkönig Atlendor und dem Zwergenprinzen Durathror läßt an die Gimli und Legolas aus dem "Herrn der Ringe" denken. Und wer aufmerksam Namen wie "Fenodyree", "Fundindelve", "Atlendor", "Durathror" oder "Angharad Goldenhand" liest, der fühlt sich erinnert an die selbsterdachten Sprachen des großen Meisters.
Diese Beispiele sollen genügen, um den bunten Cocktail, den Garner gemixt hat, einigermaßen plausibel zu machen. Verbunden wird alles, wie gesagt, mit dem AbenteuerSchema der Kinderbücher. Im ganzen muß ich sagen, daß ich das Buch auf einen Zug durchgelesen habe.

Es bietet zwar keine literarischen Höhepunkte, aber eine gut erzählte Geschichte und solide Spannung. Die eigenwillige Mixtur, die der Autor uns zu kosten gibt, hat durchaus ihren eigenen Reiz. Bei so vielen Parallelen zu faszinierenden Stoffen kann man auch kaum etwas falsch machen!

Alan Garner, The Weirdstone Of Brisingamen, 1960, übersetzt von Werner Schmitz, dt. Erscheinungsjahr 1984, ca, 220 S., Preis nicht festzustellen

31. Okt. 2006 - Peter Schünemann
http://www.solar-x.de

Der Rezensent

Peter Schünemann

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