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Ronin / Dolman

RONIN / DOLMAN

Buch / Science-Fiction

Nun habe ich die beiden Bücher endlich gekauft zusammen in einem Band, für DM 2,99 in der Wühlkiste. Mit dieser Rezension endet vorerst eine fünfeinhalb Jahre alte Beziehung.
Ich muß das mal erzählen, wenngleich es mit der eigentlichen Besprechung ja nichts zu tun hat. Aber daran hängt ein ganzes Stück Erinnerung.
Also, ich lernte im Sommer 1988 einen Dänen kennen, welcher auch Deutschlehrer und sehr interessiert an DDRLiteratur war, die er gern im Unterricht benutzte. Und so schlossen wir ein "Handelsabkommen": Ich schickte ihm DDRBücher, die es ja zu unglaublich niedrigen Preisen gab, oft sogar antiquarisch und er mir SF aus dem "Westen", ein Buch : ein Buch. Da die DDRWerke jenseits der damals noch existiert habenden Grenze nun auch wieder das Drei bis Vierfache kosteten, glich sich auf diese Weise das Währungsgefälle in etwa aus.
"Mein" Däne hatte allerdings keine Ahnung von SF, und so schickte er mir Kataloge. Wie es der Zufall so wollte, zuerst den von Heyne, damals noch mit schönen farbigen TitelbildMiniaturen und "Handlungsabrissen" einzelner Bücher. Da ich aber damals kaum Ahnung von westlicher SF&F hatte (woher auch, bis dato ohne Freunde und Verwandte "drüben" und nur mit den paar unter der Hand erworbenen HardcoverBüchern von DNB?), bestellte ich doch zumeist nach Titelbild, in Unkenntnis der Tatsache, daß dieses mit dem Inhalt wenig zu tun haben mußte, genau wie der "Handlungsabriß".
Nun, und in Heynes Allgemeiner Reihe leuchtete mir das Titelbild von Lustbaders "Ronin" entgegen; im nächsten Katalog, glaube ich, dann auch das von "Dolman". Egal, jedenfalls bestellte ich beide Bücher, die damals noch getrennt ihre Existenz führten (Heyne AR 01/7716 und 01/7819). Ich erhielt sie allerdings nie. Das lag nicht an DDRZoll und StasiPostschnüfflern, sondern einfach daran, daß Niels ja nun auch wieder nicht so oft in der Bundesrepublik gastierte und, wenn er es tat, ja nun nicht auch ganze Ladenketten nach meinen Wunschbüchern abklappern konnte. Wiewohl ich das meiste erhielt die wirklich wichtigen Titel, wie z. B. Bradburys "Marschroniken" oder sein "Fahrenheit 451" auf jeden Fall.
Später sah ich die beiden Bücher ab und zu wieder, nun livehaftig im nächsten Bücherregal, zugriffbereit (ja, ja, die Wirtschafts und Währungsunion); aber jetzt kannte ich mich etwas besser aus, und mir fehlte doch immer das nötige Kleingeld, da andere Bücher eben wichtiger war en... Das ist heute nicht anders, aber DM 2,99 hat man doch schon mal so locker übrig. Also am letzten Freitag zugeschlagen und den Doppelband aus der Wühlkiste befreit.
Tja, und nun habe ich ihn gelesen. 542 Seiten an einem Wochenende, was bei meiner durch Arbeit und Kinder sehr begrenzten Zeit nur heißen kann, daß es sich bei diesen beiden Büchern nicht unbedingt um anspruchsvolle Literatur handelt. Aber das erwartet wohl auch niemand, der den Namen Erik van Lustbaders kennt und das eine oder andere von ihm gelesen hat. Der 1946 in New York geborene Autor ist ja vor allem bekannt durch seine FernostAbenteuerromane. Interessant an Lustbaders Kurzbiographie auf der letzten Seite des Bandes finde ich, daß er zwischen 1970 und 1978 in der Musikbranche der USA tätig war, als Journalist und Mitherausgeber von Fachzeitschriften, als Assistent des Direktors einer Plattenfirma, Manager und Produzent und Chef der Abteilung Medienpflege bei CBS, wo er z. B. Pink Floyd förderte (was ihn mir ungeheuer sympathisch macht).
Als Lustbader 1973 die RoninGalerie in New York besuchte, begann seine Anteilnahme am Fernen Osten, und die äußerte sich zum einen in intensiven Studien, zum anderen in Romanen (Action plus fernost, ein sicheres Erfolgskonzept, das ihm ein Millionenpublikum sicherte). Seit 1978 ist Lustbader freier Schriftsteller, wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt, und seine Bücher sollen selbst in Japan Bestseller sein, was über die Qualität seiner Recherchen Auskunft gibt. Nur einige Titel seien hier genannt, alle erschienen bei Heyne: "DaiSan" (01/8005), "Jian" (01/7615), "Die Miko" (01/8054), "Der Ninja" (01/6381) ... Die Reihe läßt sich noch lange fortsetzen, aber ich mache Schluß in jedem HeyneKatalog steht genug über Lustbaders zur Zeit lieferbare Werke.
Ich bin so ausführlich auf Lustbaders Biographie und seine Beziehung zu Asien eingegangen, weil sie für die zu besprechenden Bücher, vor allem für "Dolman", doch recht wichtig ist.
Nun aber endlich zur eigentlichen Rezi.
Ronin, ein "Klingenträger", lebt im "Freibesitz", einem gigantischen unterirdischen Reich einer fernen Zukunft. Die Erde ist vereist; hier unten vegetieren die letzten Menschen mehr dahin, als daß sie leben. Und diese letzte Zuflucht droht unter inneren Machtkämpfen zu zerfallen. Das kennt man als SF&FLeser bestens. Lustbader schafft nichts Neues, er verbindet lediglich bereits dutzende Male verwendete Ideen zu einem neuen Ganzen, dem zumindest was den ersten Teil betrifft die eigene Handschrift weitgehend fehlt. Ronin wird über einen befreundeten "Medizinmann" in einen Konflikt mit dem mächtigen Sicherheitschef Freidal hineingezogen (die CIA der Zukunft?). Ein "Zaubermann" (wir würden sagen: ein Wissenschaftler) ist schwer erkrankt. Natürlich hat man ihn gefoltert, und natürlich ist die Erde oben nicht so tot, wie man die Leute im Freibesitz glauben machen möchte. Damit wäre das Ganze also eine Idee auf niederem THX 1138Niveau; aber natürlich hat der Zaubermann noch eine größere Mission zu erfüllen. Ronin macht sich auf den Weg in die noch tiefer unten liegende sagenhafte Stadt der zehntausend Pfade, um die Schriftrolle eines mächtigen Magiers zu finden denn die Menschheit ist in Gefahr. Und natürlich wird unser Held verfolgt. Nicht nur von Freidals Schergen, sondern auch von einem mächtigen Monster, einem Makkon denn die Menschheit wird aus einer anderen Welt heraus bedroht ...
Die Figur des Ronin ist gleichfalls bekannt gestaltet, eine Montage aus edlem Krieger, Ninja, Conan und Rambo. Auch nicht neu: die Außenseiterrolle. Ausbildung bei einem mächtigen Waffenmeister, dem "Sensii", der "Salamander" genannt wird ninjamäßige Ausbildung selbstverständlich (die Holzstäbe unter der Erde, zu einer Zeit, da es längst keinen Wald mehr gibt, erscheinen mir mehr als fraglich, zumal sie nur am Körper des anderen zerhauen werden); dann Ablehnung, in dessen Dienst zu treten, Ablehnung, in irgend jemandes Dienst zu treten ... Der edle Rebell, wie geschaffen dafür, die Menschheit rauszureißen. Daß Ronin zudem noch in der Kindheit seine Schwester verloren hat, bedeutet nur ein weiteres bekanntes Motiv und dieses hätte Lustbader sich wirklich schenken können. Wenn im ganzen Roman nur vier, fünf Frauen auftreten, davon alle bis auf eine (Ronins Geliebte) in extrem kurzen, die Handlung nicht bis kaum beeinflussenden Nebenrollen, und wenn dabei immer wieder mal die Schwester erwähnt wird, dann weiß der geübte Leser doch schon, wer die ist. Der Autor begreift das wohl auch, will deshalb am Ende noch einen Effekt hinzufügen doch da muß ich persönlich sagen: zuviel des Schlechten. So dick glaubt das doch heutzutage keiner mehr; oder schreibt Lustbader sonst für ein Publikum, das auf solche Stories fixiert ist? Sei es, wie es sei dreimal dürft ihr raten, ob Ronin und dem Zaubermann die Flucht aus der Unterwelt gelingt und ob die obere Erde nicht doch noch ein bißchen bewohnt ist? Ihr meint: beide Male nein? Okay, war falsch, aber ihr dürft noch mal.
Zudem hat man ich rede immer noch vom ersten Roman Mühe, mancher Episode zu folgen. Lustbader versucht es geheimnisvoll zu machen (FernostKonzept), es gibt unverhoffte Begegnungen und auch Szenen, die man sich nicht so recht erklären kann, es gibt Handlungsabbrüche und arge "Schnitte", so daß mitunter der Eindruck großer Brüchigkeit entsteht. Ich möchte wirklich mal einen FernostThriller des Autors lesen ist das nun seine gewohnte Technik, und funktioniert sie dort besser? Hier klappt es nicht so ganz. Spannend geschrieben ist alles schon, nur betrachte ich das mehr als ein Experiment Lustbaders, mal einen anderen Rahmen auszuprobieren, den der SF&F; deren Stammleser, könnte ich mir vorstellen, reagieren kopfschüttelnd, grinsend oder gähnend (bei mir war's vor allem Kopfschütteln).
Etwas kompakter, besser gemacht wirkt der zweite Roman. Das muß man gleich vorausschicken: "Ronin" bleibt in sich völlig unabgeschlossen, das Entkommen aus der Unterwelt ist ja nur der erste Teil der Aufgabe nach wie vor steht noch die Rettung der Menschheit an. Ronin trifft oben im ewigen Eis den Zaubermann Borros wieder, der auch entkommen ist (wie bei der Bewachung verrät Lustbader uns nicht) und geht mit ihm auf Reise: Die Schriftrolle muß entziffert werden, Borros selbst kann das nicht. Natürlich werden sie von der Sicherheit und auch vom Makkon verfolgt. Ronin rächt sich erst mal an Freidal und dessen Figuren, kann aber Borros nicht vor dem Monster retten; zum Glück hat er erfahren, welche Gefahr droht: die Makkon sind vier an der Zahl, und wenn sie alle beisammen sind, werden sie den Dolman rufen können, was den Untergang der Menschheit besiegelt, denn der ist so eine Art Superdämon. Zwar reicht es, einen Makkon zu töten, doch so einfach klappt das auch nicht, die Biester sind zäh. Schwerter helfen nicht; eine Pfählung mit dem Schiffsmast überlebt Monsti ganz locker; gut, daß Ronin einen Kampfhandschuh aus Makkonhaut besitzt, den er in der "Stadt der zehntausend Pfade" von Bonneduce dem Letzten, einem rätselhaften, hm, Seher und Mentor, erhalten hat. Damit kann man schon mal zulangen, aber das ist ganz schön gefährlich.
Ronin erleidet nach Borros' Tod Schiffbruch (das Eis und spätere Wasserschiff haben sie in einem Versteck gefunden, dessen Standort aus alten Schriften bekannt war), wird aber rechtzeitig von Kriegern aus Sha'angh'sei (entspricht Shanghai) aufgefischt und dorthin, zum "Kontinent der Menschen", mitgenommen. Er erlebt weitere Abenteuer. Die Zeit drängt: im Norden regen sich schon die Geisterheere des Dolman, und drei Makkon sind bereits auf der Erde. Wer allerdings nun glaubt, am Ende des zweiten Romans ende auch die Handlung, der irrt: Ronin bricht per Schiff nach der alten Insel Amanomori auf, wo man seine Schriftrolle vielleicht entziffern kann, und auf dem Schiff fährt Freidal mit, der den Kampf im Eis überlebt hat und selbst anscheinend auch (wie??) gerettet worden ist. Vielleicht erfahren wir ja noch irgendwann, auf welche Art die Menschheit gerettet wird, es sei denn, Lustbaders Ausflug hätte sich nicht bezahlt gemacht.
Wenigstens ist der zweite Teil kompakter. Wir treffen zwar ab und an immer noch auf überharte Schnitte, aber jetzt, auf der Oberfläche und offensichtlich am Gelben Meer (es ist auch zu dieser Zeit immer noch gelb), scheint der Autor sich wohler zu fühlen, denn das ist sein Metier. Er zeichnet das Bild eines wimmelnden VielvölkerStaates, der aber irgendwie doch fernöstlich geprägt ist. Dazu tragen die Namen bei: "Grüne Pang" gegen "Rote Pang", "KantonKult", "Rikkagin" (ein Soldatenführer). Auch das Gewirr der Gassen und Hintertreppchen sowie ein Luxusbordell, der Tencho, sind recht realistisch gezeichnet. Hier bewegt sich Ronin vor einem glaubhafteren Hintergrund als dem bestenfalls skizzierten des "Freibesitzes". Aber immer noch gibt es Überfrachtung (was soll am Ende auch noch der "Hirsch", ein WerWesen, zudem recht kurios beschrieben?) und Klischees (die Bordelldame, die Ronin sich wählt, ist natürlich die Kaiserin Sha'angh'seis, und natürlich tötet der Makkon ein ihr sehr (wie?) nahestehendes Mädchen, worauf sie als Amazone mit Ronin reitet) ...
Die obligatorischen, kaum variierten MakkonKämpfe gehen immer wieder unentschieden aus, und am Ende erfährt Ronin vom plötzlich wieder aufgetauchten Bonneduce, daß er noch nicht reif für den Sieg sei. Der Dolman aber hat schon seine Fährte aufgenommen.
Kardinalfrage: Im letzten Kampf gegen den Makkon verliert unser Held das Bewußtsein. Er hat das Ungeheuer verwundet, aber nicht getötet, denn als er erwacht, ist es fort. Wieso ließ es ihn am Leben? Der Makkon ist ja kein Tier, das vor Schmerzen ohne Sinn und Verstand davonrennt, er ist eine intelligente, dämonische Wesenheit und wie die Dinge liegen, kann nur Ronin das Erscheinen des Dolman verhindern, was dieser wiederum weiß ... Hier bleibt Lustbader einiges an Aufklärung schuldig; vielleicht kommt im hypothetischen dritten Teil ja die rettende Macht des Guten ins Geschäft, doch ich glaube, daß sich dieses wenigstens einmal andeuten müßte, sonst nimmt man es dem Autor dann nämlich nicht mehr ab.
Was die Figurengestaltung betrifft, das zum Schluß, haben beide Romane nicht viel zu bieten. Das meiste bleibt starr festgelegter Typ oder blasses Klischee. Nichts vom Eigenleben herrlich gezeichneter Charaktere wie bei Tolkien oder Le Guin. Es kommt letzten Endes nur auf Action an aber auch da schlagen beide eben genannte Autoren Lustbader zumindest in der SF&F um Längen, auch viele, viele andere ...
Genug. Es war eine alte Jugendliebe (siehe oben). Wenn man die nach Jahren wiedertrifft und sie genauer ansieht, ist man ja wohl des öfteren auch ernüchtert ...

02. Nov. 2006 - Peter Schünemann

Der Rezensent

Peter Schünemann

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