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Ich bin Legende
| ICH BIN LEGENDE
Buch / Science-Fiction
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Das Buch wurde zweimal verfilmt, einmal als "The Last Man on Earth" und einmal als "The Omega Man" beide Male mit Charlton Heston in der Titelrolle. Den letzteren Film habe ich schon mehrmals gesehen, und ich mag ihn sehr. Insofern hatte das Buch von vornherein einen SympathieBonus bei mir.
Ich bin nicht enttäuscht worden.
Obwohl es eigentlich ganz anders ist als im Film. Zwar gleichen sich die äußeren Umstände: Nach dem großen Krieg lebt der letzte "normale" Mann allein und wehrt sich gegen die mutierten Menschen, welche ihn umbringen wollen. Doch läßt Mathesons Roman das Movie an zwei Stellen hinter sich.
Zum einen verbindet der Autor die Geschichte nicht mit irgendwelchen biologischen Kampfstoffen, sondern mit einer Erklärung für den Vampirismus seine Mutierten sind tatsächlich Vampire, und ein großes teil der Überlegungen des Haupthelden Robert Neville führt so auch zu Erklärungen des Vampirismus und zu Fragen, ob bestimmte Epidemien in der europäischen Geschichte wirklich der Pest und ähnlichem zuzuschreiben sind oder nicht vielmehr dieser Krankheit denn als Krankheit faßt Neville die Mutation auf. Wer "The Omega Man" gesehen hat, der weiß, wie sich das Leben des Haupthelden abspielt. Er oder die Vampire, das ist die Frage; nach Sonnenuntergang draußen zu bleiben wäre das Todesurteil, sie in sein festungsmäßig ausgebautes Haus einzulassen auch. Er jagt jedoch die Untoten, wo er sie bekommen kann. Dabei fällt ihm auf, daß es Unterschiede zwischen ihnen gibt: Einige sind regelrechte Vampire, andere leben noch, wurden aber infiziert. (Neville selbst ist immun, weil er in Panama von einer blutsaugenden Fledermaus gebissen wurde, die offenbar den Vampirkeim in sich trug, aber eben dadurch gelangte dieser abgeschwächt in Nevilles Blut, und er überlebte.)
Der zweite Unterschied besteht darin, daß das Mädchen Ruth, auf das Neville schließlich stößt, eben nicht normal wie er ist. Doch sie unterscheidet sich in einigen Punkten auch von den anderen Vampiren, z. B. kann sie im Sonnenlicht umherspazieren. Neville begreift die Zusammenhänge erst zuletzt, als er erkennt, daß die lebenden Infizierten (welche ihrerseits die echten Untoten brutal jagen und auslöschen) im Begriff sind, eine neue Gesellschaft aufzubauen. Außenseiter sind nicht sie Außenseiter ist Neville, der letzte der alten Art. Am Ende wird auch er gefangen und soll hingerichtet werden. Die Angehörigen der neuen Rasse warten darauf, denn sie betrachten ihn als eine Monströsität, als Bedrohung des Neuen. In ihren Augen wandelt sich Neville zur Verkörperung des Bösen, zu einem bedrohlichen Wesen so wird er zur Legende: "Ein neues Grauen aus dem Tod geboren, ein neuer Aberglaube in der unbezwingbaren Festung der Unvergänglichkeit!"
Hierin liegt ein großes Plus des Textes. Immerhin stammt er aus dem Jahre 1954, und ich kann mich erinnern, daß nicht gerade wenige der damals entstandenen SFRomane, welche sich der Bedrohung des Menschen durch andersartige Wesen widmeten, die Variante des Helden bevorzugten, der am Ende alles Andersartige überwindet und den alten Status wiederherstellt. "The Omega Man" weist in dieselbe Richtung. Obwohl auch im Film
der Hauptheld stirbt, bleibt eine Perspektive für die menschliche Rasse, wie sie vor der Katastrophe war, also Aussicht darauf, den früheren Zustand wiederzubeleben. Matheson jedoch stellt eben diesen Zustand in Frage. Das ist nicht nur ein Gedanke, welcher ein wenig über die menschliche Beschränktheit im Denken hinausweist, sondern auch einer, der sich ganz logisch aus dem Geschehen ergibt, waren es doch die Menschen alter Prägung, welche letzten Endes den Untergang ihrer Rasse herbeiführten. Ein Wiederauferstehen des Alten würde dann aber immer den Keim eines erneuten Unterganges in sich bergen. (Der These, daß der Mensch aus den selbstverursachten Katastrophen lernt, stehe ich absolut skeptisch gegenüber.)
Erfreulich ist, daß der Verlag diesmal (im Gegensatz zur ersten, gekürzten Ausgabe) die wortgetreue Übersetzung des Titels bevorzugte, so daß, wie von Matheson beabsichtigt, dieser und der letzte Satz des Textes wortwörtlich übereinstimmen, was noch zusätzlich auf die Geschlossenheit, das Unausweichliche der Handlung hinweist.
Ich bin der Meinung, daß es sich durchaus lohnt, dieses Buch zu lesen. Es ist stimmig, es ist spannend, es beinhaltet eine interessante philosophische Komponente, und sein Hauptheld ersteht als lebendiger Charakter vor uns, durch dessen letztendliche Einsicht auch wir die Chance zur Einsicht erhalten.
Richard Matheson, I Am Legend, 1954, ungekürzte Neuübersetzung von Lore Strassl, 1982, ca. 220 S., damals DM 6,80;
eine gekürzte Ausgabe erschien 1963 unter dem Titel "Ich, der letzte Mensch" (Heyne 06/3020)
02. Nov. 2006 - Peter Schünemann
Der Rezensent
Peter Schünemann
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