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Hanni und Nanni – Das Rätsel um die Neue

HANNI UND NANNI – DAS RÄTSEL UM DIE NEUE

Buch / Jugendbuch

Enid Blyton/Brigitte Endres
Hanni und Nanni – Das Rätsel um die Neue
Hanni und Nanni 24
St. Clare’s, Großbritannien, 1941 - 45/Deutschland ab 1970
Egmont Franz Schneider Verlag, München, 7/2007
HC, Kinder-/Jugendbuch, Abenteuer, 978-3-505-12298-9, 160/790
Titel- und Innenillustrationen von Nikolaus Moras
www.schneiderbuch.de
www.enidblytonsociety.co.uk/
www.enidblyton.net/index.html

Kaum ein Mädchen hat nicht irgendwann das eine oder andere „Hanni und Nanni“-Buch gelesen und sich gewünscht, ein Internat wie Lindenhof besuchen zu dürfen und mit netten Freundinnen jede Menge Streiche auszuhecken.
Enid Blyton hat in ihrem Leben über 700 Bücher geschrieben, davon jedoch nur 6 „Hanni und Nanni“. Die Serie war und ist jedoch so populär, dass inzwischen 24 Bände vorliegen, wobei es sich bei den nachträglich hinzu gefügten Büchern um Auftragsarbeiten des Schneider Verlags handelt, die von dt. Autorinnen ausgeführt wurden. Die neuen Abenteuer füllen Lücken, die von Enid Blyton hinterlassen wurden, spinnen die Handlung aber nicht chronologisch weiter.
Seit dem Erscheinen der Original-Bände wurde die Serie nicht nur erweitert, sondern auch mehrfach überarbeitet und modernisiert. So ist von der 1940er-Jahre-Atmosphäre und der typisch britischen Lebensart nichts mehr übrig, denn nahezu alles wurde eingedeutscht und durch Korrekturen auf die 1960er Jahre bzw. das Heute getrimmt. Zudem wurden fragwürdige Formulierungen und Motive geglättet bzw. entfernt (rassistisch wirkende Ausdrücke, zu starke Schwarz-Weiß-Malerei).
Trotzdem finden sich immer noch kritikwürdige Punkte, die von den späteren Autorinnen übernommen wurden wie z. B. die Selbstverständlichkeit, mit der neue oder schwierige Schülerinnen gemobbt werden, der Zwang zur totalen Anpassung an die Gruppe, um Akzeptanz zu erlangen, oder die Schuldzuweisung nach dem Verursacherprinzip, ohne dass der Konflikt hinterfragt wird.
Inzwischen sind nicht mehr nur Kinder aus wohlhabenden und angesehenen Familien auf Lindenhof – es ist tatsächlich die Rede von armen Kindern aus zerrütteten Verhältnissen -, doch das Thema wird nicht weiter ausgeführt, im Mittelpunkt stehen weiterhin die ‚Töchter aus gutem Haus’. Der Titel soll unterhalten und eine relativ heile Welt zeigen, aber nicht aufklären oder gar zu eigenständigem Denken anregen. Was Gut und Schlecht ist, wird aufs Einfachste reduziert und vorgegeben; Graustufen fehlen.
Ebenfalls neu ist, dass es Männer auf Lindenhof gibt und diese dort sogar wohnen. Der alte Hausmeister und sein vorübergehender Gehilfe sind zwar keine Jungmädchenträume, doch mit Hausmeister-Sohn Marc, einem Studenten, der gelegentlich mit einem Seufzen erwähnt wird und keine nennenswerten Handlungsanteile hat, testet man aus, ob in der erzkonservativen „Hanni und Nanni“-Reihe romantische Verwicklungen erwünscht sind. Allerdings sollte man keine großen Hoffnungen hegen, dass die Serie dadurch neuen Schwung erhielte und realistischer wirken würde.
Wer noch die älteren Bände kennt, bemerkt neben den genannten Veränderungen, dass auch der Zeichner gewechselt hat und mit den neuen Titelbildern und Innenillustrationen das Aussehen der Charaktere der heutigen Zeit angepasst wurde, damit sich junge Leserinnen noch immer mit den Protagonistinnen identifizieren können.

Hanni und Nanni besuchen die Oberstufe des Internats Lindenhof und fungieren als Schülersprecherinnen. Aus diesem Grund bekommen sie auch immer mit, was die anderen Mädchen beschäftigt – und das ist im Moment Saskia, die Neue.
Da es im Moment sehr viele Schülerinnen gibt, müssen sich drei bis vier von ihnen die Zweier-Zimmer teilen. Dennoch finden es alle komisch, dass Ellie ihren Raum dem neuen Hausmeister abtreten soll, der gemeinsam mit Saskia angekommen ist. Diese wiederum wird im Nachbarzimmer von Herrn Schwarz bei Doris und Bobby einquartiert. Aber es kommt noch besser: Der Mann hat zwei linke Hände – wie hat Frau Theobald bloß diesen ungeschickten Hausmeister einstellen können?
Doch schon bald nimmt der Schulalltag seinen gewohnten Lauf. Die Mädchen müssen fleißig lernen, die verschrobene Mamsell treibt sie dazu an - wie immer der Running Gag -, Claudine will ihren Geburtstag mit einer Mitternachtsparty feiern, und ein Shakespeare-Stück soll anlässlich des Jubiläums ‚50 Jahre Lindenhof’ aufgeführt werden. Ausgerechnet an diesem großen Tag versuchen Unbekannte, Saskia zu entführen…

Die Art der Geschichten hat sich nicht geändert. Die kleinen und größeren Nöte und Freuden der Schülerinnen liefern die Aufhänger für eine simple Handlung voller Stereotypen. Selbst wenn Spannung aufkommen könnte, wird das Ereignis so undramatisch abgehandelt, dass man genau weiß, das Buch nimmt ein gutes Ende. Leserinnen ab 10 Jahren erwarten hier erheblich mehr. „Das Rätsel um die Neue“ errät man nach 50 Seiten. Mitternachtspartys, Schulfeste und Entführungen hat es zudem schon viel zu oft gegeben.
Die Protagonistinnen kennt man teilweise aus früheren Bänden, doch werden sie etwaigen Neueinsteigern grundsätzlich in zwei Sätzen vorgestellt; ausführlichere Beschreibungen vermeiden die Autorinnen. Das macht es natürlich auch für diese einfacher, sich in der Serie ohne große Vorkenntnisse zurechtzufinden, mit etablierten Figuren zu arbeiten und neue einzufügen. Zu dem festen Personen-Stamm kommen regelmäßig wechselnde Schülerinnen hinzu, um für Variationen der üblichen Themen zu sorgen.
Tatsächlich sind alle Protagonistinnen austauschbar, denn selbst die etwas individuelleren Charakterzüge sind ähnlich bzw. mehrfach belegt (die Spaßvögel Doris, Jenny und Bobby, die Chaoten Carlotta und Molly, die vorwitzigen Französinnen Claudine und Antoinette etc.). Manche von ihnen erkennt man inzwischen gar nicht mehr wieder, weil sie das Bisschen Individualität von einst gänzlich eingebüßt haben und sich nicht selten völlig anders benehmen als in früheren Büchern. So ist die feurige Carlotta nur noch ein zänkischer Giftnickel, Bobby und Jenny, die früher echte Streiche ausheckten, nerven mit dummen Sprüchen. Man fragt sich angesichts solcher Abweichungen, wie viele der Bücher Brigitte Endres überhaupt gelesen hat.
Sogar die Sprache, die man dem heutigen Jargon anzupassen versuchte, ist sehr einfach und wird in den Dialogen zu einem gekünstelten Gekeife, dem man anmerkt, dass die Autorin nicht wirklich weiß, wie sich Jugendliche unterhalten, zumal ihr immer wieder Ausdrücke hinein rutschen, die von der beschriebenen Altersgruppe überhaupt nicht mehr benutzt werden.

Ältere Leserinnen, die nostalgisch werden, wenn sie an „Hanni und Nanni“ denken, sollten einen großen Bogen um die aktuellen Bände machen, denn was ihnen hier geboten wird, zerstört nur die schönen Erinnerungen.
Es empfiehlt sich, den eigenen Kindern zunächst die älteren Bücher zu geben, die doch etwas mehr Internats-Atmosphäre ausstrahlen und in denen die kleinen Abenteuer liebevoller erzählt werden. Man merkt mit der Zeit, ob und wann das Interesse des jungen Publikums bei den Folgebänden langsam versiegt, den auch mit 10 Jahren merkt man schon, wenn sich die Motive ständig wiederholen und die Figuren einfach nicht mehr die sind, die sie einmal waren.
„Hanni und Nanni“ mag zwar schon bald zu den modernen Kinderbuch-Klassikern gehören, aber das bedeutet nicht, dass die Reihe wirklich ein Muss ist. Gerade das bunte Programm des Schneider Verlags bietet sehr viel attraktivere Lektüren für kleine Leseratten wie z. B. Max Kruses „Caroline“ oder Ursel Schefflers bilinguale „Kugelblitz“-Bände.

23. Dez. 2007 - Irene Salzmann

Der Rezensent

Irene Salzmann
Deutschland

Total: 1065 Rezensionen
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Irene Salzmann, Jahrgang 63, verheiratet, drei Kinder, studierte mehrere Semester Südostasienwissenschaften und Völkerkunde an der LMU München.
Schon seit Jahren schreibt sie phantastische und zeitgenössische Erzählungen, die zunächst in den Publikationen der nicht-kommerziellen Presse erschienen sind. In den vergangenen Jahren w...

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