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Der Atem des Rippers

DER ATEM DES RIPPERS

Martin Clauß
Roman / Horror

Atlantis Verlag

Taschenbuch, 110 Seiten
ISBN: 978-393674290-9

Dez. 2007, 1. Auflage, 6.90 EUR
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Mit Martin Clauß “Der Atem des Rippers” legt der ATLANTIS- Verlag ein weiteres Werk zum immer noch nicht ganz aufgeklärten Treiben des Jack the Rippers im viktorianischen England auf. Martin Clauß ist 1967 in Esslingen geboren worden. Er studierte Japanologie und arbeitet inzwischen als Dozent sowie Schriftsteller. Er ist verheiratet und hat eine Tochter. Im Jahre 2005 erschien als Book on Demand “Das große Anime Lösungsbuch”, 2007 folgte in der Romantruhe “Falkengrund 1- Das Schloss und seine Geister “ in diesem Jahr erscheint im Überreuter- Verlag sein Roman “Die Saat des Yokai”.

Ganz bewusst hat der Autor auf eine stringente Struktur seines Buches verzichtet und die klassischen Kriminalelemente auf das Notwendigste reduziert und insbesondere in den Zwischenstücken sogar pervertiert. Zu Beginn des Buches gibt ein Geistlicher auf dem Sterbebett die Identität Jack the Rippers preis. Die Jagd auf den Mann ist eröffnet. In einer Parallelhandlung verfolgt dagegen ein Künstler, wie ein Mann in Mandalay verfolgt wird. In letzter Sekunde wirft dieser seine Tasche über eine Mauer und entschwindet zusammen mit seinem Verfolger in der Menge. Der Künstler kann dem Drang nicht widerstehen, die Tasche zu bergen. In ihr befindet sich ein Tagebuch, einige lose Seiten und Zeitungsausschnitte. Alle sind in einem verhältnismäßig schlechten Zustand. Als der Künstler zu lesen beginnt, entdeckt er, dass es sich um die Aufzeichnungen Jack tue Rippers handelt. Den Hauptteil des Romans bestimmen diese Aufzeichnungen. Martin Clauß geht der Theorie nach, dass es sich um einen medizinisch geschulten Mann handelt. Dieser ist schließlich Priester geworden und dann erst nach einem intellektuellen Disput mit der Kirche seine Mordserie beginnen. Die Serie hat aufgehört, als er dank der Deckung der Kirche schließlich nach Burma versetzt worden ist. Mit sehr viel Liebe zum Detail und entsprechender Recherchearbeit hat Martin Clauß seine fiktive Geschichte in die historisch soweit bekannten Fakten integriert. Er zeichnet das Portrait eines in sich zerrissenen Menschen, der Ruhe und Beistand in der Kirche hoffte. Diese hat ihn ebenfalls enttäuscht. Zu den markanten Meilensteinen auf seinem Weg in den Abgrund gehört eine Begegnung mit den falschen Reliquien der katholischen Kirche, welche er als medizinisch geschulter Mann sofort identifizieren konnte. Die Folge ist eine Auseinandersetzung mit dem Pabst, der in seinem kurzen Auftritt als stoisch und verbohrt bezeichnet wird. Auch die kurze, körperliche Liebe zu einem italienischen Dienstmädchen kann sein inneres Feuer nicht mehr löschen. In London beginnt er zu morden. Sein Vorgesetzter Priester erkennt das Geheimnis und will ihn in die Provinz versetzen, um einen Skandal zu verhindern. Immerhin handelt es sich bei den Opfer um niedere Menschen. Steht zu Beginn noch die Experimentierlust im Mittelpunkt seiner Morde, bringt er später weitere Frauen um, um sich einen Fetisch für die Reise ins Unbekannte aus Körperteilen zu basteln. Die Tagebuchaufzeichnungen sind intensiv und packend geschrieben worden. Der Leser verfügt ja - die wenigen Unterbrechungen durch die Kommentare des Künstlers unberücksichtigend lassend - nur über dessen wirre Gedanken, um sich ein Bild von dem unsicheren, in sich zerrissenen Geist zu machen. Mit dieser Vorgehensweise führt Clauß den Leser direkt in den Verstand des Rippers. Obwohl zwischen den Taten und dem Auffinden des Tagebuchs immerhin 15 Jahre liegen und zwischen dem Fund und der Gegenwart mehr als einhundert Jahre, besticht “Der Atem des Rippers” durch eine eindringliche, nihilistische und gut gezeichnete Atmosphäre. Um den Leser nicht allzu sehr vom Mörder zu entfremden, werden die meisten Morde durch Zeitungsausschnitte beschrieben und distanzieren mit diesem einfachen, aber effektiven literarischen Trick sowohl Zeuge als auch Zeuge - den Leser - vom eigentlichen Geschehen. Martin Clauß hat aber noch eine weitere Handlungsebene eingezogen. In einigen längeren Zwischenschnitten kann der Leser verfolgen, wie der Ripper noch in Mandalay von der Polizei gefangen genommen und heimlich wieder nach England gebracht wird. An ein Kreuz gefesselt wird er von einer jungen Prostituierten im Auftrag der Polizei verhört. Diese versteckt sich fast wie bei einem Beichtstuhl in einer Gitterwand und lässt die verängstigte Frau die Fragen vorlesen. In diesem Sequenzen stellt der Autor die bisher durch die Tagebuchaufzeichnungen statisch entwickelte Handlung auf den Kopf. Das Geschehen springt zwischen Vergangenheit - den Tagebuchaufzeichnungen - und Gegenwart - die Gefangennahme im Jahre 1903 - hin und her. Höhepunkt dieser Entwicklung wird das Ende der Gegenwartshandlung vor dem Ende der Aufzeichnungen per se sein. So verfolgt der Leser noch die innere Katharsis des Mörders mit der Hoffnung, in Birma ein neues, gewaltfreies Leben beginnen zu können, während im London des Jahres 1903 sein Schicksal schon besiegelt ist. Das diese Szenen überhaupt so reibungslos funktionieren, liegt in erster Linie an der soliden, ganz bewusst nicht sympathisch gezeichneten Charakterentwicklung. Der Ripper ist die einzige Figur, über welche der Leser mehr als nur einige holzschnittartige Züge erfährt. Selbst der Geistliche bleibt eine im Grunde unbestimmbare Chiffre. ER ist hin und her gerissen zwischen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft - den Mörder auszuliefern - und seinem geistlichen Auftrag, den Sünder auf den rechten Pfad zu führen. Seine Motivation ist nicht immer gänzlich überzeugend gezeichnet und stellenweise agiert er eher mechanisch plotkonstruktiv als wirklich nachvollziehbar, aber zumindest stellt seine Handlung ein interessante weitere Spekulation in den unzähligen Jack tue Ripper Thesen dar. Die Polizei wird - vielleicht auch im Angesicht der schrecklichen Taten - auf das Niveau des Täters herabgezogen. Es geht später nicht mehr um Gerechtigkeit, sondern vordergründig um Rache, hintergründig um die Heilung der eitlen und durch die grausamen unaufgeklärten Morde gekränkten Seelen. Die Befragung im Jahre 1903 ist nihilistisch und packend beschrieben. Sie erinnert in ihrer Provokation - die Kreuzigung des Täters - an Szenen, die Ken Russel inszeniert haben könnte. Ein junge Prostituierte namens Mary - zwei seiner Opfer trugen den gleichen Namen - soll den Priester weiter verwirren und ihn zu Aussagen bewegen. Es sind diese kleinen, intelligent gestalteten Szenen, welche dem Leser auch lange nach der Lektüre im Gedächtnis bleiben. Wer sich intensiver mit dem “Jack tue Ripper” Phänomen beschäftigt, wird vielleicht in den Tagebuchaufzeichnungen des obliegenden Romans nicht sonderlich viel Neues finden, aber die Kombination mit dem fiebernden, inzwischen gänzlich verwirrten Täter ergeben eine interessante Mischung. Dazu kommen die Spekulationen, wie die Mordserie beendet worden ist und vor allem, wie der Täter schließlich ums Leben gekommen ist. Das die britisch Polizei dabei ungesetzliche Methoden bevorzugt hat, ist eine pikante, pointierte Note in dieser kurzweilig zu lesenden Horrorgeschichte. Stilistisch ansprechend überzeugt die Geschichte positiv durch ihre Kürze. Die Tagebuchaufzeichnungen lassen von ihrer Struktur her keine ausschweifenden Passagen zu. Dann würden diese unglaubwürdig wirken. Mit dieser Vorgehensweise und den wenigen Kommentaren des ersten Lesers - des Künstlers - wird der historische Tatbestand mit einigen wenigen Spekulationen aufbereitet sehr gut und packend abgehandelt. Die Handlungsebene im Jahre 1903 hätte durchaus umfangreicher dargestellt werden können. Das Interessante an der Befragung liegt in der Tatsache, dass Martin Clauß auch hier die Perspektive des Rippers nicht verlässt, sie nur leicht, aber merklich verschiebt und dem Leser einen inzwischen gereiften, aber ehrlicherweise nicht mehr zurechnungsfähigen Charakter präsentiert. Vor der Prostituierten und der Polizei beichtet der Ripper die verworrenen Motive seiner Taten, etwas, was ihm als arroganter Priester vor seinem Vorgesetzten nicht gelungen ist. Es sind diese kleinen Noten, welche “Der Atem des Rippers” zu einem empfehlenswerten Lesestoff trotz oder gerade wegen der bekannten Grundthematik machen.

09. Feb. 2008 - Thomas Harbach
http://www.sf-radio.net/buchecke/horror/isbn9-7839...

Der Rezensent

Thomas Harbach
Deutschland

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