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Der Zauberhut

DER ZAUBERHUT

Buch / Science-Fiction

Alt ist der Hut schon, um den es hier geht, und etwas älter ist auch das Buch, nicht mehr unbedingt Pratchett neustes. Als ich aber im SXVerzeichnis nachsah, stellte ich zu meinem Erstaunen fest, daß noch keiner unserer PratchettFreaks den Roman rezensiert hat, und so will ich es denn tun, obgleich ich wohl nicht zum engeren TPFankreis gehöre. Aber "Der Zauberhut" hat mir ganz gut gefallen, an vielen Stellen mußte ich einfach loslachen. Das hat zum einen etwas mit der Geschichte selbst zu tun. Deren Grundidee scheint auf den ersten Blick nicht neu: Die Herrschaft eines Magiers bedroht die Welt, hier die Scheibenwelt. Aber was macht Pratchett aus diesem alten Klischee!

Auf der Scheibenwelt, das ist bekannt, wird der achte Sohn eines achten Sohnes ein Zauberer, und hinfort muß er der Liebe zum anderen Geschlecht abschwören, denn es wäre nicht auszudenken, was geschähe, wenn er wieder acht Söhne hätte ... Genau das geschieht natürlich, wie der Autor uns in einer guten halben Seite gleich zu Anfang kundtut: Einer der Magier bricht aus und wird daraufhin von seinen Kollegen ausgestoßen, er zeugt sieben Söhne und dann noch einen achten: "Einen Zauberer hoch zwei. Eine Quelle der Magie. Einen Kreativen Magus."
Der Vater, der eigentlich sterben müßte, rettet sich in den Stab, den er für seinen Sohn bestimmt hat, und als dieser zehn Jahre alt geworden ist, beginnen die Probleme. Münze, so heißt der Knabe, betritt die Unsichtbare Universität von AnkhMorpork, in der gerade ein neuer Erzkanzler gewählt werden soll. Die Zauberer dort sind träge, angepaßte Burschen, sie mögen ihr gutes Leben und paralysieren ihre magischen Energien durch gegenseitige Stellungskämpfe. Nun aber wird alles anders, denn ein Kreativer Magus bedeutet unerhörte Möglichkeiten. Wie sich herausstellt, sind selbst die Götter der Scheibenwelt Münze nicht gewachsen. Angeleitet von seinem Vater, bringt er die Welt auf Trab bald jedoch traben die Vier Apokralyptischen Reiter ... Da ist es an Rincewind, dem schon bekannten talentlosen Zauberer, die Welt zu retten. Doch zuerst einmal reißt Rincewind aus. Wenn ich eben "talentlos" schrieb, so bezieht sich das ausschließlich auf die Magie sein Talent zum Überleben dagegen ist nahezu uneingeschränkt. Als er bemerkt, wie die Mäuse und Ratten die Universität verlassen, wie die Wanzen gleich in ihren Matratzen aufbrechen ("... da sie nicht wußten, ob sie woanders eine ebenso komfortable Unterkunft fanden, beschlossen sie, auf Nummer Sicher zu gehen ..."), die steinernen Figuren vom Dach steigen und selbst die Kakerlaken geordnet in Hunderterreihen ausmarschieren, da beschließt er, es ihnen gleichzutun, und landet zuerst einmal in einer Kneipe, wo er sich ausruhen möchte. Dummerweise gerät auch Conina dahin, die Tochter von Cohen dem Barbar, welche telepathisch vom Hut des Erzkanzlers beauftragt wurde, diesen zu stehlen, damit er nicht in Münzes Hände falle, und einen Zauberer zu suchen. Nun, sie hat Rincewind gefunden ... Also machen sich die beiden nach Al Khali auf, wo der Zauberhut eine Abwehrbastion gegen den Kreativen Magus errichtet, indem er sich des dortigen Großwesirs bedient. Klar, daß es ziemlich turbulent auf der Reise zugeht; Rincewind und Conina, die davon träumt, Friseuse zu werden, begegnen außer diversen Feinden noch Nijel, einem barbarischen Helden in Selbstausbildung, und Krösus, dem geschichtenverrückten Serif von Al Khali. Selbstverständlich ist auch Truhe mit von der Partie, Rincewinds selbstlaufendes und tödliches Reisegepäck aus intelligentem Birnbaumholz; Truhe verliebt sich in Conina ... Und so weiter.

Pratchett brennt ein wahres Feuerwerk an Gags ab, größerer handlungstragender und kleinerer, seitenhiebartiger; zu den letzteren zählen solche wie die Erfindung des magischen und ungeheuer gefährlichen Werkes Necrotelicomnicon. Es fällt schwer, Höhepunkte zu benennen. Für mich sind die lustigsten Handlungsteile Truhes Marsch durch die Wüste, wobei einige sagenhafte Arten dezimiert werden werden ("Die Chimären waren eine sehr seltene Spezies, und dieses besondere Exemplar traf eine Entscheidung, die sich nicht unbedingt eignete, um den Fortbestand seiner Art zu sichern."), die Dialoge mit dem geschäftstüchtigen Lampengeist (eine gnadenlose AladdinVerschaukelung) und wie drei der Vier Apokralyptischen Reiter in der Kneipe hängenbleiben (Conina, Nijel und Krösus haben Krieg, Hunger und Pestilenz die Pferde geklaut) sowie Rincewinds "Kampf" gegen Münze, den er mit einer Socke erschlagen will, in die ein Ziegelstein gewickelt ist ("Ist es eine magische Socke? ... Die Socke eines Erzkanzlers? Eine Socke der Macht?").

Pratchett, von Übersetzer Andreas Brandhorst ausgezeichnet herübergebracht, arbeitet zum einen mit einer teilweise überdrehten Syntax, zum anderen mit allen möglichen klassischen Stilmitteln, zum dritten mit Klitterungen, die einfach nicht zusammenpassen wollen und so zum Lachen förmlich zwingen; die "Socke der Macht" mag für letzteres als Beispiel gelten. Der vierte Aspekt, welcher das Buch lesenswert macht, ist die liebenswerte Figur des unsicher durch die Handlung stolpernden Rincewind, der Dialoge mit seinem Gewissen führt und sich schließlich nicht anders entscheiden kann: Er muß die Welt retten, und sei es mit einer Socke und einem halben Ziegelstein, eingesetzt gegen kreative Magie. Es mag sein, daß durch seinen Tod "das durchschnittliche okkulte Leistungsvermögen der Menschheit um einen Bruchteil stiege", wie Pratchett uns wissen läßt, aber Rincewind versichert selbst hoch und heilig, daß er ein wahrer Zauberer ist und daß es auf die Magie überhaupt nicht ankommt. Und in der Tat ist er auf seine Weise den Zauberern aller acht Stufen (er hat es nach sechzehn Jahren "nicht einmal geschafft, Stufe Eins zu erreichen. Seine Lehrer vertreten sogar die Auffassung, daß es ihm an den notwendigen Fähigkeiten für die Stufe Null fehlt, obwohl die meisten Menschen auf dieser magischen Ebene geboren werden.") überlegen. Eben doch ein echter "Zaubberer" (wie es auf seinem Hut steht, von dem er sich niemals trennt, jedenfalls nicht freiwillig)?

Nun, ich bin gespannt, nicht nur mehr von der Scheibenwelt zu erfahren, sondern auch mehr von diesem komischliebenswürdigen Magier.

Sourcery, 1988; dt. München 1990, ca. 360 S., DM 12,80

10. Nov. 2006 - Peter Schünemann

Der Rezensent

Peter Schünemann

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