Schwere Wetter
| SCHWERE WETTER
Buch / Science-Fiction
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Bruce Sterling kannte ich bisher nur als Herausgeber und Mitautor der CyberpunkSammlung "Spiegelschatten"; ich habe mir auch während der Zeit, in der ich viel aus dieser SFStrömung las, keinen Roman von ihm zugelegt, aus welchen Gründen auch immer. Das ReziExemplar von "Schwere Wetter" schien mir daher geeignet, nach dem Erzähler Sterling nun auch den Romanautor kennenzulernen. Angeregt durch die exzellente Story "Mozart in Spiegelschatten", welche Sterling zusammen mit Lewis Shiner schrieb, erwartete ich von "Schwere Wetter" einiges.
Und wurde enttäuscht. Das Buch zählt zu den schlechtesten und langweiligsten SFWerken, die ich jemals gelesen habe. Die Idee wurde verschenkt, die Handlung bietet keine Höhepunkte und mündet auch noch in ein nahezu kitschiges Happyend. Soll ich trotzdem ein paar Sätze zur Story verlieren?
Also schön: Wir haben es mit einem NextFutureRomane zu tun; er spielt in den dreißiger Jahren des nächsten Jahrhunderts. Das Klima der Erde ist endgültig ruiniert; Krankheiten und Epidemien grassieren; schwere Stürme erschüttern die brüchig gewordene Zivilisation. In ihrem Gefolge tauchen allerlei seltsame Typen auf, darunter die sogenannten Storm Troupers, eine kleine Gruppe von Klimafreaks, welche unter der Leitung des exzellenten Mathematikers Jerry Mulcahey den vorausberechneten "F6" erwarten, eine Art Megasturm, Twister hoch zehn, was weiß ich. Jerrys Geliebte, Jane Unger, Tochter aus gutem Hause, identifiziert sich völlig mit den Plänen ihres Freundes, hat aber dennoch Zeit, ihren genetisch kranken Bruder Alex aus einer mexikanischen Schwarzmarktklinik zu befreien sie befürchtet, dort solle ihm das Lebenslicht ausgeblasen werden. Den geretteten Alex bringt sie zur "Truppe"; er avanciert zur Hauptperson des Romans. Bei der Vorbereitung seiner Befreiung hilft ihr Jerrys Bruder Leo, eine undurchsichtige Gestalt, im weiteren Verlauf des Textes aber allerhöchstens eine Randfigur und ganz plötzlich, ab S. 355 etwa, einer der Superbösewichte par excellence. Unter anderem störte mich, daß dieses Handlungsmotiv mit einer Flut neuer Informationen völlig unverhofft erst 60 Seiten vor Ende des Buches auftaucht, organisch überhaupt nicht zur Handlung paßt, nicht aus ihr entwickelt noch in ihr angedeutet wurde und auch nicht weiterentwickelt werden kann. Dabei wäre die Szene, die Jane mit Leo und dessen Gefährten in einem sturmsicheren Bunker erlebt, tatsächlich die Idee für einen guten, spannenden Roman geworden. Aber Sterling scheint besessen von den Wetterfreaks und ihrer Jagd nach dem Supersturm doch wie er diesen den HauptHandlungsstrang schließlich zum Höhepunkt führt und enden läßt, kann man mit einem ShakespeareTitel beschreiben: "Viel Lärm um nichts".
Was noch? Hölzerne Charaktere, langweilige Dialoge und ein Konglomerat aus unverbundenen Ansätzen zu Ideen. Das Buch ist in schönes Hardcover gekleidet; ich hörte schon oft, daß diese edel ausgestatteten Bände meist nicht zum Besten gehören, was Heyne zu bieten hat. "Schwere Wetter" scheint mir ein weiterer Fall für dergleichen Differenz zwischen Inhalt und Verpackung zu sein. Schade für Sterling und für den Verlag; aber beide sind selber schuld.
Heavy Weather, © by Bruce Sterling, 1994, dt. von Norbert Stöbe, 1996, 414 S., DM 16,90
11. Nov. 2006 - Peter Schünemann
Der Rezensent
Peter Schünemann
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