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Die Weber von Saramyr / Das Gambit der Kaiserin

DIE WEBER VON SARAMYR / DAS GAMBIT DER KAISERIN

Buch / Fantasy

Der verschlungene Pfad 1 und 2

Saramyr ist ein streng in Hoch und Niedrig geteiltes Reich, von Adelsfamilien beherrscht, von einem Geblütskaiser oder einer Geblütskaiserin regiert. Vor Jahrhunderten wurde es gegründet, weil Menschen aus dem Reich Quaraal flohen, um der dortigen rigiden Priesterherrschaft zu entgehen. Die Flüchtlinge wollten einfach mehr Freiheit – nicht, dass Saramyrs Bewohner nun areligiös geworden wären. Im Gegenteil, sie beten zu einer vielköpfigen Götterschar, zu der auch die drei Mondschwestern gehören, Gottheiten der drei Monde von Woodings Welt (die im Buch mehr als nur eine Rolle spielen). Stehen alle drei gleichzeitig am Himmel, kommt es zu einem verheerenden Mondsturm.
So auch in der Nacht, als die Familie der jungen Kaiku vernichtet wird, freilich nicht durch den Sturm: Jemand hat alle vergiftet und außerdem Shin-Shin-Dämonen auf sie gehetzt. Kaiku überlebt und kann fliehen, aber nur dank der Hilfe ihrer Zofe Asara. Diese allerdings scheint plötzlich mehr als nur Zofe zu sein, sie spricht von Freunden, einem Versteck und einem Auftrag. Leider bricht plötzlich etwas Ungewohntes und Vernichtendes aus Kaiku hervor, das alles ringsum, auch Asara, verbrennt, gerade in dem Augenblick, als die "Zofe" ihrer ehemaligen Herrin den Gegenstand zeigt, um dessentwillen ihre Familie sterben musste: eine schwarz und rot lackierte Maske. Eine wahre Maske, ein Gegenstand der Macht.
Wahre Masken benutzen die Weber, die seit mehr als zwei Jahrhunderten den Adelsfamilien Saramyrs dienen: sie helfen dabei, sich über große Entfernungen hinweg zu verständigen, Feinde zu erkennen, zu bespitzeln, abzuwehren oder zu töten ... und bei dergleichen mehr. Gleichzeitig wollen sie alle "Ausgeburten" vernichten: Lebewesen, die entstellt oder mit besonderen Fähigkeiten zur Welt kommen, auch Menschen. Denn Saramyr leidet unter einem rätselhaften Verfall: die Mutationen nehmen zu, die Ernten missraten, Wälder sterben ab, Gebirge werden von unheimlichen Wesen unsicher gemacht. Der Wille der Weber zur "Reinigung" und der Hass der gewöhnlichen Menschen auf die "Ausgeburten" scheinen somit gerechtfertigt – bloß, was nützt das jemandem wie Kaiku? Nicht nur, dass ihre sorglose Jugend – ihr Vater war ein wohlhabender Gelehrter von Adel – mit einem Schlag zu Ende ist; sie muss auch erkennen, dass sie selbst zu den "Ausgeburten" gehört. Ihre Fähigkeit, Feuer zu wirken, macht sie gefährlich und gefährdet sie zugleich.
Doch Kaiku ist eine bemerkenswerte junge Frau. Sie zerbricht nicht an der schlimmen Wendung ihres Lebens – sie will Rache für den Tod ihrer Familie. Antworten hofft sie in der Hauptstadt Axekami zu finden, mit Hilfe ihrer gleichfalls adeligen Freundin Mishani. Auf dem Weg dorthin muss sie es lernen, mit ihrer neuen Persönlichkeit umzugehen, sie nicht nur zu verbergen, sondern auch zu ertragen. Was sie vorerst noch nicht weiß: auch die Tochter der Kaiserin, Lucia, acht Jahre alt und einzige Thronerbin, ist eine "Ausgeburt". Ihre Mutter hat sie bisher sorgsam vor der Welt verborgen; doch nun ahnt ein verborgener Gegner offenbar etwas von dem Geheimnis und beschafft sich einen Beweis. Wer zieht die verborgenen Fäden: einer der Weber? Vielleicht gar Webfürst Vyrrch selbst, der persönliche Diener der Kaiserfamilie?
So geraten die beiden, das Mädchen und die junge Frau, in den Strudel einer Angelegenheit, die größer ist als sie, größer auch als die Machtpolitik der Adligen, ja selbst größer als die Macht der Weber, die sich allmächtig glauben ...
... und Chris Wooding entwickelt diese "Angelegenheit" auf den knapp 1300 Seiten der beiden ersten Romane derart brillant, dass man endlich einmal mit Fug und Recht einen Vergleich mit Tolkien oder anderen Größen wagen könnte (doch diesmal fehlt er spaßigerweise). Ehrlich, ich habe in der letzten Zeit selten Anfang und Mittelteil einer so großartigen und spannenden Saga gelesen und warte nun ungeduldig auf den dritten Teil. Hervorragend ist zum einen Woodings Weltentwurf, im ersten Teil auf Saramyr beschränkt, im zweiten (welcher gut fünf Jahre nach dem ersten spielt) auch die Reiche Okhamba, Quaraal und Yttryx ausgeweitet. Gelungen ist ihm die Zeichnung des religiösen und politischen Hintergrundes Saramyrs. Besonders beeindruckend gestaltet sich seine Beschreibung der Weber, ihrer Methoden, ihrer Geschichte und ihrer Ziele. Am meisten aber war ich fasziniert von seiner Fähigkeit, die Handlung ständig "umkippen" zu lassen, einen Umschwung nach dem anderen zu präsentieren und den Leser immer wieder durch seine Einfälle zu verblüffen. Es gibt im ganzen Text eigentlich nur eine "feste Größe", an die der Leser sich halten kann: Kaiku. Allen anderen wichtigen Figuren, selbst Lucia vielleicht, kann man nur bedingt trauen ... Kaikus Entwicklung aber bildet, wie für die High Fantasy typisch, das Rückgrat der Trilogie. Die Queste, auf die sie geht, hat drei Aspekte: Sie sucht nach Möglichkeiten zur Rache, sie sucht nach Antworten, und sie sucht nach sich selbst. Unbeirrt und stur, wenn es um das Richtige geht, ist sie durchaus lernfähig und einsichtig, wenn sie erkennt, sich geirrt zu haben; eine in jeder Hinsicht sympathische junge Frau.
Der ethische Hintergrund des Werkes präsentiert sich ungefähr in der Mitte des zweiten Bandes. Kaiku debattiert des öfteren mit Tsata, einem Tkiurathi aus Okhamba (vielleicht der einzigen anderen völlig vertrauenswürdigen Figur). Er ist in Gefahren und Kampf ihr enger Gefährte geworden, auch wenn seine Gesellschaft und ihre völlig verschieden sind. Wooding nutzt diese Figur, um nicht nur Kaiku und Saramyr, sondern auch uns einige Fragen zu stellen. Die Weber, deren sich die Adligen anfangs nur bedienten, könnte man mit einer beliebigen Technologie vergleichen, die selbstsüchtigen Zwecken dient und aus Selbstsucht nicht aufgegeben wird. Nun zerstört sie allmählich die Welt; dennoch wollen die Nutzer nicht von ihr lassen, und wenn sie es unter dem Druck der Umstände endlich doch tun müssen, könnte es zu spät sein. Der "Wilde" hält dem "zivilisierten" Menschen unbarmherzig und offen einen Spiegel vor; der Mensch, für den die Gruppe, die Familie, die Freunde, der Pash (was auch "Volk" oder sogar "Weltgemeinschaft" bedeuten kann) das Wichtigste sind, versteht den Individualismus des angeblich "höher entwickelten" Einzelgängers nicht. In diesen Gesprächen wird der Parabelcharakter der Handlung deutlich, und ich denke, Woodings Einstellung zu diesen Themen macht einen guten Teil der Qualität des Buches aus: Er hat nicht nur etwas zu erzählen, sondern auch etwas zu sagen. Ich habe Ähnliches schon in meiner Besprechung von Cherith Baldrys Roman "Der venezianische Ring" vermerkt, und die dort ausgesprochene Empfehlung soll auch für diese Bücher gelten – in noch gesteigerter Form.

The Weavers of Saramyr, ©? 2003 by Chris Wooding, aus dem Englischen übersetzt von Michael Krug 2005, 555 S., _ 8,90, ISBN 3404205014

The Skein of Lament, ©? 2004 by Chris Wooding, aus dem Englischen übersetzt von Michael Krug 2005, 718 S., _ 8,95, ISBN 3404205162

11. Nov. 2006 - Peter Schünemann

Der Rezensent

Peter Schünemann

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