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Der Zyklus des Feuers

DER ZYKLUS DES FEUERS

Buch / Fantasy

1: Sturmwächter

Die ersten hundert Seiten lang sah ich kaum durch. Gut, der Wächter der Stürme und Wasser, Anskiere (der "Gute”), wird verhaftet, weil er mit seiner Macht eine Insel halb zerstört hat. Natürlich weiß jeder Leser, dass er nicht schuldig ist - und bald lernen wir auch die wahre "Böse” kennen: die Zauberin Tathagres, seine ehemalige Schülerin und jetzige Feindin, hat ihm seine Macht in einem unbewachten Moment entrissen. Nun, verbündet mit dem König von Kisburn und nicht mehr bedroht von Anskiere, spielt sie ihr eigenes Spiel. Der Sturmwächter wird zum Kielmark gebracht, dem Piratenherrscher, der eine wichtige Meeresstraße kontrolliert und von allen Schiffen kräftig Tribut erhebt, von seiner Piraterie ganz zu schweigen. Der König hätte das gern anders, und Tathagres will ihm helfen, Riffhafen, die Hauptstadt des Kielmark, zu erobern; im Gegenzug soll ihr der König die Schlüssel zum Turm von Elrinfaer aushändigen.
Dann sind da noch die beiden Kinder Taen und Emien. Taen folgt dem gefangenen Zauberer, weil sie ihn beschützen will. Emien folgt Taen, weil er seine Schwester nach Hause zurückholen will. Aber der Tod seines Vaters, den er verschuldet zu haben glaubt, quält den Jungen, macht ihn unsicher, verwundbar; Tathagres fällt es leicht, ihn auf ihre Seite zu ziehen. Und als Emien glaubt, Anskiere habe auch den Tod seiner Schwester verschuldet, hasst er den Sturmwächter und will ihn vernichten.
Nur kommt er nicht so schnell an ihn heran. Anskiere soll nämlich mittels einer raffinierten Falle gezwungen werden, die dämonischen Frostwargs befreien, die nah bei Riffhafen seit vielen Jahren in einem magischen Kerker gefangen sind. Einst hatte die Macht seines Gefährten Ivain, des Erden- und Feuergebieters, die Dämonen gebannt, doch Ivain wurde wahnsinnig und verriet seinen Freund ausgerechnet im Kampf gegen die Mharg, noch schlimmere Kreaturen. Anskiere schaffte es nur unter Mühe, diese in den Turm von Elrinfaer einzuschließen. Dann jagte er den Verräter und bannte ihn: Sollte er Ivain jemals rufen, müssen dieser oder sein Erbe ihm zu Hilfe kommen.
Jetzt, da die Frostwargs fast frei sind, ruft er ihn allerdings noch nicht. Es gelingt ihm, die Dämonen mittels seiner eigenen Magie erneut gefangen zu setzen, aber er muss sich auch selbst in das Gefängnis einschließen. Damit ist der letzte Verteidiger der Menschen von Keithland erst einmal außer Gefecht gesetzt. Anskieres und der Menschheit einzige Hoffnungen sind Taen, welche die Fähigkeit besitzt, die Gabe des Traumsehens und Traumwebens zu erwerben, und Jaric, ein schwächlicher, ängstlicher Knabe, ein Schreiberlehrling - doch er ist der Erbe des Feuergebieters ... Nur lehnt er, im Gegensatz zu Taen, die sich von den Vaere (einer Art guten Göttern??) ausbilden lässt, seine Bestimmung ab - doch ohne ihn geht es nicht.
Wer jetzt auch nicht mehr durchsieht, der versteht vielleicht, wie es mir bei der Lektüre dieses ersten Bandes des dreiteiligen Zyklus erging. Hinzu kommt, dass der Hintergrund sehr lange unklar bleibt. Menschen und Dämonen (besser mit "Aliens” zu übersetzen) leben auf diesem seltsamen Planeten zusammen, seit das Sternenschiff Corinne Dane hier abstürzte. Die hatte zuvor Vertreter von zwölf "Dämonen”rassen eingesammelt, um sie zu untersuchen und so einen Weg zu finden, die Menschheit zu retten, die im gesamten Sternengebiet von den Aliens besiegt und versklavt wurde. Das ehemalige Navigationssystem des Schiffes, eine hochentwickelte KI namens Veriset-Nav, überstand den Absturz und setzte seine Aufgabe fort, die Menschen zu beschützen - die Vaere sind nichts als seine Emanationen, und die Ausbildung der Magier geht mittels Technologie von Veriset-Nav vonstatten. Also sollte man bei diesem Zyklus Janny Wurts’ in letzter Konsequenz wohl von Science Fantasy sprechen. Zwar erklärt die Autorin nie, wie der Abgrund zwischen Technik und Magie überbrückt wird, aber das kann man bei einem Fantasy-Roman akzeptieren, zumal der Leser immerhin erfährt, dass dabei die Sathid eine Rolle spielen, intelligente Kristalle, mit denen sich ein begabter Mensch verbinden und die er sich unterwerfen muss. Gelingt das, besitzt er die Meisterschaft über einen bestimmten Bereich der Welt. Geht es schief, wird er ein Monster und muss sterben. Wir erleben diese Kämpfe bei Taen (und später auch bei Jaric) mit. Beide schaffen es - natürlich. Dabei trägt der Junge das weit größere Risiko, denn um zwei Elemente zu beherrschen, muss er sich auch zwei Kristalle untertan machen - nur wenige Individuen sind dazu begabt. Und drei hat noch niemand meistern können.
Man sieht: Genug Ansatzpunkte für eine spannende Handlung sind vorhanden. Dennoch fand ich das Buch über weite Teile der 576 Seiten langweilig. Nimmt man es genau, wiederholt sich alles immer wieder: Tathagres will die Schlüssel - Anskiere ist im Eis gefangen - der Kielmark und sein Vertrauter Corley sind äußerlich rauh, aber innerlich goldrichtig - Emien versucht seine Fehler anderen aufzubürden und will außerdem Macht - Taen ist ein liebes Mädchen - Jaric läuft vor seinem Erbe davon; zu wenig Substanz der Hauptfiguren, und die übrigen Gestalten bleiben blass. Dann gibt es noch die gewöhnlichen Kämpfe, Verwicklungen, Intrigen - doch echte Spannung will auch hier nicht aufkommen, man ahnt immer das Ende, und Wurts variiert das Grundmuster nur geringfügig. Nicht zu reden von den langen Passagen zwischen den Kämpfen, die den Figuren mehr Psyche verleihen sollen, aber die Handlung oft nur unnötig dehnen.
Hinzu kommt Unlogik. Es stellt sich heraus, dass Tathagres die Schlüssel zum Turm im Auftrag der Dämonen bekommen möchte, um die Mharg zu befreien. Der König, ein recht schwacher Mensch, hat ihrer Magie nichts entgegen zu setzen; zudem ist sein Erster Ratgeber, dem er blind vertraut, ebenfalls ein Gestaltwandler-Dämon. Wo betreibt die Hexe dann den Aufwand mit dem Kielmark und der Eroberung seiner Stadt? Das hält sie doch nur auf, und keine Macht könnte sie oder den Berater, der Hand in Hand mit ihr arbeitet, daran hindern, die Schlüssel einfach zu nehmen, da die Dämonen Menschen psychisch beeinflussen können. So erhebt sich der Verdacht, dass 300 der 576 Seiten nur dazu geschrieben sind, um die Handlung in die Länge zu ziehen.
Auch sprachlich gelingt das Buch nicht (was freilich zum Teil der Übersetzung geschuldet sein könnte). Der Ton wechselt zwischen simplem linearen Erzählen und unangebrachter Bombastik. (Taen schluchzte gepeinigt: "Um Keithlands willen, mach ein Ende, aber rasch!” - als Jaric ihren Bruder töten könnte; als der geflohen ist, geht es in diesem Stil weiter "Doch Jaric warf sein Schwert von sich und fing sie in seinen Armen auf. ... Und über alle Maßen erschöpft, gab sich Taen dem Wohlbehagen in seinen Armen hin.) Die Figuren sprechen oft wie in schlechten Fantasyfilmen, einen Strich zu feierlich. Und Wurts liebt es, sie ständig mit Appositionen zu versehen, die dem Leser noch einmal sagen wollen, wer das da eigentlich ist (Jaric, der Erbe des Feuergebieters; Jaric, Ivains Erbe; Jaric, der Erbe Ivains etc. - ich hörte irgendwann auf zu zählen).
Alles in allem: ein Buch, das die Lektüre nicht lohnt. Und wenn es nicht ein Rezensionsexemplar gewesen wäre (und mich noch zwei Nachfolger erwarteten, seufz!), dann hätte ich es wohl nach den ersten 50 Seiten aus der Hand gelegt.

2: Schlüsselhüter

Das Buch ist 100 Seiten dünner, was - nach den Erfahrungen mit Teil 1 - eigentlich nur von Vorteil sein kann. Außerdem hatte ich mich mittlerweile an Wurts’ Stil gewöhnt und ertrug ihn somit leichter. Und die verwirrenden Hintergründe fügen sich langsam zu einem gewissen Muster zusammen, man erfährt mehr über die Geschichte Keithlands und der Corinne Dane. Natürlich erklärt die Autorin immer noch ausdauernd, dass Jaric der Erbe des Feuergebieters oder Ivains Erbe oder so ist, aber Wiederholung stumpft ab.
Und Janny Wurts schafft es diesmal, über mehrere Seiten hinweg Spannung zu erzeugen, die den Leser bei Laune hält; einmal hab ich mich sogar richtig festgelesen!
Also, wie geht es unseren Helden? Jaric hütet die Schlüssel zum Turm von Elrinfaer, will aber sein Erbe noch immer nicht annehmen. Taen muss mit ihren neu erworbenen Fähigkeiten zurechtkommen und gerät dabei in Gefahr (wird aber von den Llondel gerettet, Dämonen einer vernünftigen Sorte, die mit den Menschen kooperieren, weil sie im Falle der Herrschaft ihresgleichen schlecht dran wären - und weil sie die Sathid brauchen, die ihre Mitdämonen ihnen einfach geraubt haben). Der Kielmark ist immer noch ein rauher, jähzorniger, aber feiner Kerl, sein Kapitän Corley, der sich um Taen und Jaric kümmert, ebenso; letzterer wetzt pausenlos seine Messer, vor allem, wenn er nervös ist. Dazu bekommt er genug Grund: Er soll Jaric nach Landfeste schaffen, einer magisch geschützten Stadt der Menschen, wo das Zentralarchiv lagert. Dort hofft der Junge eine Alternative zur Magie zu finden, die ihm hilft, das Erbe seines Vaters zu vermeiden. Außerdem muss Taen zur Insel der Vaere zurück, soll ihre Ausbildung nicht scheitern.
Warum möchte Jaric eigentlich nichts mit dem Feuergebieten zu tun haben? Ivains Wahnsinn ist eine Folge der Prüfung im Zyklus des Feuers, und er brachte Tod und Verderben über die Menschen, zog sich ihren Hass zu, stürzte Frauen (wie Jarics Mutter) ins Unglück, verriet seinen Freund Anskiere, und so weiter - kurz, Jaric fürchtet, dass ihm so etwas auch passiert, dass er vielleicht sogar Taen verletzen könnte, die er liebt. Aber durch sein Zögern bringt er eben diese Taen und seine Mitmenschen in noch größere Gefahr, denn bevor er sich entschließt, doch der neue Feuergebieter zu werden, müssen etliche Leute sterben, und er selbst vermag den Dämonen, die Jagd auf ihn machen, nur mit knapper Mühe zu entrinnen. Dabei hilft ihm auch Taen, die aber öfter Fehler macht, unwillentlich dem Feind Informationen liefert und dergleichen - die geistig-magischen Duelle laufen auch hier nach demselben Schema ab.
Emien, der Tathagres’ Nachfolge antreten wollte, wird nun von den Herren des Schattentempels, den Obersten Dämonenfürsten, zu ihrem Werkzeug geformt; er verfügt über die gleiche Gabe wie Taen, wird so zu ihrem gefährlichsten Feind. Man nennt ihn jetzt "Maelgrim”, den "Dunklen Träumer”. Sein Agieren und das der Dämonen bringt wenigstens etwas Spannung in das Ganze, wenngleich man das Ende wie immer ahnen kann - und wenn den "Guten” einmal eigene Findigkeit und ihr (stets) verzweifelter Mut nicht weiterhelfen, tritt irgendein Deus ex machina auf, der alles hinbiegt. Mit anderen Worten: Es gibt keine Hoffnung mehr, aber dann gibt es doch welche.
Ansonsten fiel mir wiederum einiges Verwunderliche auf. S. 374: Als die Dämonen auf See Jaric stellen, hat es tagelang geregnet. Folglich müssen die Boote klitschnass sein - aber er wirft nur seine Laterne über das Wasser, und sofort brennt das Dämonenschiff. Hm. Oder S. 455: Jarics treues Boot, die Callinde, geht unter - nur um auf S. 456 weiter dahinzusegeln. Und dergleichen mehr.
Hinzu kommen Fragwürdigkeiten der Übersetzung. Ich hatte das Original nicht vor mir, aber der Oberste Priester der Bruderschaft Kors heißt auf S. 184 "Hoher Sterngroßmeister”, auf S. 212 "Hoher Großmeisterstern”, auf S. 297 schließlich "Supremat Sterngroßmeister”. Und die Anrede "gnädige Frau” für eine Priesterin ("gnä’ Frau, haben’s die Ehre”) gehört für meinen Geschmack nicht in eine Fantasy-Umgebung, wo wir es mit "Taen Traumweberin” und "Jaric Ivainssohn” und der "Hüterin der Quelle” zu tun haben. Hier stapelt die Übersetzerin nun wieder zu tief.
Aber auch die Autorin liefert Proben unfreiwilligen Humors. Die schönste, als auf S. 377 Scait, der blutrünstige Dämonenherrscher, das Oberste Ekelpaket sozusagen, aus seiner "Futtergrube” kommt (als Nachtisch hat er gerade den Arm eines Boten verspeist, der ihm eine schlechte Nachricht brachte). Ja, und dieses Monster, so J. Wurts, kriecht "mit ungewaschenen Lippen und Klauen” zurück ins düstere Licht des Tempels. Pfui! Kein Benimm, diese Dämonen.
Schließlich und endlich: Auch die Bastei-Setzer (oder Korrektoren, oder Computer) leisten sich einige Highlights. Nicht nur, dass das Gebot, Adverbialbestimmungen durch Komma vom übrigen Satz abzutrennen, mir auch nach Jahren Bastei- Lesens noch neu ist - auch "der Artefakt” kennt mein Duden-Fremdwörterbuch nicht; es sagt stur und ausschließlich "das”. Aber wie brachte mich erst folgende Stelle zum Grübeln: "Dem äußeren Anschein nach war er noch immer ein Menschenjunge, von den Stunden am Rudermuskel bepackt, gebräunt und zerzaust ...”; den Bizeps und Trizeps kannte ich schon, den Rudermuskel finde ich gut.
Fazit: Teil 2 ist kürzer, bringt etwas mehr Spannung, erscheint nicht so langatmig - aber ist auch mit den alten stilistischen Schwächen und neuen ärgerlichen Fehlern behaftet. Und im Grunde genommen wieder recht langweilig: die Handlung pendelt hauptsächlich zwischen Jarics Selbstzweifeln und den Angriffen der Dämonen auf ihn und seine Freunde. Dabei geht es immer gleich um alles; wenn Jaric gefangen oder getötet wird, ist die Welt der Menschen am Ende. Da weiß man natürlich, dass er entkommt und überlebt oder postwendend befreit wird, selbst wenn er mal gefangen ist. Die Gegner haben nie eine echte Chance. Gut, das mag auch bei anderen Autoren so sein; Ineluki Sturmkönig muss vernichtet werden, der Ring wird natürlich doch in die Schicksalsklüfte geworfen. Wie aber stellen es Willams oder Tolkien an, dass man ihre Bücher so verschlingt? Liegt es vielleicht doch daran, dass sie ihre Helden und deren Gegner dermaßen lebendig darstellen, so dass man glaubt, das Unmögliche könnte möglich werden, die Guten könnten unterliegen und sterben? Oder vielleicht an der Tatsache, dass es diese Niederlagen auch wirklich gibt, dass in einigen Treffen die Feinde klar Punkte machen, den Helden Verluste beibringen? Bei Janny Wurts hatte ich nie den Eindruck, Taen oder Jaric seien ernsthaft in Gefahr, dazu ist alles an ihrem Buch zu eindimensional. Ich fürchte, das wird sich auch im dritten Teil bestätigen.

3: Schattentempel

Nein, wird es nicht! Tja, was soll ich nun als Gesamtbewertung vergeben? Die abschließenden 480 Seiten gefielen mir nämlich recht gut. Zwar bieten sie sprachlich weiterhin nur Höhepunkte unfreiwilliger Komik, aber die Geschichte wird flüssig erzählt, ist fast durchweg spannend zu lesen und weist keine größeren logischen Brüche auf; auch der Showdown, wenngleich er einige Fragen offen lässt, kann so durchgehen.
Jaric widmet sich in diesem dritten Teil des Zyklus also endlich der Aufgabe, Erde und Feuer beherrschen zu lernen. Währenddessen fällt Maelgrim, durch dämonische Symbiose enorm mächtig, über den Norden Keithlands her. Taen kann ihn kaum abwehren, und dann braucht Jaric dringend ihre Hilfe, so dass nur Soldaten des Kielmark zurückbleiben, um die bedrohten Gebiete zu sichern - der Dunkle Träumer hat da leichtes Spiel. Endlich siegen die Bösen auch einmal, und dabei erklärt die Autorin sogar, warum sie den Sack nun nicht einfach zumachen. Zudem wird die Geschichte noch dadurch gesteigert, dass eine neue dämonische Bedrohung heranwächst, der Morrigierj, den selbst der Herrscher des Schattentempels fürchtet (wer "LEXX” noch in Erinnerung hat: so eine Art Gigaschatten). Endlich erfährt man auch, warum die Menschen den Kampf im All verloren haben - und wie die Dämonen besiegt werden können.
Und sollte Anskiere unter den Lesern des Zyklus irgendwelche Fans besitzen, so können die sich freuen, denn endlich tritt der Sturmwächter wieder persönlich auf. Jaric befreit ihn nicht nur, er verbannt auch die Frostwargs für immer und ewig in ihr Gefängnis. Danach treten die beiden zusammen an. Nun wird nicht mehr gekleckert, sondern geklotzt. Aber Maelgrim in seiner Dämonensymbiose ist ein absolut ebenbürtiger, wenn nicht sogar überlegener Gegner.
Ehrlich, das Buch liest sich gut weg, auch wenn der feierliche Ton erhalten bleibt und wir immer noch immer wieder erfahren dürfen, dass Jaric der Erbe eines Feuergebieters und nun selbst ein Feuergebieter, dass Taen eine Traumweberin und Corley der vertrauenswürdigste Kapitän des Kielmark ist. Trotzdem: kaum Längen, keine auffällige Unlogik, ein gutes Finale - warum nicht gleich so? Liegt es daran, dass Janny Wurts zwischen 1984 (Teil 1) und 1988 (Teile 2/3) ihre Fähigkeiten genauso vervollkommnet hat wie Taen und Jaric die ihren?
Trotzdem sei auf ein Problem des Konzepts hingewiesen. Auf S. 26 heißt es nämlich, die Kreaturen der Gegenseite seien "psionisch begabte Außerirdische, die die Menschen nun Dämonen nannten”. Klar, ohne diese Vorgabe hätte Janny Wurts ein anderes Buch geschrieben, aber: ihre Dämonen sind so eigentlich nicht dämonisch, sondern anders. Und das macht schon einen Unterschied. Dämonen sind definitiv böse, das liegt im Wortsinn begründet, ist unveränderliches Merkmal des Begriffs (ganz gleich, ob man sie als real existierende Wesenheiten betrachtet oder als Symbole der dunklen Bereiche menschlicher Psyche). Aliens hingegen sind fremd. Ihre Handlungsmotive ähneln im Grunde den unseren: sie wollen vor allem überleben. Ich erinnere mich an Wl. Gakows Aufsatz "Die Sternstunde des Science-fiction-Films”, nachzulesen in "Lichtjahr 4”; dort schreibt der Autor zu Ridley Scotts "Alien”: "Denn der Bösewicht des Films ist im Grunde gar nicht böse, sondern einfach fremd, ein gerade ,geborener’ Außerirdischer, der in der fremdartigen, für ihn schrecklichen Umgebung des irdischen Raumschiffs zur Welt kommt. Und weder angeborene <...> Grausamkeit noch Blutgier leiten seine Handlungen, sondern einfach Angst und Hunger ...” Der Satz passt in jedem Fall auch für Wurts’ Llondelei-"Dämonen”, das ist beabsichtigt; aber wie, wenn man ihn ebenfalls auf die übrigen Rassen bezöge? Die Möglichkeit besteht. Also muss die Autorin uns davon überzeugen, dass ihre Aliens wirklich dämonisch böse sind: sie haben die Menschen überfallen und versklavt; die Autorin scheut keine Mühe, die Llondel ständig Visionen einer schrecklichen Zukunft erzeugen zu lassen; und sie zeichnet die "Dämonen” auch wirklich plakativ finster. Trotzdem: Statt eines "Gut gegen Böse” haben wir es plötzlich mit einem "Wir Guten gegen die bösen Anderen” zu tun. Die Bedeutung der Nuance sollte jedem klar sein, zumal die Menschen die in Keithland ansässigen Aliens seinerzeit gewaltsam entführt und damit zumindest den Llondel Unrecht getan haben. Sicherlich, Verzweiflung erfordert verzweifelte Maßnahmen, aber das Konzept des Zyklus offenbart doch einen kräftigen Schuss Xenophobie - und steht damit in der Tradition solcher Autoren wie Lovecraft. Aber wo HPL konsequent ein Konzept des übermächtigen, kosmischen Fremden entwirft, bleibt Wurts beim gegenseitigen Bekämpfen verfeindeter Rassen stehen, was viel banaler ist. Andererseits gelingt es ihr nicht, die Gegenseite anders als schwarzweiß zu malen - man vergleiche mit Tad Williams, dessen Ineluki Sturmkönig im Grunde genommen ein leidendes Wesen ist; die Schuld liegt in diesem Zyklus recht eindeutig auf Seiten der Menschen, was den Leser nicht abhält, mit ihnen zu fiebern, aber das Ganze realistischer macht und (siehe oben) immer die Möglichkeit offen lässt, die Gegner könnten siegen, damit das alte Unrecht beendet wird. Auch die verbündeten Sithi, welche gegen ihre eigenen Brüder, die Nornen, zusammen mit den Menschen kämpfen, machen die Handlung glaubhafter und komplexer - das Potential wäre auch bei Wurts gegeben, aber ihre Llondel allein spielen eine zu untergeordnete Rolle.
Neben diesem konzeptionellen Problem fallen die üblichen stilistischen Schwächen ins Auge. Wenn auf S. 50 "Ruder mit tödlicher Präzision ins Wasser stechen”, so ist das Bild eindeutig überzogen, denn Ruder töten kein Wasser. Oder S. 131: "Krächzend spie der Herrscher des Schattentempels das dämonische Äquivalent eines Lachens aus” - das ist ebenfalls starker Tobak. Können Dämonen denn gar nicht lachen, bringen sie’s nur auf ein Äquivalent dazu, dass sie auch noch "ausspeien”? Auch "Demut fegte Taens Zorn fort” (S. 312) erscheint völlig daneben.

Trotz dieser und anderer Fehlleistungen plus der üblichen Bombastik: Der dritte Teil rundet den Zyklus ab, die Geschichte wird (mit Option auf eine Fortsetzung) zu Ende geführt, und man möchte diesmal wirklich wissen, wie es weiter- und ausgeht. Janny Wurts steigert sich also von Band zu Band, nur: Man muss halt durch 1 und 2 hindurch ... Eine gründliche Überarbeitung und Straffung hätte dem gesamten Werk gutgetan. Der Dank der Autorin an "Elaine Chubb, Lektorin, deren unerschöpfliche Hingabe an Details selbst schon ein Wunder ist” verwundert da schon mehr als nur ein bisschen.

11. Nov. 2006 - Peter Schünemann

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Peter Schünemann

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