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Die Rückkehr des Nebelgeistes
| DIE RÜCKKEHR DES NEBELGEISTES
Buch / Fantasy
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Die Schattenkriege 1
Janny Wurts Vorliebe für ausgebreitete Zyklen war mir bereits seit der Feuerkreis-Trilogie bekannt, doch nichts ist nicht zu toppen: Diesem Buch gehen bereits 6 Bände des Nebelgeist-Zyklus voraus, und um die Handlung vollkommen zu verstehen, müsste man diese alle gelesen haben. Eine Arbeit, die einem wenigstens zum Teil durch Erklärungen im Text oder durch das 30-seitige Glossar am Ende des Bandes abgenommen wird. Mir sei deshalb auch die folgende lange Inhaltsangabe verziehen: Sie dient lediglich dazu, die Hintergründe des komplizierten Geschehens wiederzugeben, dass Janny Wurts vor uns entfaltet.
Der Roman spielt auf Athera, einer Welt mit 5 Königreichen der Menschen und 4 Toren in andere Welten. Ihre Geschichte lässt sich in - versuchter! - Kürze wie folgt wiedergeben: Nachdem Ath, die ursprüngliche Macht des Lebens, Athera geschaffen hatte, wurde es von den großen Drachen verwüstet. Der Schöpfer sandte daher die Paravianer auf diese Welt, um die Verwüstungen zu heilen. Mit der Ankunft dieser drei Alten Rassen - Einhörner, Kentauren und Sonnenkinder - begann das Erste Zeitalter. Das Zweite setzte ein, als die Zauberer der Bruderschaft der Sieben Athera erreichten und den Kampf gegen die Drachenbrut aufnahmen. Sie schlossen einen Pakt mit den Paravianern und verpflichteten sich, das Ursprüngliche Gleichgewicht der Schöpfung zu wahren. Das Dritte Zeitalter wiederum fing an mit der Ankunft der Menschen, die nach Athera flohen, weil sie ihre eigene Welt verwüstet hatten (realistisch!). Die Paravianer erlaubten ihnen, hier zu siedeln, doch unter strengsten Auflagen, dafür gedacht, das Gleichgewicht nicht zu verletzen (wir neigen nun mal dazu). Die Sieben verpflichteten sich, diesen Pakt zu hüten. Allerdings werden die Zauberinnen des Koriathain-Ordens damit wohl nicht immer einverstanden sein, denn sie sind dem Gedeihen und der Kultur der Menschen verpflichtet (von dieser Kultur musste wohl viel aufgegeben werden, um die Schöpfung zu bewahren). Somit ist Konfliktpotential genug gegeben.
Dann erreichte im Jahr 4993 des Dritten Zeitalters der Nebelgeist Desh-Thiere durch das Südtor Athera. Vorerst durch einen Bruderschaftszauberer gebannt und gefangen, befreite ihn ein Aufstand der Städter gegen die Könige und den Pakt. Die Welt versank in Finsternis, die Paravianer flohen (es ist nicht klar, wo sie sind, wann sie zurückkehren, ob überhaupt). Erneut bezwungen und gebannt wurde der Nebelgeist schließlich durch Lysaer, den Herren des Lichts, und Arithon, den Meister der Schatten, beide Prinzen, Halbbrüder, Erben der Reiche Tysan und Rathain. Doch Desh-Thiere belegte sie mit einem Fluch, der sie antreibt, einander zu hassen und zu töten. Mit Lysaer verbünden sich die Koriathain, die einen mächtigen Zauber wirken, um ihm seinen Gegner in die Hände zu spielen; die Bruderschaft wacht über Arithon, denn sollte Desh-Thiere frei werden, braucht man abermals beide Prinzen (die "Rückkehr, welche der Titel prophezeit, ist allerdings allein den Hirnen der Bastei-Verkaufsstrategen entsprungen, jedenfalls kommt es hier noch nicht einmal annähernd dazu).
Unter dem Fluch schlägt Lysaers königliche Gabe - Gerechtigkeit - in Selbstgerechtigkeit und Verlogenheit um. Er bekämpft Arithon verbittert, lässt zu diesem Zweck die Clanleute jagen, die Gegner der Städter, deren Blutlinien die Verbindung mit dem Pakt und den Alten Rassen garantieren. Der "Gute ist hier augenscheinlich der Böse. Der Schattenherr mag auch kein reines, edles Wesen sein, jedenfalls aber gehört ihm die Sympathie der Autorin, und er ist nicht heimtückisch, auch befindet er sich in der Position des Wehrloseren, des Gejagten. Während die Zauberinnen seinen Gegner aktiv unterstützen, bleiben die Bruderschafts-Magier passiv (so wie es dem Pakt entspricht). In dieses Verwirrspiel geraten die vielen Neben- bis Nebenhauptfiguren des Buches hinein, und Ath allein weiß, wohin das führt; zumal im Jahre 5647 des Dritten Zeitalters, dem Jahr, in dem der Roman beginnt, auch noch ein Kind geboren wird, das das Schicksal der Welt beeinflussen soll; und gerettet hat es Elaira, Arithons (ehemalige) Geliebte, eine abtrünnige Koriathain-Zauberin ...
Aus dieser langen Inhaltsangabe sind grundlegende Probleme ersichtlich. Zum einen wird der interessierte Leser die ersten 6 Bände lesen müssen (hier liegen nicht zwei getrennte Zyklen vor, das ist purer Etikettenschwindel). Zum anderen fällt der komplizierten, vielschichtigen Story der Aufbau gut gestalteter Figuren zum Opfer, da der Platz dafür einfach nicht ausreicht; die Figuren haben zwar Eigenschaften, doch ihr Schicksal geht einem nicht wirklich nahe, zu vieles bleibt Klischee und/oder Andeutung. Janny Wurts schildert magische Rituale mit mehr Sorgfalt und Detailreichtum als innere Vorgänge. Spannung ist vorhanden, ich würde durchaus erfahren wollen, wie es weitergeht; doch diese Spannung beruht auf Äußerlichkeiten, und ganze Seiten könnte man diagonal überlesen, weil sie nicht wirklich wichtig sind, um die Handlungslinien zu verfolgen. Daher teile ich keineswegs Marion Zimmer Bradleys auf S. 1 geäußerte Überzeugung, dieser Zyklus werde sich als Hit der 90er erweisen, wie Tolkien sich als Hit der 60er erwiesen habe. Tolkien hat, bei aller auch dem "Herrn der Ringe eigenen Vielschichtigkeit, die Kunst beherrscht, seine Haupt- und auch einen Gutteil der Nebenfiguren einprägsam zu gestalten; mit ihnen fiebert man mit. Janny Wurts Personen fehlt diese Eindringlichkeit. Und auch die gut gemeinte Botschaft, das Gleichgewicht der Welt nicht zu gefährden, verhallt hinter einer Wand von Details, Ritualen und Intrigen.
Fugitive Prince, Part 1, © 1998 by Janny Wurts, a. d. amerik. Engl. übertr. v. Frauke Meier, 528 S., ? 8,90, ISBN 3-404- 20436-0
11. Nov. 2006 - Peter Schünemann
Der Rezensent
Peter Schünemann
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