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Das Auge von Tibet

DAS AUGE VON TIBET

Hoerbuch / Krimi

Eliot Pattison
Das Auge von Tibet
Water Touching Stone, USA, 2001
steinbach sprechende bücher, Schwäbisch Hall, 5/2008
gekürzte Lesung, vorgetragen von Wolfgang Rüter nach der deutschen Buchausgabe von Rütten & Loening/Aufbau Verlag, 2002
8 CDs, Hörbuch, Krimi, 978-3-88698-653-8, Laufzeit: ca. 627 Min., gesehen für EUR 29.99
Aus dem Amerikanischen von Thomas Haufschild
Titelillustration von steinbach sprechende bücher unter Verwendung der Fotos von caro Fotoagentur
www.sprechendebuecher.de
www.eliotpattison.com/

Zu den interessantesten Kriminalromanen, die einmal nicht in städtischen Gesellschaften oder an Orten spielen, an denen viele Menschen zusammen kommen, gehören mit Sicherheit die „Shan”-Romane von Eliot Patison. Mit dieser Figur hat der ehemalige politische Journalist eine sehr kontroverse Figur geschaffen.
Denn dieser ist eigentlich ein geborener Han-Chinese. Er war bis vor nicht all zu langer Zeit ein Top-Ermittler der chinesischen Regierung. Doch dann fand er zu viel über die falschen Leute heraus und wurde in ein Arbeitslager nach Tibet geschickt. Und dort wurde er nicht nur zum Freund buddistischer Mönche, sondern auch zu einem Verfechter der zumindest kulturellen und religiösen Freiheit Tibets.

Nachdem er zur Zufriedenheit seines Lagerleiters einen brenzligen Fall gelöst hat, wurde er in die Freiheit entlassen. Da dies allerdings nicht offiziell geschah und er auch keine Papiere besitzt, muss Shan weiterhin aufpassen. Wenn er an die falschen Leute gerät, kann es durchaus passieren, dass er für einen entflohenen Sträfling gehalten wird. So bleibt ihm nichts anderes übrig, als mit seinen Freunden Lokesh und dem Lama Gendun in einem verborgenen Kloster zu leben.
Aber statt meditativer Zurückgezogenheit erwartet ihn schon bald wieder ein neues Abenteuer. Der alte Lama bittet ihn, mit in den Norden zu kommen und bei der Aufklärung seltsamer Vorkommnisse in der Provinz Xinjiang zu helfen. Denn dort in der Wüste Takla-makan ist nicht nur eine Lehrerin namens Lau ermordet worden, sondern auch ein anderer Lama verschwunden.
Obwohl er große Bedenken wegen der Gefahren hat, kommt Shan gerne mit. Schon bald muss er feststellen, dass die Verbrechen größeren Ausmaßes sind, als er vermutet hat. Denn inzwischen sind auch zwei der Waisenkinder ermordet worden, um die sich Lau gekümmert hat - eines davon stirbt sogar in seinen Armen.
Ihm wird langsam klar: Lau und der Lama müssen Dinge gewusst haben, die nicht nur die korrupten Funktionäre der Volksbrigaden in der Region nervös gemacht haben, sondern auch die Geheimpolizei auf den Plan brachte. Und dass die mit subversiven Kräften nicht lange fackeln, weiß er aus eigener schmerzvoller Erfahrung ganz genau. Zusammen mit Turkmenen, Uiguren, Kasachen und Eluosi macht er sich daran herauszufinden, was wirklich geschah. Und welches Spiel treiben die Amerikaner, die sich ebenfalls in diese entlegene Region verirrt haben?
Und wie in Tibet begegnet er auch hier Umerziehungslagern und anderen diktatorischen Maßnahmen seiner Landsleute, um nach und nach die kulturelle Identität der Minorität zu zerstören und sie zu willigen Gefolgsleuten zu erziehen. Wieder einmal versteht er sehr gut, warum man den Han-Chinesen nur so wenig Sympathie entgegen bringt und versucht, umso umsichtiger zu sein.

Wie auch schon in seinem ersten „Shan”-Roman ist das Verbrechen und seine Aufklärung nicht das absolute Hauptthema, sondern nur der rote Faden, der das Buch zusammen hält und die Spannung bewahrt. Denn „Das Auge von Tibet” ist mehr als ein einfacher Kriminalroman – und auch eine Anklage gegen ein Regime, das bewusst Identität, Kultur und Religion anderer Völker in seinem Staatsgebiet zu zerstören versucht und mancherorts sogar schleichenden Genozid betreibt. Man merkt, wie gut und aufmerksam der Autor recherchiert hat, aber auch, dass er als politischer Journalist gelernt hat, hinter die Kulissen zu schauen und seine Aussagen so zu formulieren, dass man ihm keinen Strick daraus drehen kann.
Er ergreift dennoch sehr deutlich Partei für die unterdrückten ethnischen Minderheiten in China und beschreibt einfühlsam die Repressalien, die sie durch zwangsweise Umerziehung und stellenweise auch planlose Umsiedlung erdulden müssen. Aber er polarisiert nicht nur sondern zeigt auch ein differenziertes Bild, denn es gibt den ein oder anderen, der sich durchaus anpassen und unterordnen kann, um daraus seinen Vorteil zu schöpfen.
Trotzdem ist man bald mehr von dem lebendigen Bild von Landschaft und Leuten fasziniert als von dem Kriminalfall selbst. Wie auch schon im ersten Band zieht die Aufklärung der Morde letztendlich auch noch einen ganzen Rattenschwanz von Enthüllungen nach sich. Das ganze Intrigengeflecht zwischen den Regierungsbeamten, Funktionären und Kollaborateuren wird deutlich und am Ende zu einer interessanten Lösung geführt. So kompliziert ist die Handlung aber nicht, dass man nicht einiges schon selbst herausfinden kann.
Obwohl die Action nicht zu kurz kommt, legt Eliot Patison doch vor allem großen Wert auf die Darstellung der verschiedenen Charaktere. Nicht nur Shan und die anderen Hauptfiguren des Buches sind lebendig und glaubwürdig dargestellt, das trifft auch auf die Nebenpersonen und die kurz auftauchenden Statisten zu.
Das Hörbuch kann genau diese Stimmung einfangen. Dafür sorgt vor allem die souveräne Lesung von Wolfgang Rüter, dessen Stimme eindringlich aber nicht zu aufdringlich ist, dem man gerne und gebannt zuhört, auch wenn er seine Stimme nur wenig nuanciert. Aber er trifft immer den richtigen Ton und erzeugt so die passende Atmosphäre.

Das macht „Das Auge von Tibet” zu einem spannenden und lebendigen Kriminalroman vor einer Kulisse, die gerade heute nichts von ihrer Aktualität verloren hat. Mord und Entführung sind oft nur die Spitzen eines Eisbergs von viel größeren und weit reichenden Verbrechen, vor allem gegen die Menschenrechte. Und das Buch ist noch mehr - der bewegende zweite Versuch von Eliot Pattison, das Interesse der Menschen für die unterdrückten Volksgruppen in Tibet nicht mit dem erhobenen Zeigefinger sonder auf unterhaltsame Weise zu öffnen.

04. Jul. 2008 - Christel Scheja

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Christel Scheja

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