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Livia – Macht und Intrigen am Hof des Augustus
| LIVIA – MACHT UND INTRIGEN AM HOF DES AUGUSTUS
Buch / Sachbuch
Christiane Kunst
Livia Macht und Intrigen am Hof des Augustus
Klett-Cotta, Stuttgart, 1. Auflage: 3/2008
HC mit Schutzumschlag und Lesebändchen, Sachbuch, (römische) Geschichte, 978-3-608-94228-6, 352/2450
Titelgestaltung von Philippa Waltz, Stuttgart unter Verwendung von Fotos von akg-images/Nimatallah (Porträt Livias) und akg-images/Werner Forman (Detail: Fresco aus dem Haus der Livia)
Fotos im Innenteil aus diversen Quellen
Karte von Peter Scholz
Autorenfoto von N. N.
www.klett-cotta.de
www.christiane-kunst.de/
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Was man in der Schule über römische Geschichte lernt oder aus Dokumentationen in den Medien erfährt, geht für gewöhnlich einher mit der Biografie von herausragenden Politikern und Philosophen, die die jeweilige Epoche nachhaltig prägten. Interessanten Frauen wird hier nur selten ein kleiner Platz eingeräumt, da ihre Verdienste stets den Männern zugesprochen wurden, wie dies noch bis in die Neuzeit gang und gäbe war.
Priv.Doz. Dr. Christiane Kunst stellt in ihrem Sachbuch Livia Macht und Intrigen am Hof des Augustus eine Frau in das Zentrum ihrer Ausführungen, die stets im Schatten der jeweiligen Machthaber stehen musste, gebunden durch die damalige strikte Rollenverteilung, und doch einflussreicher als die meisten ihrer Zeitgenossinnen, dank ihrer Intelligenz, ihres Vermögens und der richtigen Beziehungen.
Einiges, doch immer noch wenig genug ist über Livia, die von 58 v. Chr. 29 n. Chr. lebte, bekannt. Was man über sie weiß, stammt selten aus Schriftfragmenten, die sie mit eigener Hand verfasste, sondern fast ausschließlich von Personen aus ihrem Umfeld und Geschichtsschreibern, die sich über sie äußerten aus Texten, die stets mit Vorsicht zu genießen sind. Auch die Auslegung anderer Funde wie Statuen, Münzen etc. erlauben bloß vage Interpretationen. Dass sich die Historiker dabei oft selbst widersprechen, berücksichtigt die Autorin in ihren eigenen Schlüssen.
Livia war zunächst mit Tiberius Claudius Nero verheiratet, mit dem sie zwei Kinder hatte, darunter der spätere Kaiser Tiberius. Aus politischen Erwägungen wurde ihre Ehe aufgelöst, so dass sie 39 v. Chr. eine Bindung mit dem Triumvirn Oktavian eingehen konnte. Pikanterweise zählte dieser zu den politischen Gegnern von Livias Familie und galt noch nicht als aussichtsreicher Kandidat für das Amt des Princeps, was viele Fragen in den Raum stellt hinsichtlich der Gründe für diese Entscheidung.
Nachdem Oktavian seine Feinde ausschalten konnte und sich zum Augustus hatte ernennen lassen, wurde Livia in den östlichen Provinzen göttlicher Status verliehen, was belegt, dass sie ihrem Gemahl stets als kluge Ratgeberin zur Seite stand und als solche Akzeptanz fand, selbst wenn ihr kein offizieller Titel genehmigt wurde. Für eine Kaiserin war kein Platz vorgesehen in dieser von Männern dominierten Ära.
Da Livia und Oktavian keine gemeinsamen Kinder hatten, adoptierte Oktavian Tiberius, der 14 n. Chr. der neue Augustus wurde und sich schon bald dem Einfluss seiner Mutter zu entziehen begann, um allein herrschen zu können. Auch dies ist ein Nachweis dafür, dass Livia über ungewöhnliche Macht verfügte. Nach dem Tod des Tiberius erfüllte Livias Urenkel Caligula ihr Testament, und dessen Nachfolger Claudius, Livias Enkel, erhob sie offiziell zur göttlichen Kaiserin: Diva Augusta.
Livia erlebte das Ende der Republik durch Caesar und die Wiedereinführung der erblichen Monarchie unter Oktavian mit. Ihre Rolle war festgelegt auf die der gehorsamen Ehefrau, aufopfernden Mutter und würdigen Matrone mit tadellosem Lebenswandel. Dieses Ideal konnte sie stets erfüllen, so dass sie politischen Gegenspielern kaum Angriffsflächen bot. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten nahm sie jedoch Einfluss auf die jeweiligen Machthaber, beispielsweise indem sie Oktavian auf vielen Reisen begleitete und durch die familiären Bande auf seine Nachfolger einwirkte. Ein großes Vermögen, das sie klug verwaltete, und ein Netzwerk an Informanten und Bündnispartnern standen ihr überdies zur Verfügung.
Es wird Livia aber auch unterstellt, dass sie auf eigenes Betreiben hin mit dem späteren Augustus vermählt wurde, da beide einander in Leidenschaft verfallen wären, dass sie eine Giftmörderin sei, die Rivalinnen um Oktavians Gunst skrupellos ausschaltete, und dass sie den späteren Kult um ihre Person geschickt inszeniert hätte, um ihre Macht auch nach dem Tod des Augustus abzusichern.
Was nun Wahrheit ist bzw. nicht, wird sich vermutlich nie zufrieden stellend klären lassen, weil die Quellen ungenau sind und jeder Historiker seine eigene Interpretation schreibt. Die Autorin trennt darum auch in gesicherte Fakten, die unterschiedlichen Ansichten mehrerer Forscher und ihr eigenes Resümee. Ihre Theorien untermauert sie mit Zitaten aus historischen und neuzeitlichen Quellen und nachvollziehbaren Beispielen.
Ergänzt wird das Buch nicht nur durch 16 Seiten mit Bildtafeln sondern auch durch eine Chronologie, die die Entwicklungen im Römischen Reich von 264 v. Chr. 42. n. Chr. kurz umreißt, ein Stichwortregister, umfassende Anmerkungen zu den Fußnoten und Literaturhinweise.
Livia ist kein unterhaltsames Sachbuch, das sich an populärwissenschaftlich interessierte Leser wendet, die vor allem phantasievolle Theorien oder gar deftige Behauptungen serviert haben wollen, sondern ein seriöses Werk, das an (Hobby-) Historiker adressiert ist und sicher auch als nützliche Ergänzung zum Studium oder dem Schulunterricht hinzugezogen werden kann, denn es informiert sowohl über Livia als Person wie auch über das traditionelle Bild der Frau u. v. m. Das Buch ist sachlich und fundiert aufgebaut und dürfte auch Leserinnen reizen, die mehr über starke Frauen-Charaktere der Geschichte erfahren wollen.
16. Aug. 2008 - Irene Salzmann
Der Rezensent
Irene Salzmann

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Irene Salzmann, Jahrgang 63, verheiratet, drei Kinder, studierte mehrere Semester Südostasienwissenschaften und Völkerkunde an der LMU München.
Schon seit Jahren schreibt sie phantastische und zeitgenössische Erzählungen, die zunächst in den Publikationen der nicht-kommerziellen Presse erschienen sind. In den vergangenen Jahren w...
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