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Lux perpetua & Das Schwert der Vorsehung

LUX PERPETUA & DAS SCHWERT DER VORSEHUNG

Buch / Belletristik

Andrzej Sapkowski
Lux perpetua (Lux perpetua, 2006)
Aus dem Polnischen von Barbara Samborska
München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2007 714 S. € 16,– (dtv Premium 24636)
Das Schwert der Vorsehung (Miecz przeznaczenia, 1992)
München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2008 460 S. € 8,95 (dtv 21069)

Lux perpetua ist nach Narrenturm und Gottesstreiter der dritte Band der historischen Trilogie aus der Zeit der Hussitenkriege. Held Reinmar von Bielau, genannt Reynevan, ergeht es in diesem Band nicht anders als in den vorhergehenden: er tappt von einer Falle in die nächste, wird oftmals verprügelt, sein Leben ist in ständiger Gefahr, aber irgendwie zieht er seinen Kopf immer aus der Schlinge oder es erscheinen als deus ex machina irgendwelche Retter, die es freilich sehr oft nicht viel besser mit ihm meinen. 1429 ist ein sehr unruhiges Jahr, der Glaubenskrieg wird mit großer Grausamkeit geführt, allerorts werden die Galgen geschmückt, Köpfe abgehauen und Scheiterhaufen entzündet, Folter ist die Norm. Jeder kämpft beinahe gegen jeden, die Allianzen wechseln dauernd, Verrat ist an der Tagesordnung. Die einzigen ehrlichen Leute scheinen die Fugger zu sein, die ihrem Glauben an das Geld treu bleiben und unparteiisch allen Parteien zu Diensten sind. Die Geistlichen, allen voran die Bischöfe, aber sind zynische Gesellen, die an nichts glauben, jedoch so tun, als müssten sie für den Glauben gegen die Häretiker kämpfen, dabei aber so ziemlich jede Todsünde begehen. Sie sind Hurenböcke, Intriganten, bestechlich und bestechen ihrerseits. Und der Schlimmste von allen ist der Bischof von Breslau, Konrad aus dem Geschlecht der Herzöge von Oels, und Reinmars Todfeind. Er belegt ihn mit dem Anathema, dem Bann: „Reynevan von Bielau, der verfluchte Häretiker und Verbrecher, Magier und Nekromant, eine persona turpis, wie sie im Buche steht“ (S. 339). Dennoch wagt sich Reinmar auf der Suche nach seiner verlorenen Geliebten, die vermutlich von der Inquisition als Geisel genommen wurde, in die Höhle des Löwen und entkommt sogar mit heiler Haut aus Breslau. Der Bischof hat einen Sohn, Birkhart von Grellenort, gezeugt mit einer jüdischen Hure, der ein arger Zauberer ist, der häufig in Gestalt eines Vogels, eines Mauerreglers, auftritt und Anführer einer Gruppe von Meuchelmördern ist, die er durch magische Mittel rekrutiert. Den ereilt erst ganz am Schluss sein Schicksal, als er von der Tochter von Reynavans Bruder erschossen wird, als Vogel auffliegt, in den Fluss stürzt und als Wasserleiche an einem seiner Feinde vorbeitreibt, der die ganze Zeit darauf gewartet hat.
Den Figuren im Roman geht es nur selten um den Glauben, meist um Politik, deswegen schändet der Erzbischof von Krakau sogar die Madonna von Tschenstochau, um es Hussiten in die Schuhe schieben zu können und die Polen gegen die Hussiten aufzubringen. Für Reinmar hat die Politik zwei einander abwechselnde Ziele, Konflikt und Verständigung: „Eine Verständigung erreicht man, wenn eine Seite vorgibt, an den Unsinn zu glauben, den die andere Seite erzählt“ (S. 379).
Reynevans Suche nach Jutta de Aspolda hat kein Happy End, denn Birkhart von Grellenort bekommt sie, nach einer langen Odyssee durch verschiedene Klöster und eine gefährliche Flucht durch das vom Krieg zerrissene Land, früher in die Hände und vergiftet sie mit einer heimtückischen Krankheit. Reynavan kann sie nur noch erlösen. Er erlebt noch weitere Abenteuer, verbringt auch drei Jahre im Kerker und ist schließlich bei der Schlacht von Lipany dabei, in der der Hussitengeneral Prokop der Kahle fällt und die den Untergang des Tábor und der Waisen bedeutet. Hunderte Überlebende der Schlacht werden in Scheunen gesperrt und lebendig verbrannt. Zuvor hatten hussitische Heere viele deutsche Städte und Dörfer gebrandschatzt und ihre Bewohner massakriert. Keine der Seiten hat sich bezüglich Grausamkeit viel vorzuwerfen. Am Ende findet Reynevan aber doch noch seinen Seelenfrieden, nachdem es ihm nicht gelungen ist, im Kampf zu fallen.
Die Handlung ist abwechslungsreich, eine Fülle von Personen und weltanschaulichen Gruppierungen treten auf, Deutsche und Polen, Tschechen und Litauer, Katholiken, Hussiten und Glaubenswechsler, die der Autor wortgewaltig (einschließlich vieler lateinischer Wendungen und Gedichte) in barocker Fülle und in ironischer Spiegelung beschreibt. Auch etliche phantastische Geschöpfe und Menschen, deren Natur unklar ist. Kurz tritt ein Golem in Aktion, ein Dybbuk möglicherweise auch, und der Autor liefert auch kurze Erwähnungen mittelalterlicher Judenpogrome. Sapkowski entwirft ein leuchtendes Panorama einer blutig bewegten Zeit, und er verketzert nicht die Hussiten, die auf ihren Kriegszügen auch nicht grausamer waren als die Katholiken, denen es genauso um Macht und ums Plündern ging. Der Autor hat ein großartiges Talent für Dialoge, die äußerst einfallsreich und witzig sind; Lux perpetua ist ein großartiger Schelmenroman, und mit Andrzej Sapkowski hat ein hervorragender Erzähler die Bühne der europäischen Literatur betreten. Es ist anzunehmen und zu wünschen, dass er im deutschen Sprachraum bald ebenso erfolgreich sein wird, wie er es bereits im polnischen, tschechischen, russischen und spanischen ist.
Die ersten beiden Bände der siebenbändigen Reihe vom Hexer Geralt erschienen schon seinerzeit bei Heyne, waren aber kein Erfolg. Den Nachdrucken bei dtv scheint es viel besser zu ergehen, denn der erste Band Der letzte Wunsch liegt inzwischen schon in mindestens der 3. Auflage vor. Möglicherweise ist das auch auf den Erfolg des Rollenspiels The Witcher zurückzuführen, das zum besten des Jahres 2007 gewählt wurde. Inzwischen hat der Witcher auch seinen Weg ins Englische gefunden. Der Einfallsreichtum des Autors, nicht zuletzt sein Sprachwitz, der im Deutschen schwer wiederzugeben ist, und sein kulturhistorisches Wissen, das in jeder Geschichte bemerkbar ist, heben diese Geschichten weit über die Fantasy-Konfektion hinaus. Nicht zuletzt ist der Hexer eine komplexe Gestalt, der sich zwar kümmerlich damit durchbringt, für geringen Lohn allerlei Fantasy-Ungeheuer zu beseitigen, aber weit entfernt von den hirnlosen Schlächtern vieler Fantasy-Epen ist. Es ist sehr erfreulich, dass die polnische phantastische Literatur auch abseits von Lem jetzt in Deutschland sehr erfolgreich ist. Die anderen Bände der Reihe werden zur Zeit übersetzt und werden hoffentlich bald folgen.

07. Sep. 2008 - Dr. Franz Rottensteiner

Der Rezensent

Dr. Franz Rottensteiner
Österreich

Total: 59 Rezensionen
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Franz Rottensteiner
wurde am 18.01.1942 in Waidmannsfeld/Niederösterreich geboren.

Studium der Publizistik, Anglistik und Geschichte an der Universität Wien,

1968 Dr. phil.

Rund 15 Jahre Bibliothekar an einem Forschungsinstitut, daneben Tätigkeit für verschiedene Verlage, unter ander...

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