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Ritter-Kochbuch
| RITTER-KOCHBUCH
Buch / Kochbuch
Heiko Schwarz
Felix AG, Wintrich & J. Neumann-Neudamm, Melsungen, 11/2008
HC, Sachbuch, Kochbuch, Esskultur, Geschichte, 978-3-86738-029-4, 128/1495
Titel- und Innenfotos von Jens Christoph, Paavo Blafield, Heiko Schwarz, Foodstyling von Timo Kalning
www.neumann-neudamm.de
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Seit gut zwanzig Jahren lebt die Vergangenheit, wenn auch in etwas verklärter Form auf. Mittelaltermärkte gehören oft zu den Veranstaltungen der Städte dazu, und es ist teilweise schon zu einem großen Spaß geworden, Festmähler und Partys in einem bestimmten Ambiente zu feiern, weil viele Menschen durch die Mittelaltermärkte und archäologischen Parks auf den Geschmack gekommen sind.
Gerade durch die entsprechende Gewandung, Musik und natürlich das Essen sollen die Teilnehmer in diese fremde Welt eintauchen. Dementsprechend gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Rezeptsammlungen. Neu herausgekommen ist das Ritter Kochbuch von Heiko Schwarz.
Nach einer allgemeinen Einführung über das Essen im Mittelalter geht er bereits in die vollen. In Vom Saufen und nicht durstig sein beschreibt er die Trinkgewohnheiten der Menschen in den früheren Jahrhunderten und erklärt, wie leicht es eigentlich ist, selbst Bier im mittelalterlichen Sinne zu brauen, Met oder Apfel- und anderen Obstwein herzustellen, wenn man den entsprechenden Platz hat, um beides gären zu lassen. Würzwein kann man dagegen mit billigem Wein auch kurz vor der entsprechenden Festivität selbst mischen.
Unser tägliches Brot widmet sich einem weiteren wichtigen Grundnahrungsmittel der Menschen. Neben verschiedenen Brotsorten, die in der mittelalterlichen Küche teilweise sogar als Tellerersatz dienten, findet sich auch ein Rezept für Bierbrotsuppe und Variationen des Armen Ritters.
Brei wurde vor allem in den ärmeren Gesellschaftsschichten und meist am Morgen zu sich genommen. Der Autor zeigt auf, wie variantenreich er zubereitet werden kann.
Im Mittelalter gab es drei verschiedene Sorten von Suppen. Diejenigen, die auch ohne Löffel aus einem Becher getrunken werden konnten oder die als Stew aus den Resten der vorhergehenden Tage gemischt wurden. Nicht zuletzt gab es die fein zubereiteten Festtagssuppen, die als ein Gericht bei großen Gelagen gereicht werden konnten. Aus allen Bereichten stellt der Autor verschiedene Varianten vor, von dünnen Brühen bis hin zu deftigen und sehr festen Eintöpfen.
All diese Rezepte waren auch im Volk bekannt und beliebt und bestanden überwiegend aus vegetarischen Zutaten.
Das kam auf des Ritters Tafel wendet sich nun den Gerichten zu, die der Adel und die hohe Geistlichkeit genossen. Vielleicht nicht so oft, wie man denkt, aber dennoch regelmäßig kamen Fleisch und Fisch auf den Tisch und wurden manchmal auf recht exotische Weise zubereitet, denn Gewürze kündeten vom Reichtum der hohen Herren. So erfährt man, wie Rehrücken am Spieß, Wildschwein in Honigkruste oder Wildkaninchen am Galgen zubereitet wird. Viele der Rezepte zeichnen sich durch eine sehr interessante Zutatenmischung aus und haben sich bis heute erhalten wie der Gehackteskuchen.
Wenn der Pfaffe zu Besuch... widmet sich den Speisen, die man an christlichen Fastentagen zu sich nahm, an denen Fleisch und Milchprodukte eigentlich verboten waren. Man erfährt so, wie Mandelmilch hergestellt wurde und erhält eine Palette an eher milden und fein gewürzten Gerichten für Hühnerfleisch und Fisch.
Nicht zuletzt widmet sich Die Verführung der Engel den typischen Desserts und Süßigkeiten des Mittelalters wie Marzipan, Honigwaffeln oder Schmalzküchlein. Auch gibt der Autor noch einige Anleitungen zum Räuchern und Pökeln, Käse machen und Buttern. Auch Senf kann man herstellen.
Das Ritter-Kochbuch ist erstaunlich alltagstauglich, da viele Gerichte ohne größere Probleme oder Aufwand hergestellt werden können. Allein bei den Fleischgerichten sind eher Profis gefragt, die die entsprechenden Grillmöglichkeiten über dem offenen Feuer zur Verfügung haben. Alles andere kann man auch in der eigenen Küche zubereiten, und die Zutaten sind in den gängigen Supermärkten, auf dem Markt oder notfalls im Reformhaus zu finden.
Heiko Schwarz deutet selbst an, dass er die Rezepte bewusst so zusammengestellt hat, dass man sie unter Umständen auch auf einem Live-Rollenspiel oder während eines Re-Enactment-Wochenendes nutzen kann.
Exotische und aufwendige Gerichte halten sich weitestgehend in Grenzen, wenn man einmal von den Braten absieht; das Meiste dürfte allein schon durch die Kombination von Zutaten und Gewürzen sehr interessant schmecken. Dabei hat der Autor auf heutige Gewohnheiten Rücksicht genommen und darauf verzichtet, die Gerichte authentisch zu überwürzen.
Zudem macht er Mut, es selbst doch einmal mit dem Bier brauen oder Keltern zu versuchen, während er das Räuchern und Pökeln nur anreißt. Auch wenn man letztendlich selbst nicht tätig wird, so sind doch die Exkurse interessant genug, um Wissen zu sammeln und sollte man Autor sein in seine Geschichten einzubringen.
Vielleicht ist manches Gericht so schmackhaft, dass man es später sogar in den alltäglichen Speiseplan aufnimmt. Die Auswahl ist jedenfalls gelungen, und eigentlich ist für jeden etwas dabei.
Das Ritter-Kochbuch ist eine gelungene Sammlung von Gerichten, die man fast alle auch als Laie schnell umsetzen kann. Es bietet aber vor allem Anregungen und Tipps, um ein Fest oder ein Live-Rollenspiel geschmacklich atmosphärischer zu gestalten und wird dadurch auch für Profis interessant, die ihr Spektrum an Rezepten erweitern oder einmal etwas Neues bieten wollen.
07. Dez. 2008 - Christel Scheja
Der Rezensent
Christel Scheja
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