Gwen - Tagebuch meiner Lust
Die sexuelle Revolution hat dazu geführt, dass Bücher mit erotischem Inhalt nicht mehr nur verschämt unter dem Ladentisch oder über den Versandhandeln verkauft werden, sondern für jeden zugänglich in den Regalen und Ständern der Buchhandlungen zu finden sind. Dabei sind viele Werke nicht unbedingt als spannende Werke der Fiktion konzipiert, sondern werden gerne als Erfahrungsberichte ausgegeben.
Ein solcher Fall ist Gwen Tagebuch meiner Lust. Aufgezeichnet von Christoph Brandhurst alias Marcel Feige, plaudert dort ein modernes junges Mädchen über Lust und Leidenschaft in ihrem Leben.
Gwen ist dreizehn Jahre alt, als sie während einer Urlaubsreise nach Griechenland das erste Mal in ihrem Leben mit einem jungen Mann in einer Umkleidekabine Sex hat, wenngleich sie noch nicht entjungfert wird. Schon vorher hatte das Mädchen keine Probleme damit, sich mit der körperlichen Liebe zu beschäftigen.
Nach diesen ersten Erfahrungen gibt es kein Halten mehr. Gwen findet Geschmack am Sex und versucht auch nach dem Urlaub, mehr davon zu bekommen, selbst wenn das erste Zusammensein mit einem nur wenig älteren Jungen eher eine Ernüchterung ist und ihr nicht viel bringt. Dennoch bleibt sie auf der Suche nach wirklich befriedigenden Partnern und besucht dabei auch Clubs und Diskos in die sie noch gar nicht darf.
Dann tritt Ben in ihr Leben und lehrt sie durch die Freuden und Leiden des SM wahre Lust zu empfinden. Das bricht auch die letzten Dämme der Zurückhaltung in dem jungen Mädchen. Sie hat den Gipfel höchster Lust erklommen und will das nicht mehr missen. Wie ein Schmetterling flattert sie von einer Blüte zur anderen, kennt bald die angesagten Szeneläden und Swingerclubs. Sie sagt weder zu Männern noch zu Frauen nein, wenn ihr diese im Bett gefallen.
Ihrer Mutter erzählt sie erst nach und nach davon, merkt aber auch, dass sie freie Hand hat, wenn sie bestimmte Regeln einhält, so dass sie sich mit knapp 20 Jahren zu einer sexuell erfahrenen und unabhängigen Frau entwickelt hat, die sich nimmt, was sie will, und klare Prinzipien und Vorstellungen hat.
In den 1960er Jahren schockierte Oswald Kolle die Nation mit der Filmreihe Schulmädchenreport und zahlreichen Ablegern. Damals wurde das Bild von sexuell aktiven jungen Mädchen gezeichnet, die sich zwar nehmen, was sie wollen, aber in der Liebe doch letztendlich den unterwürfigen Part spielen. Und an diesem Bild hat sich nicht ganz so viel geändert, wenn man Bücher wie Gwen Tagebuch meiner Lust betrachtet.
Der Roman erfüllt weitestgehend die Klischeevorstellungen von dem sexuell enthemmten Teenager, der sozusagen von einem älteren Mann erweckt wird und danach Lust und Leidenschaft braucht, um das Leben zu genießen. Liebe und Romantik spielen dabei keine Rolle. Statt eines wohligen Kribbelns im Bauch braucht sie bereits im Alter von vierzehn Jahren viel mehr als nur Jungmädchen-Phantasien und erfüllt damit eher die Lolita- und Flittchenträume von Männern, als wirklich eine sexuell emanzipierte junge Frau zu sein. Denn die Sprache, in der sie von ihren Erlebnissen erzählt ist eher männlich-vulgär als weiblich-selbstbewusst.
Um noch frei verkauft werden zu können, bleibt das Buch in seinen Beschreibungen eher zurückhaltend. Wer deftig-detaillierte Äußerungen über den Akt oder die gängigen SM-Praktiken erwartet hat, wird bitter enttäuscht, denn das Meiste wird nur angedeutet oder angerissen und ist im Grunde in der Öffentlichkeit bekannt.
Ob das Buch für ihn oder sie erotisch ist, muss der Leser vermutlich selbst entscheiden, denn die Geschmäcker gehen bei diesem Thema bekanntlich sehr weit auseinander. Tatsache ist nur, dass es im Prinzip nichts Neues erzählt und im Grunde nur gängige Klischees vertieft und auch von der Spannung her viel zu wünschen übrig lässt. (CS)
04. Apr. 2009 - Christel Scheja
Der Rezensent
Christel Scheja
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