Akte X - Lebende Schatten
| AKTE X - LEBENDE SCHATTEN
Buch / Mystery
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Der grandiose Erfolg der X- Files- Fernsehserie hat sich seit geraumer Zeit nun auch nahtlos auf den europäischen Kontinent übertragen. Al Bundy ist out; Dana Scully und Fox Mulder dagegen mega - in. Doch wodurch hat Akte X diesen Kultstatus erlangt? Ihr geistiger Schöpfer, Chris Carter, hatte eigentlich ein recht einfaches Konzept: Man nehme geheimnisvolle, unerklärliche, übernatürliche Vorfälle und verbinde sie geschickt mit der sogenannten Realität. Diesen Bezug zur Wirklichkeit liefern die beiden FBI- Agenten Scully und Mulder. Die Präsentation (als seriöse Dokumentation getarnt) gelang dabei so überzeugend, daß anfangs nicht wenige Zuschauer beim Fernsehsender anriefen und wissen wollten, ob die gezeigten Fälle tatsächlich auf wahren Begebenheiten beruhten. Dieser Krieg der Welten- Effekt -zusammen mit der glücklichen Besetzung der Hauptakteure - verhalf Akte X zu ihrem rasanten Aufstieg.
Es ist daher kaum verwunderlich, daß sich die X- Akten bald auch in Buchform wiederfinden ließen. Während sonst allerdings unbekannte Lohnschreiber eine Serie mehr schlecht als recht plattwalzen, zeichnete gleich für den ersten X- File- Roman
niemand geringerer als Charles Grant verantwortlich. Grant, von dem einige seiner Romane auch in Deutschland erschienen sind (u.a. "Die Schwingen des Todes; "Spukpferd) hat sich nicht nur als Autor von meist anspruchsvollen Horror- Romanen und - Stories einen Namen gemacht, sein Ruf begründet sich fast noch mehr durch seine Eigenschaft als Herausgeber wegweisenden Anthologien.
"Lebende Schatten handelt von ungewöhnlichen Morden in der Nähe eines Militärstützpunktes. Obwohl Fox Mulder in dem gewaltsamen Tod eines Soldaten keine X- Akte wittert, wird er von seinem neuen Chef nach Fort Dix in Marville geschickt. Offenbar haben Freunde des Toten gute Beziehungen zu höchsten Kreisen. Für die Suche nach einem scheinbar unsichtbaren Killer steht Mulder diesmal nicht nur seine Kollegin Scully hilfreich zur Seite; dem eingespielten Team wird zusätzlich ein weiteres Paar von FBI- Rookies zugeteilt: Licia Andrews, eine attraktive, aber arrogant wirkende Blondine und Hank Webber, ein übereifriger, sympathischer Tollpatsch.
Wie sich wenig später herausstellt, wurde bereits ein weiterer Mann in dem kleinen Städtchen ermordet. Alles spricht dafür, daß es sich dabei um ein und denselben Täter handelt. Beiden Männern wurde die Kehle durchgeschnitten. Das, was die Fälle mysteriös wirken läßt, sind zwei ähnlich klingende Zeugenaussagen. Jedesmal scheint der Täter direkt aus einer Wand oder einem Baum gekommen zu sein. Wie aus dem Nichts. Unglücklicherweise sind beide Augenzeugen nur wenig vertrauens-würdig; in beiden Fällen handelt es sich um stadtbekannte Frauen, die leicht verwirrt sind oder nur zu gerne dem Alkohol oder noch stärkeren Drogen zusprechen. Eine Zeugin bezeichnet den unheimlichen Schatten sogar als Kobold.
Eigentlich erweist sich die Fährte als kalt; niemand im Ort kann den Ermittlern einen entscheidenden Hinweis geben. Als Mulder jedoch einen Tatort aufsucht, wird auf das FBI- Team das Feuer eröffnet. Die Kugeln verfehlen nur knapp ihr Ziel. Spooky Mulder hat endlich eine Fährte gewittert, und die führt in immer wieder zu den militärischen Anlagen von Fort Dix. Kann es sein, daß der Kobold mit geheimen militärischen Versuchen in Verbindung steht?
Eigentlich besitzt "Lebende Schatten alles, was eine gute X- Akten- Episode ausmacht: unheimliche Morde; undurchsichtige Intrigen, die bis hinein in das Unter-suchungsteam reichen, akribische Detektivarbeit...und doch.. Die Spannung bleibt dabei auf der Strecke. Nur ganz selten einmal gelingt es Grant, seinen Leser wirklich zu fesseln. Dies liegt sicher zum Teil an seinem zuweilen enttäuschend einfachen Stil, dann aber auch an der Charakterisierung der Protagonisten. Die stets skeptische Dana Scully wirkt hier stark überzeichnet. Wie eine reale Lucy (Peanuts) nörgelt sie sich als frustrierte Nervensäge durch den Roman. Auch das eigentlich zerrissene, sensible, chaotische, impulsive, geniale Wesen Mulders wird kaum mit mehr als kurzen Spotlights bedacht. "Lebende Schatten ist kein völliger Reinfall; ähnlich wie die zuweilen qualitativ stark unterschiedlichen Teile der Serie gehört der Roman aber nicht zur Kategorie: Must See.
David Morrell beschrieb Grant einmal folgendermaßen: "Stephen King und Peter Straub sind wie Luxus- Liner auf dem Gebiet des Horror. Sie sind immer am Horizont sichtbar, wenn man von diesen tiefen, dunklen Gewässern aufblickt. Aber Charlie Grant - er ist die unsichtbare Kraft, wie der große, weiße Hai, knapp unterhalb der Oberfläche. Es bleibt zu hoffen, daß Grant bei seinem zweiten Versuch ("Wirbel-sturm) seine gefürchtete Rückenflosse deutlicher zur Geltung gebracht hat.
Charles Grant: "Akte X- Lebende Schatten ("The X- Files - Goblins)
vgs Verlagsgesellschaft, Köln 1995
Hc.; 224 Seiten; DM 25,–
Aus dem Amerikanischen von Winfried Czech
18. Dez. 2006 - Andreas Wolf
Der Rezensent
Andreas Wolf

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März 2018: keine Rezensionen
* Andreas Wolf, auch als Autor unter dem Pseudonym
ARTHUR GORDON WOLF bekannt,
* Jhg. 1962
* Pendler zwischen dem Bergischen Land und dem Niederrhein, wo er als Lehrer an einem Gymnasium arbeitet
* schreibt Rezensionen für das Magazin "phantastisch!" sowie Short - Stories, Erzählunge...
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