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Der Kuss der Medusa

DER KUSS DER MEDUSA

Uwe Voehl
Roman / Phantastik

KBV

Taschenbuch, 250 Seiten
ISBN: 978-394007758-5

Jul. 2009, 9.90 EUR
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Uwe Voehl ist in erster Linie ein Novellenautor. Die Novelle als literarischer Zwitter zwischen Kurzgeschichte und Roman liegt seinen atmosphärisch dichten und sich langsam, aber stetig entwickelnden Texten am Besten. Auch Voehls Beiträge zur „Coco Zamis“ Serie im Zaubermond- Verlag sind im Grunde eher Novellen als Romane. Mit „Der Kuss der Medusa“ arbeitet der Leiter einer Werbeagentur – hoffentlich erfolgreicher als die seines Protagonisten Malte Wallbusch – seine Kurzgeschichte „Summer of Love“, die in seiner letzten Kollektion „Schwarze Herzen“ veröffentlicht worden ist, zu einem Roman aus. Im Gegensatz allerdings zu manch anderen Autoren macht Uwe Voehl nicht den Fehler, die stimmige Shortstory einfach zu erweitern. Er integriert den ursprünglichen Text in Form von Rückblenden in den Roman und erzählt die Geschichte mit einer Distanz von mehr als vierundzwanzig Jahren einfach weiter. Aus dem pubertären Jungen und seiner ersten großen Liebe ist inzwischen der fast vierzigjährige Erfolgsmann Malte Wallbusch geworden Er betreibt zusammen mit einem Partner eine Werbeagentur, die kurz vor einem Millionenauftrag eines privaten Fernsehsenders stet. Privat lebt er mit einer bildhübschen jungen Frau zusammen und hat sich gerade für den symbolischen Euro und die Übernahme der Renovierungskosten ein abgeschiedenes, denkmalgeschütztes Anwesen in der Eifel gekauft.

Zu Beginn des Plots leitet Malte Wallbusch unter Alpträumen. Er hört einen alten Song, den eine Frau auf dem Hof summt. In seiner Küche stinkt es jeden Morgen bestialisch, aber anscheinend kann weder seine Freundin noch sein Klempner etwas riechen. Beruflich versäumt er einen wichtigen Termin mit seinem Auftraggeber in spe. Dieser wartet eine Stunde auf Wallbusch und verschiebt die Übergabe der unterschriebenen Werbeverträge um eine Woche. Als Wallbusch ihm später in Köln in einem seiner Stammlokale begegnet, hat der Werbetexter plötzlich unheimliche Visionen. Wie eng Glück und Leid miteinander verbunden sind, zeigt die Reparatur seiner Küchenrohrer. Eine Durchleuchtung der alten Rohre lässt die Fäkalien in einem hohen Bogen in die gerade fertig gestellte Küche schießen. Neben dem Dreck schießen aber auch alte Goldmünzen aus dem Rohr. Begleitet von einem kleinen Amulett mit einer Medusenfigur drauf. Uwe Voehl beschreibt derartig phantastisch- dunkle bis groteske Szenen effektiv und atmosphärisch überzeugend, aber von der logischen Seite betrachtet bleiben viele Fragen offen. Immerhin müssen die Münzen eines verborgenen Römerschatzes in diese Kanalisation eindringen und vor vielen Jahren sind die Rohrer noch nicht durch den Boden geschossen worden. Da wurde mühselig mit der Hand/ Maschine gegraben. Das bislang keine Münze gefunden worden ist, wirkt da eher unglaubwürdig.

Ein rothaariges Phantom sorgt für eine Reihe von Autounfällen ganz in der Nähe des abgeschiedenen Anwesens und in Köln glaubt Wallbusch, das sich seine hübsche Freundin bei der Herstellung von S/M Filmen ihren Lebensunterhalt verdient. Auf seinem vierzigsten Geburtstag mit einer Überraschungsparty erfährt Wallbusch die Wahrheit, welche der Leser schon seit vielen Seiten ahnt. Er ist in den Bannstrahl einer Hexe geraten, die sich augenscheinlich für ein Ereignis in der Vergangenheit rächen möchte. Seine jetzige Freundin versucht ihn vor der Verdammnis zu schützen, aber sie erreicht nur eine aufschiebende Wirkung.

Obwohl oder gerade weil „Der Kuss der Medusa“ im Grunde klassischen Hexenritualen bis zum dunklen, nihilistisch zynischen, aber unglaublich effektiven Ende folgt, hat der Leser die Möglichkeit, sich auf die Stärken Uwe Voehls zu konzentrieren. Auf dem Titelbild steht, dass es sich um eine Gruselgeschichte aus der Eifel handelt. Dabei zeigt der Autor nicht nur den Kontrast zwischen dem vordergründig zu friedlich beschaulichen Leben auf dem Lande und dem hektischen Treiben in der Großstadt auf, sondern zeichnet mit liebevollen, sehr detaillierten Beschreibungen die Eigenheiten sowohl der Eifel als auch Kölns nach. Ähnlich wie in Thomas Zieglers oder Achim Mehnerts Krimis entsteht so ein erstaunlich liebevolles Portrait der Kölschen „Jungs“. In Bezug auf das Landleben gelingt es Uwe Voehl, die Abgeschiedenheit des Hauses inklusiv des etwas exzentrischen belgischen Besuchers idyllisch und friedfertig zu beschreiben. Erst nach und nach schleicht sich eine dunkle, bedrohliche und mehr und mehr konkreter werdende Bedrohung vor dieses Ideal. Atmosphärisch überzeugend nimmt sich Uwe Voehl auch stilistisch sehr ansprechend Zeit, den finalen Konflikt vorzubereiten und seine Protagonisten zu positionieren. Die Geburtstagsfeier ist im Grunde die letzte Warnung, bevor Wallbusch bisheriges Leben mit einer rasanten Geschwindigkeit auseinander bricht. Mit einem sichtlichen Vergnügen demontiert Uwe Voehl seinen Protagonisten. Hinzu kommt, dass Wallbusch rückblickend unschuldig an seinem Schicksal ist und sich der Zorn der Hexe im Grunde beim falschen Mann entlädt. Fünf Minuten können im Leben manchmal mehr bedeuten als man ahnen kann. Diese Vorgehensweise funktioniert allerdings so gut, weil sich Uwe Voehl mit seinen Figuren sehr viel mehr Mühe gibt als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Malte Wallbusch ist zu Beginn des Romans ein glücklicher Mann. Eine junge, sexuell aktive und selbst in der Küche talentierte attraktive Frau, einen Porsche vor der Tür, im Grunde einen Job als Frühstücksdirektor und ein neues Haus, in dem viel Arbeit auf ihn wartet. Immer wieder staunt Wallbusch, wie gut sich sein Leben entwickelt hat. Stellenweise überzeichnet Uwe Voehl seinen wichtigsten Protagonisten ein wenig zu sehr und vernachlässigt dabei Wallbuschs Freundin. Diese entwickelt sich anfänglich eher wie das Klischee einer hübschen Studentin, die mit beiden Beinen im Leben steht und den teilweise etwas abgehoben und leicht arrogant agierenden Wallbusch immer auf dem Boden der Realität hält. Uwe Voehl deutet an, dass Wallbuschs Freundin sich schon früh für Hexenkult und Aberglauben interessiert hat. Es wirkt ein wenig konstruiert, dass sie über ausreichend Wissen bzw. Kontakte verfügt, um zumindest kurzzeitig der angreifenden Hexe Paroli zu bieten. Vielleicht hätte es überzeugender und plottechnisch dichter gewirkt, wenn sie sich erst mit dem Thema hätte beschäftigen und dann aus Liebe Kontakte knüpfen müssen. Anders herum arbeitet Uwe Voehl einen anderen Punkt nicht entscheidend heraus. Wird Wallbusch erste Liebe erst mit mindestens einem Jahr Verzögerung aktiv, weil sie in der spiritistisch aktiven neuen Freundin wirklich eine Konkurrentin gesehen hat? Warum die Verzögerung ? Weiterhin wird mehr und mehr Wallbusch zu ihrem Ziel, um ihn endgültig an sich zu binden. Hier wäre es vielleicht noch sinnvoller gewesen, eine Verbindung zur schwindenden Lebensenergie – vierzig Jahre als Beginn eines anderen Lebensabschnitts des Mannes – Wallbusch zu schlagen. Den Hexenangriffen fehlt rückblickend betrachtet manchmal die entscheidende Motivation. Sollte die Hexe anfänglich mit Wallbusch nur spielen, arbeitet Uwe Voehl diesen Punkt nicht entschieden genug heraus. Mit der späteren Machtdemonstration hätte der Roman deutlich früher abgeschlossen werden können. Alleine die rasante Porschefahrt böte hier ausreichend Ansätze. Die Nebenfiguren sind teilweise sehr unterdurchschnittlich bis eindimensional entwickelt. Graumann als arroganter, aber wichtiger Auftraggeber erfährt eine interessante Metamorphose, die allerdings eher klischeehaft aufgelöst wird. So wirken manche Ideen handlungstechnisch ein wenig zu isoliert und zu wenig extrapoliert. Warum ist die Hexe so unendlich mächtiger als ein erfahrener Hexenmeister? Der Leser erfährt wenig bis gar nichts über diese elementare „Nebensächlichkeit“. Bei den Statisten ist die Metamorphose des Rohrreinigers vom einsamen Handwerker über den geldgierigen Schatzfinder bis zum „Hexenjäger“ Uwe Voehl dagegen sehr gut gelungen.

Unabhängig von dieser augenfälligen Schwäche präsentiert sich „Der Kuss der Medusa“ als geradlinige Hexengeschichte, die anfänglich mit beiden Beinen in der festen, aber brüchigen Realität angesiedelt worden ist. Uwe Voehl nimmt sich ausgiebig Zeit, Malte Wallbuschs Welt zu etablieren, um sie genüsslicher zu demontieren. Der Konflikt zwischen Aberglauben und Moderne wird von Beginn an durch die Aktionen von Wallbuschs Freundin unterminiert. Anfänglich sieht dieser sie im Gegensatz zum Leser als Halluzinationen. Daher ist der Einbruch der heidnischen Einflüsse in Wallbuschs „Realität“ keine Überraschung. Mit perfider Freude dreht der Autor die Schraube immer weiter an, um auf den letzten dreißig Seiten fast zu hektisch keinen Stein auf dem anderen zu lassen. Nach dem über weite Strecken ruhigen, aber niemals phlegmatischen Tempo ist die Beschleunigung des Handlungsflusses notwendig und erinnert ein wenig an die zahlreichen Horrorfilme insbesondere der sechziger Jahre. Uwe Voehl ist ein zu guter Autor, um mit seinem vorliegenden Roman nicht zu überzeugen. Aber zwischen den Zeilen bleibt insbesondere bei Genre- Fans der Eindruck, als versuche er auf der einen Seite ein Mainstreampublikum anzusprechen und auf der anderen Seite seine Fans zu befriedigen. Wie Wallbusch lernt, kann man nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Im Vergleich zu seinen Novellen geht der Autor einige kleinere Kompromisse ein. Zusammengefasst ist „Der Kuss der Medusa“ eine stringente Geschichte mit sympathischen, vielleicht außer Wallbusch etwas zu einfach gezeichneten Charakteren; einer klassischen Rache-von-Jenseits-des-Grabes-Geschichte, die außerhalb einiger gut gesetzter Schocks nur wenige Überraschungen beinhaltet, stilistisch sehr ansprechend geschrieben.

14. Aug. 2009 - Thomas Harbach

Der Rezensent

Thomas Harbach
Deutschland

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