Das Volk der 13 Inseln
Jo Zybell wird mehr und mehr zum Chronisten und Schlüsselautoren des umfangreichen Maddrax- Universums. Alleine im Rahmen der Zaubermond- Hardcoverreihe hat er die Monate und Tage vor dem Einschlag des Kometen beschrieben, beschrieben, wie die Überlebenden die fünf Jahrhunderte bis zum Beginn der Serie dahinvegetierten oder sich um die Vergangenheit des populären Rulfan gekümmert. Mit dem vorliegenden Roman Das Volk der dreizehn Inseln beschreibt er das harte Schicksal des Amazonenstammes, aus deren Reihen aus Maddrax Wegbegleiterin abstammt. Der Zaubermond- Verlag hat Jo Zybell einen Mehrumfang zugestanden, den diese auf verschiedenen Zeitebenen ablaufende, ineinander verschachtelte Geschichte aus verdient hat. Der Autor beginnt seinen Roman im Grunde am Ende des Amazonenvolkes. Die Nordmänner greifen unter anderem mit zwei Kanonen und zahlenmäßiger Überlegenheit das Inselreich an und nehmen schließlich die Königin als Geißel. Auf der Flucht und in einem scheinbar sicheren Versteck wird den jüngsten Mitgliedern des Stammes von den vier Büchern der Königin berichtet, in denen die Geschichte des Frauenvolkes niedergeschrieben worden ist. Aus diesen Büchern wird im übertragenem Sinne auch dem Leser vorgetragen. Die Geschichte beginnt schon in den Monaten vor dem Kometeneinschlag, wo sich eine couragierte Journalistin mit Mitgliedern einer rechtsradikalen und gewaltbereiten rechtsradikalen Gruppe in Schweden auseinandersetzen muss. Jo Zybell impliziert sehr deutlich, dass es keine Unterschiede zwischen den primitiven und barbarischen Nordmännern und den überwiegend sehr jungen Mitgliedern der rechtsradikalen Organisationen mit ihrem eher primitiven Wikingergehabe gibt. Eine schöne Allegorie, welche insbesondere die ersten zwei Drittel des Buches bestimmen. Rückblickend ist es erstaunlich, dass sich Zybell so viel Zeit nimmt, um die Wurzeln des Amazonenstammes zu beschreiben, während die vielen Jahren nach dem Kometeneinschlag bis zur laufenden Handlung manchmal zu stark im Zeitraffer abgehandelt werden. Ein ähnliches Phänomen positiv wie negativ zeichnen zahlreiche andere Chronikbände aus. Es ist sicherlich ungemein schwierig, einen derartig langen Zeitabschnitt in einem Hardcover selbst mit erweiterten Umfang abzuhandeln. Bei einigen Texten wäre es sinnvoll, auf Mehrteiler zurückzugreifen. Zumindest beim Desaster Vierteiler im Rahmen der Professor Zamorra Reihe haben die Leser diese Vorgehensweise akzeptiert.
Die einzelnen Handlungsabschnitte haben auch eine sehr unterschiedliche Qualität. Zu den besten Passagen gehören die Spannungsbögen unmittelbar vor dem Kometeneinschlag. Jo Zybell gelingt es ausgesprochen überzeugend und stellenweise aufgrund der intensiven und packenden Atmosphäre nachhaltig, das Chaos und die Auflösung der Ordnung zu beschreiben. Aus der Sicht von drei sehr unterschiedlichen Frauen Großmutter, Tochter und Enkelkind erfährt der Leser von der Bedrohung durch die radikalen Gruppen, die aufgrund der negativen Presse in offene Gewalt umschlägt. Bei der Charakterisierung der in erster Linie jugendlichen Gewalttäter greift der Autor teilweise zu sehr auf eine gewisse schwarzweiße Zeichnung zurück und beschreibt sie eher als debile und naive Opfer einer Verführung als wirklich dreidimensionale Charaktere. Der Leser hat das unbestimmte Gefühl, als wolle Jo Zybell nicht zu viel Gegenwartskritik in seinen in erster Linie futuristischen Roman einfließen lassen. Dabei verschenkt er sehr viele gute Ansätze und reduziert den Plot schließlich erwartungsgemäß auf das Straw Dogs Niveau. Er verzichtet allerdings auf die psychologischen Momente des Films. Die Frauencharaktere dagegen sind deutlich nuancierter gezeichnet. Insbesondere die heiße Liebesnacht mit Maddrax ist mit viel Augenzwinkern beschrieben. Seine Frauen sind entschlossene Vorläufer der Amazonen, die allerdings kurz vor der unmittelbaren Katastrophe jegliche Hemmungen ablenken und zu den entsprechenden Waffen greifen.
Die Zukunftschronik sie gipfelt in der Rückkehr Aruulas ist weniger kompakt geschrieben. Das liegt sicherlich auch in der Tatsache begründet, dass sich Zybell auf den Konflikt zwischen den Bewohnern der dreizehn Inseln und den Nordmännern konzentriert. In einem Rückblick wird kurz auf das anfänglich karge und harte Leben in dieser unwirtlichen Region eingegangen, nachdem die Überlebenden des Kometeneinschlages ihren privaten Schutzbunker Walhalla verlassen haben. Hier wäre es allerdings sinnvoller gewesen, auf die ersten Schritten auf der im Grunde neuen Erde und den zahllosen Schwierigkeiten einzugehen, als gleich auf den im Grunde klassisch beschriebenen, aber leider nicht unbedingt innovativen Angriff der Nordmänner einzugehen. Zuerst sind die Frauen unterlegen, werden versklavt, missbraucht und als Zuchtstuten gehalten. Im Verlaufe der Jahre schmieden sie natürlich intelligente Rachepläne und können sich zumindest kurzzeitig gegen die körperlich überlegenen, aber geistig stumpfsinnigen Männer durchsetzen. Jo Zybell präsentiert zu diesem Thema eine Reihe von interessanten Ideen und die einzelnen Kämpfe bzw. die Liebe zwischen der Königin und einem Mann sind solide geschrieben, aber der Funke insbesondere zu den eher eindimensionalen Charakteren, die nicht selten zu theatralisch und künstlich agieren, springt nicht richtig über. Zweimal die Auseinandersetzungen mit den Angreifern in den Mittelpunkt des Plots zu stellen, ist rückblickend keine unbedingt glückliche Entscheidung gewesen. Der Leser droht an einigen Stellen trotz der chronologischen Bezeichnung eines jeden Kapitels den Überblick zu verlieren und einige Figuren gehen ineinander über. Auch Aruulas Auftauchen und ihr beherzter Angriff dank der modernen Londoner Technik und ihres Begleiters Rulfan wirkt unnötig hektisch beschrieben und die Gespräche zwischen den überlebenden Frauen der dreizehn Inseln und ihrem verlorenen Mitglied Aruula hätten emotionaler und wenig gekünstelt geschrieben werden können.
Die Erwartungshaltung insbesondere an die Chronikromane und die Arbeiten eines Jo Zybells ist deutlich höher als an einen normalen Maddrax Hardcoverroman. Das Konzept selbst ist ambitioniert und die verschiedenen Handlungsebenen fließen zum Teil sehr zufrieden stellend insbesondere in der ersten, routiniert, aber immer intensiv geschriebenen Hälfte des vorliegenden Buches zusammen. Der zweite Teil wirkt teilweise ein wenig zu hektisch verfasst und gegen Ende des Plots leidet Jo Zybell trotz des erweiterten Buchumfangs unter Platzproblemen. Trotz der angesprochenen Schwächen gehören aber die Chronikromane zu den empfehlenswertesten Arbeiten dieser Begleitreihe. Jo Zybell gibt sich sehr viel Mühe, seine Geschichten in das stetig wachsende Maddrax- Universum einzupassen und verschiedene Brücken zu schlagen. Stilistisch bis auf die manchmal ein wenig gekünstelt erscheinenden Dialoge sehr ansprechend geschrieben unterhält der vorliegende Roman solide und ergänzt sich sehr gut mit Zybells Rulfan Chronik. An das Niveau der ersten beiden aus seiner Feder stammenden Maddrax- Hardcover reicht der Autor leider nicht ganz heran.
22. Sep. 2009 - Thomas Harbach
Der Rezensent
Thomas Harbach

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