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Das Collier

DAS COLLIER
DAS COLLIER

Andrea Fazioli
Roman / Krimi

Waldgut Verlag

Zwielicht: Band 1
Fester Einband, 368 Seiten
ISBN: 978-303740378-5

Mai. 2008, 24.50 EUR
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Mit dem ersten inzwischen zur Verfilmung anstehenden Krimi Andrea Faziolis erweitert der Waldgut- Verlag im Rahmen seiner „Zwielicht“ Reihe das bislang ausschließlich phantastische Sujet um einen klassischen Krimi, der neben zahllosen Filmanspielungen zumindest kurzfristig auch mit dem immer wieder faszinierenden Thema des verschlossenen Zimmers spielt. Der 1978 geborene Andrea Fazioli hat die Geschichte im wunderschönen Tessin spielen lassen, einer Gegend, die ihm seit vielen Jahren auch persönlich vertraut ist.

Faziolis Held Contini mit rauem Charme ist ein Kettenraucher und trägt gerne – ungewöhnlich – weißes Leinen. Sein Büro liegt in Lugano, er wohnt in einem nahe gelegenem Dorf und fotographiert liebend gerne Füchse. In seinem ersten Beruf ist er Journalist gewesen. Anscheinend hat er aber auch schon als Detektiv eine Reihe von Fällen trotz seines mit geschätzten 30 Jahren eher jugendlichen Alters gelöst. Erst im zweiten, inzwischen in Italien veröffentlichen Roman muss sich Contini auch mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzen. Im Gegensatz allerdings zu vielen klassischen Hardboiled Detectives verletzt positiv Contini die erste Regel des Genres: verliebe Dich möglichst nicht und schlafe niemals mit Deiner Schutzbefohlenen oder Klienten.

Ansonsten geht Andrea Fazioli außergewöhnlich frei denkend, wenn auch nicht immer wirklich konsequent mit den Konventionen des Genres um. Im Grunde sind nach der Hälfte des Buches das Motiv – Rache – und der Täter – ein verstoßener Verwandter – sowie das Objekt der Begierde – ein sehr seltenes, vor knapp vierzig Jahren verschwundenes Collier – bekannt. Das Colier hat die attraktive und frisch vom ihrem Freund getrennte Studentin Francesca auf dem Dachboden eingenäht in eine Jacke ihrer Mutter gefunden. Ein junger Mann – zufällig Sohn der Familie, die sowohl dieses Collier als auch ein Imitat aus Moissanit hergestellt hat – erkennt der Wert des Erbstückes und versucht bei einem Freund/ Pfandleiher und Schmuggler zu überprüfen, ob es sich um das echte Stück handelt. Kaum ist bekannt, dass das Collier echt ist, beginnt eine Kette von Morden an den Familienmitgliedern. Contini hatte kurzzeitig den Auftrag, im Diebstahl des Imitats zu ermitteln und wird schließlich nach dem ersten Mord von der Mutter des Opfers beauftragt, den Täter zu suchen. Dabei lernt Contini Francesca nicht nur näher kennen, sondern schließlich auch lieben. Die eigentliche Geschichte einer blutigen Rache aus der tiefsten Vergangenheit ist schnell zusammengefasst und wird von Fazioli erstaunlich stringent ohne größere falsche Spuren erzählt. Im Gegensatz zu vielen anderen Detektivromanen bewegt sich der Leser nicht auf Augenhöhe, sondern verfolgt einen Teil des Falls aus der verzerrten Perspektive des natürlich geistig gestörten Täters. Diese Vorgehensweise negiert insbesondere nach dem soliden ersten Drittel teilweise die Spannung. Der Leser möchte mehr über die Hintergründe der Tat erfahren und ob sich hinter den bislang angedeuteten Zusammenhang mehr versteckt als zu diesem Zeitpunkt ans Licht der Sonnen gekommen ist. Beherrschend ist die Frage, wie der Autor das immer wieder faszinierende Thema des Mordes in einem abgeschlossenen Zimmer auflöst. Die Charaktere sind zu diesem Zeitpunkt sympathisch, aber nicht besonderes aufregend oder gänzlich überzeugend gezeichnet. Nicht selten bewegt sich Fazioli am Rande eines Klischees, bemüht sich, Ecken und Kanten bei seinen Figuren zu glätten, bzw. gar nicht erst aufkommen zu lassen. Überambitioniert wirkt der Autor hinsichtlich seiner Beschreibungen und Erklärungen. Anstatt irgendetwas der Phantasie des Lesers zu überlassen, dehnen insbesondere Continis Kleidungsfetischismen und stellenweise die im Grunde ausreichenden Dialogen hinzugefügten beschreibenden Informationen die Vorgänge zu stark aus und ermüden den Leser. Vielleicht trägt auch Juliane Deppes teilweise noch etwas holprige, sehr bemühte, aber stilistisch zu steife und distanzierte Übersetzung zu der Schwerfälligkeit des Textes bei. Auch wirken die Figuren teilweise ein wenig zu eindimensional und distanziert beschrieben. Sie handeln zwar nachvollziehbar, aber dem Roman fehlt teilweise das Feuer. Auch die Rückkehr von Francescas Ex wirkt eher aufgesetzt als das Fazioli einen Rivalenkonflikt aufbaut. Insbesondere Francesca bleibt leider viel zu blass und der Autor ist überfordert, den inneren Konflikt in dieser Figur wirklich nachvollziehbar und sympathisch überzeugend zu beschreiben.

Unabhängig von der fehlenden italienischen Leichtigkeit – die Charaktere überqueren die italienisch- schweizerische Grenze mehrmals und hätten ein wenig der italienischen Lebensfreude einfach in den Tessin schmuggeln sollen – versucht Fazioli teilweise sehr erfolgreich, dann wieder ein wenig zu schlampig auf zu vielen Hochzeiten zu gleich zu tanzen.

Die Familiengeschichte scheint tragisch zu sein. Aber hier bleibt es im Grunde von beiden Seiten bei Andeutungen. Der Zuschauer hätte sich ein wenig mehr düstere Geheimnisse, Verschwörungen, Verrat und schließlich auch darauf aufbauende die folgerichtig nur theoretische Form der Gerechtigkeit dank blutiger Rache gewünscht. Immer wenn Francesca und Contini in die Vergangenheit eindringen, lenkt der Autoren mit einer mehr oder minder begründeten Aktion Leser wie Charaktere ab. Alleine der inzwischen verrückt gewordene Täter – auch hier bleibt Fazioli frustrierend ambivalent – liefert eine Handvoll von Hintergrundinformationen, welche einen kleinen Einblick in die Familiengeschichte geben, aber keine Erklärung für die komplexe und scheinbar mit Symbolen durchsetzten Morde liefert. Hier erwartet der Leser deutlich mehr als die angebotenen und insbesondere gegen Ende nur wenig zufriedenstellenden Fragmente.

Hinzu kommt, dass Fazioli um die Spannungskurve zu steigern dem bekannten Täter noch eine zweite falsche Identität schenkt. Was sich anfänglich als möglicherweise Spur ins Nichts erweist, wird plötzlich dank Continis Geistesblitz negiert und in die richtige Richtung gelenkt. Dabei kommt ebenfalls keine Spannung auf, da die zweite Scheinidentität des Täters im Grunde in den Hintergrund rückt. Er begeht keine Verbrechen werden und der Versuch, eine direkte Bedrohung Francescas zu konstruieren, wirkt aufgesetzt und wird von der laufenden Handlung viel zu wenig unterstützt. Auch das Rätsel des Mordes in einem abgeschlossenen Zimmer mit einem im Schloss steckenden Schlüssel wird von Fazioli passend, aber nicht gänzlich befriedigend aufgeklärt. Hier böte sich noch eine weitere Variante an, auf die Contini viel schneller hätte kommen können. Warum muss es von Beginn an ausschließlich ein Einzeltäter ohne Komplizen sein? Diese unbekannte Helfer hätte die Flucht des Täters ebenfalls decken können. Eine Extrapolation dieser Gedankenkette hätte dem Buch deutlich mehr Spannung gegeben. Ebenfalls arg konstruiert ist der Diebstahl der Imitation mehrere Wochen vor dem überraschenden Auftauchen des echten Colliers. Fazioli macht nicht überzeugend deutlich, dass nicht das eigentliche Collier, sondern alleine der aus dem Nichts kommende und im Grunde auch leider durch nichts begründete Zeitpunkt des Beginns der blutigen Rache eher zufällig mit dem Wiederauftauchen des vierzig Jahre verschwundenen Colliers zusammenfällt. Sehr viel überzeugender wäre es gewesen, wenn der Täter erst nach dem Auftauchen der echten Diamantenkette das Imitat als Ausdruck seiner Rache gestohlen hätte. Die einzelnen, isoliert betrachtet durchaus spannenden Sequenzen führt Fazioli zu wenig konsequent zusammen und zerredet manch gut angelegte Szene mit seinem Hang, alles erklären zu wollen.

Dagegen ist der Showdown im Zug zwischen der Schweiz und Italien inklusiv der rasanten Autobahnfahrt nach Lugano souverän konzipiert und beinhaltet auch eine Reihe von Überraschungen. Hier spielt der Autor geschickt mit der Erwartungshaltung der Leser. Von solchen Szenen hätte man sich mehr im Verlaufe des Buches gewünscht. Die Auflösung des Plots ist schließlich ein wenig zu abrupt mit einigen pathetischen Hinweisen und dem Versuch, noch einmal für einen Augenblick eine falsche Spur zu legen.
„Das Collier“ ist kein schlechtes Roman, es ist teilweise ein zu geschwätziges – ohne wirklich etwas sagen zu wollen – Buch, das als Erstling ein wenig zu überambitioniert hinsichtlich der eigenen literarischen Fähigkeiten konzipiert worden ist und das über leider noch etwas unterentwickelte, aber nicht uninteressante Charaktere verfügt. Als potentielle Verfilmung finden sich viele Ansätze, die Geschichte visuell interessanter und spannender zu gestalten als es Andrea Fazioli gelungen ist.

23. Nov. 2009 - Thomas Harbach

Der Rezensent

Thomas Harbach
Deutschland

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