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Weißes Licht
Christian Beyer und sein Sonderermittler-Team SOKO Bund (erste länderübergreifende SOKO Deutschlands) haben in Weißes Licht ihren ersten Auftritt und es sofort mit einem besonders abscheulichen und mysteriösen Fall zu tun. Es handelt sich um eine Mordserie, deren Opfer Kinder sind, die regelrecht aufgebahrt werden mit biblischen Rache-Psalmen versehen. Daher wird der Mörder der Bestatter genannt.
Bei dem 4. Opfer, einem Jungen von 9 Jahren findet die Rechtsmedizinerin Karen Kretschmer Sperma im Darm des ermordeten Jungen, was ein Sexualdelikt bestätigt.
Erster Verdächtiger ist Herbert Perlmann (46), ein aktenkundiger Pädophiler, der jedoch ermordet aufgefunden wird.
Eine weitere interessante Person belebt die Handlung: Anna Maybach, Psychologin und Gastdozentin an der Uni Hamburg.
Als Neuling im SOKO-Team taucht Pete Altmann auf: gut aussehend, Profiler, der auf Anna trifft, die sich sofort auf ihn einlässt. da sie aber Angst vor Nähe hat, ist das nicht von langer Dauer.
Die SOKO bildet ein immer deutlicheres Profil des Täters: kontrolliert, perfektionistisch, aufgrund der rasch aufeinander folgenden Morde, muss der Täter unter ungeheurem Druck stehen. Darüber hinaus liegt die Vermutung nahe, dass er beruflich reist und seine Morde dem Dienstplam anpasst da die Verbrechen in verschiedenen Städten verübt wurden.
Pete befindet als Profiler, dass die inszenierten Bestattungen der Opfer darauf schließen lassen, dass es dem Täter hinterher leid tut. Die Psalme, die er hinterlässt, deuten darauf hin, dass die einzige Strafinstanz, die der Mörder anerkennt, Gott ist.
Dann hat die SOKO die erste heiße Spur: Ein Passagier, der an allen Flughäfen der Städte, in denen die Morde stattfanden, zum passenden Zeitpunkt war. Ein Verdächtiger, der in Hamburg lebt und nun beginnt die SOKO tief im (menschlichen) Dreck zu wühlen.
Bei Anna taucht derweil ein neuer Patient auf; Carlos Dante, der durch sein Verhalten ihr besonderes Interesse weckt. Vor allem, als sie von ihm sonderbare E-Mails erhält, die eine Verbdinung zu dem Bestatter-Fall erkennen lassen.
Aber der Leser erfährt auch einiges über sie und ihre problematische Beziehung zu ihrem Vater und ihr erste Begegnung mit Christian Beyer.
Christian Beyer denkt derweil oft an seinen Sohn Jan (20), der in L.A. lebt. Beyer vermutet, dass sein Sohn schwul ist und hat Angst, dass dieser den Kontakt zu ihm abbricht.
Alle Charaktere des Romans sind sympathisch (mit allen Ecken und Kanten) dargestellt und unterhalten den Leser auf spannende und menschliche Weise.
Besonders eindringlich schildert die Autorin die Rückblicke aus der Sicht der Missbrauchten, in Fragmenten ihrer gequälten Kindheit und beweist, dass dazu wenig Worte notwendig sind. Dennoch oder gerade wegen ihrer minimalistischen Schilderungen der Missbrauchhandlungen und Empfindungen der Jungen rütteln gerade die kurzen Passagen aus Sicht der Opfer auf. Sie bringen die Pein gequälter Kinderseelen unter die Haut gehend rüber, weiß man doch das ist leider keine Fiktion.
Die seltsamen Geschehnisse in einem Musterhaus, zeigen deutlich, wie bröckelig die Fundamente der sozialen Ordnung sind und die gesellschaftliche Bigotterie. Gewürzt mit der zynischen Feststellung: Das Geschäft mit Kindern läuft besser als das mit Häusern.
Somit handelt es sich hier nicht um einen der üblichen Krimis, sondern um ein Thema, das verfolgt man die Medien, leider brisanter denn je ist und das noch schonungslosere Maßnahmen besonders in der Rechtsprechung erfordert.
MARINA HEIB verquickt geschickt und intelligent eine flotte Krimihandlung, führt ein interessantes SOKO-Team ein und eine nicht minder interessante Psychologin und handelt die Themen Kindesmissbrauch, Kinderhändlerring, Kindersex-Mafia angenehm sachlich und wenig reißerisch ab.
Das weiße Licht ist in seiner titelgebenden Bedeutung Sinnbild der Unschuld, der Unschuld der Seele, aber auch das Ventil für des Opfers, das durch den Blick in das weiße Licht der Kamera, die fremden Männer und das was sie mit ihm tun, auszublenden vermag.
Der Kreis um den Verdächtigen wird schließlich immer enger. Doch ist er wirklich der Bestatter? Ist auch Anna in Gefahr?
Fragen über Fragen und natürlich ist auch in diesem Krimi von MARINA HEIB zum Schluss alles ein wenig anders ...
Dieser Roman erschien bereits 2006 im Piper Verlag und wurde nun letztes Jahr neu aufgelegt und optisch auch auf die beiden Folgebände abgestimmt. In Anbetracht dessen, dass erfreulicherweise weitere Titel rund um Christian Beyer und sein Team herauskamen (und hoffentlich noch weitere folgen), ist es sehr bedauerlich, dass bei der Neuauflage von Weißes Licht der Text nicht einheitlich zu den anderen Titeln ebenfalls zeitgemäß in die neue Rechtschreibung umgewandelt wurde. Auch bedauerlich, dass die Buchrücken der drei Titel nicht einheitlich sind. Hat man auf den ersten beiden Bänden unten noch kleine Motive (was sehr ansprechend aussieht), wurde darauf beim dritten Band (Tödliches Ritual) verzichtet.
Das ist aber auch der einzige kleine Minuspunkt, der diesen thematisch wertvollen Krimi nicht schmälert, denn ansonsten ist die Aufmachung stimmig: Format, Papier, Satz, Covermotiv, Preis-Leistungsverhältnis.
Fazit: Eindringliches Portrait eines aufgrund seines Missbrauchs in der Kindheit zum seelisch entgleisten herangewachsenen Mannes/Täters ohne reißerisch daherzukommen. Absolut empfehlenswert!
03. Dez. 2009 - Alisha Bionda
Der Rezensent
Alisha Bionda
Balearen
Website: http://www.alisha-bionda.net
Total: 395 Rezensionen
März 2018: keine Rezensionen
Autorin, Herausgeberin, Redakteurin, Journalistin, Rezensentin, Agentin
Alisha Bionda wurde in Düsseldorf geboren und lebt seit 1999 auf den Balearen. Die Autorin beendet ihren Tagesablauf nachts am Meer - bis zum 23.05.2009 mit ihrer afghanischen Windhündin Jamila, die dann leider über die Regenbogenbrücke “gegangen...
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