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Professor Zamorra 33: Krieg der Amulette
Mit dem dreiunddreißigsten Professor Zamorra Hardcover legt Christian Schwarz einen vielschichtigen, auf mindestens drei Handlungsebenen parallel laufenden Zamorra- Roman vor, in dem gleichzeitig wichtige Fakten der inzwischen umfangreichen Serienhistorie beleuchtet, geschichtliche Legenden wie die Artus- Saga in einen neuen Kontext gestellt und eine gegenwärtige Handlung präsentiert werden.
Christian Schwarz geht nicht nur der Frage nach, wie Merlins Stern die sechs anderen Amulette auf deren Hintergründe geht der Autor in den zahlreichen, eher Fragmenten ähnelnden Nebenhandlungen des Buches ein bezwang. Dabei beginnt die Geschichte nicht mit dem Putsch der Schurken um Asmodis gegen den ursprünglichen Herrn der Hölle und seinen Bruder Merlin, sondern viel früher. Der Versuch, Jesus zu verführen scheitert und dessen Prophezeiung, das das Böse niemals gegen die Gottgläubigen Menschen gewinnen kann, wird im Verlaufe des kurzweilig zu lesenden Buches mehrmals auf die Probe gestellt. Nach seiner Ausbootung etabliert Merlin insgesamt zweimal Schutzwälle gegen den Einfluss der bösen Kräfte, in dem er Sterbliche mit jeweils einem der sechs Amulette ausstattet. Schon Artus Vater scheiterte an seinen fleischlichen Gelüsten. Geschickt benutzt Christian Schwarz bekannte Elemente der Legende, bei denen sich der Autor eher auf John Bormans Excalibur als auf die Romane eines T.H. Whites bezieht, um sie überzeugend und für den Leser auch nachvollziehbar in das Zamorra Universum zu integrieren. Dabei sind die einzelnen Episoden atmosphärisch dicht, wenn auch wie der ganze Roman stellenweise zu kompakt und deswegen hektisch wirkend geschrieben worden.
Auf der Gegenwartsebene wird Zamorra nach Prag gebeten, wo die Tochter eines reichen Prager Unternehmens entführt worden ist. Augenscheinlich scheint es wieder schwarze Messen und Leichenschändungen auf dem alten Prager Judenfriedhof zu geben. Zamorra reist mit Nicole nach Prag und erfährt vom Verlobten der Entführten, das die junge Frau ein Kind erwartet und die dämonischen Kräfte es auf den Ungeborenen abgesehen haben. Bei seinen Nachforschungen wird Zamorra schnell von den geschickt agierenden dunklen Mächten in die Irre und schließlich in die Falle gelockt. Es ist dabei erstaunlich, wie überzeugend und geschickt Christian Schwarz mit der Erwartungshaltung seiner Leser spielt. Auch die aus dem Nichts heraus materialisierenden Fakten sind in kurzen Episoden vorbereitet worden. Zamorra steht kurz vor der Auflösung des Falles, als ihm buchstäblich sowohl der Boden unter den Füßen weggezogen wird als auch die dunklen Mächte sich zu erkennen geben. Auf sein magisches Arsenal kann der Professor nicht zurückgreifen, da dessen Kräfte schon im Vorwege ausgeschaltet worden sind. Sympathische Nebenfiguren werden dabei für den Leser teilweise sehr überraschend geopfert und entpuppen sich im entscheidenden Moment als Gegenspieler. Dabei hat sich Christian Schwarz sehr viel Mühe gegeben, diese Figuren zumindest oberflächlich zu entwickeln und ihnen einen Augenblick des Triumphs vor Ausbruch des kosmischen Chaos zuzugestehen. Anfänglich steht Christian Schwarz Professor Zamorra noch eine aktive Rolle zu, bevor er im Chaos der untergehenden Spiegelwelten, des Konfliktes zwischen den Amuletten mit ihren sehr unterschiedlichen Kräften und dem Wechsel nach Myrrian-ey-Llyrana den Leser förmlich mit Informationen und Ereignissen überhäuft.
Im Gegensatz zu einer Reihe anderer Hardcover der Professor Zamorra Reihe wie zum Beispiel den experimentellen Desaster Zyklus wendet sich Krieg der Amulette in erster Linie an Leser der parallel laufenden Heftromanserie. Zwar versucht Christian Schwarz mit einzelnen Fußnoten die nicht regelmäßigen Serienleser auf den gleichen Wissensstand zu bringen, aber vor allem auf den letzten Seiten fällt es teilweise schwer, der Handlung wirklich zu folgen. Das liegt auch teilweise an dem Versuch, diesen sehr umfangreichen Plot mit einem Standardlänge aufweisenden Roman zu erzählen. Nach einem soliden, dank der sehr kurzen Kapitel gut strukturierten Auftakt verlaufen die Artus- Ebene und die Zamorra Handlungsebene parallel. Dabei wirkt insbesondere der in der Vergangenheit spielende Plotbogen eher wie eine geraffte Zusammenfassung und gibt dem Leser kaum die Möglichkeit, wirklich die einzelnen legendären Figuren aus Christian Schwarz Sicht kennenzulernen. Erstaunlich ist allerdings, dass Merlin trotz seiner weitreichenden Kenntnisse Entwicklungen wie Mordreds im Grunde dämonische Schläferaktivitäten komplett übersieht und damit Artus Untergang aktiv begeleitet. Die Gegenwartsebene entwickelt sich nicht ungeschickt, aber über weite Strecken fast wie eine Parodie auf die Handlungsklischee zahlloser Mysterygeschichten. Der Leser ist in diesem Fall den Protagonisten eine Haaresbreite voraus, kann aber aus den einzelnen Versatzstücken sich auch kein komplettes Bild machen. Die Dämonen, die zum wiederholten Male nach einem ungeborenen Baby greifen, der Welteroberungsplan und die großartige Verschwörung wirken im vorliegenden Buch fast anachronistisch, um wirklich ernst genommen zu werden. Kaum hat der Leser diese Versatzstücke akzeptiert, gelingt Christian Schwarz das Kunststück, an dem die Desaster Tetralogie grandios gescheitert ist: die bekannte und lang gehegte Idee der Spiegelwelten im Grunde im Vorbeigehen fast untertrieben zu zerstören und in Professor Zamorra einfach nur noch Entsetzen und Trauer zu hinterlassen. Das Ende des Buches ist offen und eine Fortsetzung in Form einer weiteren vielschichtigen Geschichte wäre wünschenswert.
Im Vergleich zu vielen anderen Mystery- Geschichten greift Christian Schwarz im Verlauf von Krieg der Amulette sowohl auf König Artus als auch seinen Vater Uther Pandragon wie auch Jesus von Nazareth, Merlin und Asmodi oder Professor Zamorra und Nicole zurück. Trotz der Komplexität des Plots wirken einige Passagen wie der Dialog zwischen Jesus und Asmodi bestechend pointiert geschrieben und ihnen wird ausreichend Raum gewährt. Die verbalen Geplänkel zwischen Nicole und Professor Zamorra sind mit warmen ironischen Untertönen geschrieben und in den insbesondere im historischen Großbritannien spielenden Episoden bemüht sich Christian Schwarz, seinem Stil etwas Getragenes den Mythen und der Legende entsprechendes beizumischen. Dagegen hat die Reporterin mit dem beispiellosen Druck, jeden Tag eine neue die Auflagen in die Höhe treibenden Story zu finden, etwas Klischeehaftes. Die Figur ist nicht sonderlich gut gezeichnet und auch die eitle Rache der Verlobten, mit dem widerlichen Ex-Freund in die In- Kneipen zu ziehen, wirkt angesichts zahlloser Flirtmöglichkeiten im Internet etwas zu gestelzt und zu konstruiert. Im Verlaufe des Plots trennt sich Christian Schwarz aber auf seine unterschiedliche Weise von diesen eindimensionalen Nebenfiguren.
Zusammengefasst ist Krieg der Amulette trotz der unrund erscheinenden Balance zwischen verfügbarer Seitenanzahl und noch abzuarbeitenden Themen insbesondere gegen Ende des Plots hin eine der stärksten Veröffentlichungen der Professor Zamorra Reihe in den letzten Jahren. Faktisch ungewöhnlich dicht funktionieren die verschiedenen Ebenen sehr gut nebeneinander. Der Krieg der Amulette ist auf den ersten Blick verwirrend, denn an der ersten Front stehen immer noch die Menschen bzw. die übernatürlichen guten, bösen und ambivalenten Mächte, die über verschiedene Dimensionen und Spiegelwelten den inzwischen archaischen Konflikt um die Herrschaft über die bzw. diese Welten austragen. In diesem Punkt funktioniert der Roman ausgesprochen gut und bietet kurzweilige, interessant und innovativ gestaltete Unterhaltung auf überdurchschnittlichem Niveau.
15. Mar. 2010 - Thomas Harbach
Der Rezensent
Thomas Harbach

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