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Seelen und Ziele

SEELEN UND ZIELE

Kurd Laßwitz
Buch / Sachbuch

Dieter von Reeken
Kollektion Kurd Laßwitz
Beiträge zum Weltverständnis
Nachdruck der 1908 erschienenen Aufsatzsammlung im Neusatz. Hardcover (laminierter Pappband, Kapitalband, Lesebändchen), 241 Seiten, 3 Reproduktionen
25,00 € — ISBN 978-3-940679-33-8

Mit “Seelen und Ziele” liegt in der Kollektion Kurd Laßwitz des Verlages Dieter von Reeken die nur einmal 1908 veröffentlichte Sammlung von Aufsätzen und Vorträgen in Neuauflage vor. Auch wenn der Autor in seinem kurzen, präzisen Vorwort expliziert ausdrückt, das “Seelen und Ziele” alleine gelesen werden kann, steht der Band nicht nur argumentativ in einem sehr engen Zusammenhang mit der schon neu veröffentlichten Sammlung “Wirklichkeiten”. Beide Sammlungen sind von Kurd Laßwitz selbst zusammengestellt worden. Der Autor sieht sie als erläuternde Begleittexte zu seinem literarischen Gesamtwerk, wobei einzelne Texte zwischen 1869 und 1910 außerhalb der Kollektionen veröffentlicht in zwei v on Dieter von Reeken exklusiv für diese Gesamtausgabe zusammengestellten Essay- Bänden zur Verfügung stehen. In “Wirklichkeiten” liefert Kurd Laßwitz einen Beitrag in erster Linie zu seinem philosophischen Weltverständnis aus der Perspektive der reinen Naturwissenschaften und schließlich auch der Mathematik ab. Erst nach einer ausführlichen Grundlagendiskussion hat der Autor den Bogen zu seiner Idee der beseelten Natur geschlagen.

Der insgesamt siebte Band der Abteilung II “Sachbücher, Vorträge, Aufsätze” beginnt mit einem langen Essay über das “Rätsel der Zeit”. Kurd Laßwitz beginnt mit den Weiten des Universums und versucht über die Unendlichkeit des Universums auf die Geschichte der Menschheit und schließlich ein Menschenleben, besteht aus einer begrenzten Anzahl von Augenblicke überzuleiten. Während er die zeitlosen Träume mit ihrer Fülle von Endrücken und Visionen als notwendiges Beiwerk charakterisiert, wirkt der Versuch, das subjektive Zeitempfinden zu beschreiben, eher schulmeisterisch und ein wenig hilflos. Kurd Laßwitz zeigt mit seinem Essay, wie schwer es ist, etwas “Natürliches”, “Alltägliches” ins Bewusstsein seiner Leser zu rücken und als Grundlage für die folgenden Theorien zu nutzen. Auf der anderen Seite ist der Text alleine durch den Versuch, kosmische Entfernungen und menschliche Vergänglichkeit gegenüber zu stellen, ungewöhnlich modern und mit einem leicht naturalistischen Ansatz versehen. Im folgenden Essay “Neue Räume” baut Kurd Laßwitz noch viel stärker auf die Thesen, die er für “Wirklichkeiten” überzeugend entwickelt hat. Zum einen stellt er die vierte Dimension den drei gegenüber. Der Mensch empfindet das Vergehen der Zeit anders als die meßbaren Breiten, Höhen und Längen. Es ist zumindest laut der nachfolgenden These der Mathematik zu verdanken, das die Zeit bestimmbar, aber nicht kontrollierbar geworden ist. Dabei führt er insbesondere die neueren Erkenntnisse der Wissenschaft immer wieder auf die schon bestimmten Grundgesetze und Grundprinzipien zurück und versucht zwischen auf ihnen fußenden Gedankenmodelle zu relativieren. Zum einen negiert Kurd Laßwitz die Idee, das eine Dimension im Grunde ohne die anderen bestimmbar ist, zum anderen setzt der Autor das “Alter” mit Erfahrung gleich und zeigt wie in seinen literarischen Werken auf, das insbesondere die kosmisch- außerirdische Zivilisationen - dabei reicht der Spektrum von den esoterisch angehauchten “Völkern” der beseelten Natur bis zur marsianischen Zivilisation in “Auf zwei Planeten”, die älter als das Menschengeschlecht und damit auch weiser/friedfertiger, wenn auch nicht perfekt ist - nicht entwicklungstechnisch, aber nicht unbedingt hinsichtlich ihrer Wurzeln vom Menschengeschlecht in Perfektion unterscheiden. Mit kurzen Lebensabrissen der beiden Philosophen Giordano Bruno und Fechner versucht Kurd Laßwitz auf den ersten wichtigen Themenkomplex der Sammlung - die menschliche Seele wie auch die beseelte Natur - überzuschwenken. Mit Fechners Theorien hat sich Kurd Laßwitz mehrfach intensiv beschäftigt und auch eine inzwischen in der “Kollektion Laßwitz” veröffentlichte Biographie geschrieben. Im Verlaufe seiner späteren Erkenntnisse ist Laßwitz etwas von Fechners Idealen abgerückt und hat versucht, dessen Grundideen mit seiner mathematisch- wissenschaftlichen Vorbildung in eine andere Richtung zu extrapolieren. Die Abrisse der wichtigsten Gedanken und insbesondere im Fale des Italieners Giordano Bruno auch dessen Kampf gegen die Dummheit seiner Mitmenschen geben einen kurzen, etwas oberflächlichen Eindruck in die umfangreichen Thesen der beiden Philosophen. Da Kurd Laßwitz im Verlaufe der folgenden, aufeinander aufbauenden Essay auf beide mehrfach zurückkommt, ist diese Oberflächlichkeit zu verschmerzen. Den Mittelteil der Sammlung bilden die Grundlagen des Lebendigen und der Biologie. Damit legt der Autor wert auf einen gänzlich anderen Fokus als in den auf Grundlage der Physik und Chemie argumentierenden “Wirklichkeiten”. Kurd Lasswitz beginnt zwar mit einem der Naturelemente – dem Feuer – geht aber schnell sowohl auf das subjektive Empfinden – Schmerz – bzw. Reize über. Sehr bildhaft stellt der Autor verschiedene natürliche wie experimentelle Prozesse gegenüber um schließlich verschiedene Thesen Richard Semons zu beweisen. Im zweiten Teil dieses Abschnitts „Die Grundlagen der Biologie“ beginnt Lasswitz bei Aristoteles – die Griechen haben auch in „Wirklichkeiten“ das Fundament seiner Thesen gelegt – und nutzt für die Biologie die bestehenden Ideen. Der Bruch von der Amöbe zur schließlich beseelten Natur als expressives Mittel der (intellektuellen) Freiheit ist ein wenig krass und im Gegensatz zu anderen Abschnitten der vier bislang vorliegenden Essaybände bestimmt in diesem Artikel das Ziel den Weg und nicht anders herum. Im Vergleich zu Kurd Laßwitzs literarisch verspielten Werken wirkt er hier ein wenig zu bemüht, fast verkrampft, als argumentiere er nicht gegen die eigene Überzeugung, aber zumindest sich am Rand der Starköpfigkeit bewegend wie Don Quixote gegen die wissenschaftlichen Windmühlen seiner Zeit. Kaum bewegt sich Kurd Lasswitz in sein literarisches „Spezialgebiet“ der Pflanzen - bzw. wie der Überschrift ausdrückt „Planetenseele“, wirkt sein persönlicher Elfenbeinturm argumentativ wieder sicherer, vielleicht verspielter als sein umfangreiches romantisch naturalistisch gefärbtes Werk effektiver begleitend. Etwas krampfhaft vergleicht der Autor später die Tierseelen und Seelen der Naturvölker im Vergleich zur europäischen Zivilisation. Die Unterscheidung erinnert ein wenig zu stark an das falsche Sendungsbewusstsein insbesondere der Europäer inklusiv Laßwitz´s Preußen gegenüber den neu annektierten Kolonien und dem falschen Glauben, Ihnen in Form der Zivilisation das Licht der Kultur zu bringen. Im Vergleich zu anderen auch literarischen Werken vor dem Ersten Weltkrieg bleiben die vaterländischen Exzesse oberflächlich und wirken eher bemüht, sie sind aber insbesondere im Abschnitt über die Naturvölker und ihre „mindere“ Kultur erkennbar. Viel lesenswerter ist Kurd Lasswitz dazwischen geschobener Vergleich von „Spiel und Instinkt“ und „Instinkt und Leben“. Es ist schade, das Kurd Laßwitzs seine überzeugend herausgearbeiteten Grundlagen nicht wirklich konsequent und vor allem wissenschaftlich neutral extrapoliert. Der Bogen zur Kultur als Konsequenz des ständigen Hinterfragens und Dazulernens bis zu Kant – auch mit Kant hat sich Lasswitz in separat publizierten umfangreichen Schriften mehrmals auseinandergesetzt – ist dagegen wieder ideologisch unbefrachtet und für den Leser dank einer schnörkellosen wie präzisen Argumentationskette gut nachvollziehbar. Das Schlusskapitel bildet der Vergleich zwischen Kant und Goethe als zwei sehr konträre Extreme des kulturellen Denkers sowie Schiller als – im übertragenen Sinne – Befreier und Verfechter eines absoluten Freiheitswillen. Die letzte Argumentation ist insbesondere aus der Distanz von mehr als einhundert Jahren und den Grundlagen einer parlamentarischen Demokratie lesenswert und sollte unbedingt nur im historischen Kontext ohne Verurteilung einer gewissen „politischen“ Naivität verstanden werden.

Auch wenn Kurd Lasswitz in seinem Vorwort ausdrücklich erklärt hat, das „Wirklichkeiten“ wie auch „Seelen und Ziele“ unabhängig voneinander gelesen werden können, bilden sie die beiden Säulen von Kud Laßwitzs philosophischen Gedankenmodell der beseelten Natur als Konsequenz, aber nicht unbedingt als Abschluss einer über Jahrtausende andauernden Entwicklung, in deren Mittelpunkt der „moderne“ selbstständig denkende Mensch steht. Die einzelnen Essays sind für die 1908 erschienene Sammelausgabe von Kurd Lasswitz wahrscheinlich hinsichtlich ihrer Argumentationsketten überarbeitet worden. Bis auf die angesprochene Konstruktion am Ende des Abschnitts „Grundlagen der Biologie“ sind Laßwitzs Thesen mit einem gewissen Abstand und Verständnis insbesondere für die politische Naivität auch heute noch lesenswert und für ein tieferes Verständnis insbesondere seines Spätwerkes elementar. Wie alle anderen Bände der Kollektion Lasswitz hat sich Herausgeber Dieter von Reeken wieder sehr viel Mühe gegeben, den Text möglichst behutsam aus der Frakturschrift zu übertragen und mit einem in diesem Fall deutlich kürzeren Vorwort versehen für die Nachwelt zu erhalten.

28. Mar. 2010 - Thomas Harbach

Der Rezensent

Thomas Harbach
Deutschland

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