Wächter der Tiefe
In drei Kilometern Tiefe war der Ozean so tiefschwarz, dass die Außenscheinwerfern nicht weit reichten. Und doch entdeckte Crane ein eigenartiges, ätherisches Leuchten, das entgegen aller Logik von unten zu kommen schien, anstatt von oben. Er beugte sich vor, starrte hinunter und hielt den Atem an.
Hals über Kopf wird der Marinearzt Dr. Peter Crane von der Firma AmShale auf die gigantische Bohrinsel Storm King vor Grönland beordert. Schon beim Eintreffen erkennt der ehemalige Marinearzt, dass hier kein Öl gefördert wird. Die mehrere Stockwerke umfassende Bohrinsel ist voll gestopft mit Labors und Militärpräsenz. Doch das eigentlich Interessante befindet sich 3000 Meter tiefer auf dem Grund des Meeres: Deep Storm, eine unterseeische Forschungsstation, modernster Bauart (Stellen Sie sich eine große Forschungsstation vor. 12 Stockwerke hoch. Voll mit ultramoderner Technik und Ausrüstung. Besser als alles was Sie kaufen können. Und all das am Meeresboden.), die keinem geringeren Zweck dient, als den untergegangenen Kontinent Atlantis zu bergen. Cranes Anwesenheit wird benötigt, da sich einige unerklärliche Krankheitsfälle auf Deep Storm ereignet haben, die auf den ersten Blick keine Verbindung aufweisen.
Das faszinierende an dieser Art Romane sind die geistigen Ergüsse der Autoren. Immer neue Wunder, immer noch abstrusere und phantastische Ideen, die dann - mal mehr, mal weniger in ein Gerüst an wissenschaftlichen Fakten gepresst werden, auch wenn das bedeutet, die Naturgesetze mal zu beugen. In etwa also das Gleiche, das Dan Brown macht. Doch immerhin will der Leser und die Leserin (in diesem Fall Hörer und Hörerin) unterhalten werden und wenn man sich vorbehaltlos auf einen solchen Stoff einlässt bekommt man durchaus einige spannende Stunden geboten.
Aus diesem Grund überzeugen diese Art Romane auch kaum durch wissenschaftliche Akkuratesse und Nachvollziehbarkeit. Viel eher faszinieren sie durch die immer neuen, immer unglaublicheren Wunder, die sich die wissenschaftlich motivierten Autoren ausdenken um die wissenschaftliche Welt immer wieder ins Wanken zu bringen und die tatsächliche Welt immer wieder neuen, phantastischen Gefahren auszusetzen. Lincoln Child gibt sich in WÄCHTER DER TIEFE allerdings nicht mit der Erde zufrieden sondern platziert gleich unser komplettes Sonnensystem unter einem Damoklesschwert interstellarer Unvernunft. Denn natürlich wartet nicht Atlantis unter der Kruste des Meeresbodens auf seine Entdeckung sondern etwas weitaus gefährlicheres.
Schritt für Schritt nähert sich Crane der Auflösung des Rätsels, das die verschiedenen, rätselhaften Vorkommnisse auf der Station verbindet. Allerdings ist ein Mitraten des Hörers wie etwa in einem Krimi aufgrund der immer phantastischer werdenden Haken, die die Story schlägt, gar nicht möglich. Und doch ist der Handlungsverlauf in groben Zügen leicht vorhersehbar und absolut reißbrettartig. Bereits als Peter Crane beim Abtauchen zu Deep Storm, dem Rettungsboot ansichtig wird, weiß man, dass sich unser Held zum Finale in genau diesem wieder finden wird, um in letzter Minute von der der Zerstörung anheim gefallenen Station zu fliehen.
Die Handlung besteht aus immer neuen Hinweisen, die Peter Crane verfolgt, wissenschaftliche Rätsel, die zu lösen sind, militärischer Widerstand, der zu umgehen ist, eingebettet in die Personenvorstellung zu Anfang und die Zerstörung der Station am Ende. Auf diese Art kann ein Autor einen Roman beliebig lang oder kurz gestalten.
Peter Crane selbst ist ein aufrechter Amerikaner mit einem Bilderbuchlebenslauf, der stets das Richtige tut, bei niemandem anecken will und doch überraschend schnell die Rolle eines Wortführers übernimmt. Auch die Rollen der anderen Personen auf dem Schiff sind schnell verteilt und die Grenzen klar. Überraschenderweise erlaubt sich Lincoln Child ausgerechnet in den Reihen der Militärs Grautöne. Dafür zaubert er gegen Ende flugs eine Gruppe Ökoterroristen aus dem Ärmel, denen die Ehre zukommt, für die Vernichtung von Deep Storm verantwortlich zu sein. Offensichtlich wurde diese Radikalen einzig dazu eingeführt, damit sich Childs Held nicht die Hände schmutzig machen muss. Etwas mehr Mut zum moralischen Dilemma hätte dem Roman sehr gut getan.
Detlef Bierstedt, bekannt als Synchronsprecher von George Clooney, Bill Pullman und John C. Reilly, liest die Hörfassung des Romans tadellos. Sofort ordnet man diese sympathische Stimme Peter Crane zu. Doch es gelingt ihm auch, durch leichte Färbungen in der wörtlichen Rede, die anderen Personen wiedererkennbar zu machen.
19. Apr. 2010 - Elmar Huber
Der Rezensent
Elmar Huber

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März 2018: 10 Rezensionen
(* 1972) kann sich noch dunkel an den "phantastischen Film" im Nachtprogramm des ZDFs erinnern, der damals (nicht zuletzt aufgrund des Zeichentrickvorspanns) schon eine gewisse Faszination ausübte.
Literarische Phantastik-Leseversuche folgten mit John Sinclair, Professor Zamorra und Stephen King. Auf der nachfolgenden Suche nach...
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