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Wendernoacht
Die Bewohner, so sagt man, waren eigensinnige Leute und ließen kaum Einflüsse von außen auf ihre Gemeinschaft zu. Auch die Christianisierung ging an diesem Ort vorbei. Die Bewohner hielten stets an ihren verwurzelten Gottheiten fest.
Der junge Schriftsteller Arved Richter sucht die Abgeschiedenheit, um in Ruhe an seinem Buch arbeiten zu können. Das Angebot des Bürgermeisters der kleinen Gemeinde Maldenrath kommt ihm deswegen gerade recht. Für eine Spottmiete kann er eine verlassene Schäferkate übernehmen. Wichtig wäre uns, dass es insbesondere im Winter bewohnt bleibt.
Die anfänglicher Freundlichkeit der Dorfbewohner wandelt sich zunächst in Gleichgültigkeit und dann, als Arved Richter beginnt, Fragen nach dem Vormieter der Kate zu stellen, sogar in Feindseligkeit. Das Tagebuch seines Vormieters, das Arved bei Renovierungsarbeiten findet, und das nachdrückliche Interesse des Bürgermeisters an diesem Buch, geben weitere Rätsel auf.
An Wendernoacht, der Nacht vom 14. November, zu der in Maldenrath Runkelrüben ausgehöhlt und mit Kerzen bestückt werden, werden die bösen Geister ausgetrieben und vorzugsweise Fremde geopfert, die niemand vermisst. Eine weitere Geschichte, in der eine Halloween-Variante als Alibi für eine vorhersehbare Gruselgeschichte herhalten muss, sollte man meinen. Der Autor verlässt in so fern die ausgetretenen Pfade, dass er die Wurzeln der Bedrohung, der sich Arved Richter gegenübersieht, in einer vorchristlichen Zeit verankert, die ihre eigenen Götter hat. Auch verlegt er den Schrecken in ein gottverlassenes Kaff im Taunus, in dem ganz eigenen Regeln gelten. Damit ist WENDERNOACHT ein willkommenes Gegenstück zum amerikanischen Vorstadthorror, der sonst für Halloweengeschichten herhalten muss.
Freilich hat Olaf von der Heydt das Rad nicht neu erfunden. WENDERNOACHT erinnert sogar frappierend an die Geschichten und Protagonisten eines Michael Siefener. Das beginnt mit dem Namen der Hauptfigur (Arved Winter ist der Held einiger Romane von Siefener), geht weiter mit den Örtlichkeiten (ein vorbelastetes Gebäude in einem von der Zeit vergessenes Örtchen im Taunus, bei Siefener in der Eifel), ein Rätsel, dessen Ursprung weit in die Vergangenheit reicht und ein Ende, an dem sich der Held mit den Auswirkungen dunkler Mächte konfrontiert sieht, auf die er keinen Einfluß hat. Dennoch ist das Ganze für den geneigten Hörer sehr kurzweilig ausgefallen. Die Figuren sind hinreichend gut gezeichnet, nicht so sperrig wie bei Siefener, die Bedrohlichkeit wird schrittweise erhöht und das Ende bietet nochmals eine Überraschung sowie eine nachvollziehbare Erklärung für das unheilige Treiben.
Die Sprecher machen ihre Sache trotz einer gewissen Gestelztheit insgesamt gut und überzeugen in ihren Rollen. Allen voran Hörfabrik-Stammsprecher Oliver Theile als Arved Richter. Die Produktion ist kein Effektgewitter wie Dorian Hunter, alles ist zwei Nummern kleiner. Lässt man sich auf die Geschichte ein, stört das nicht weiter.
Alles in Allem ein gelungenes Einzelhörspiel, dass sich zwar thematisch das ausgelutschte Halloween-Thema zunutze macht, dieses aber mit eigenen Ideen ergänzt und so durchaus unterhaltsam macht. Kein Blockbuster, aber ein gelungenes B-Hörspiel, von dem Fans des Genres nicht enttäuscht werden. Für Michael Siefener-Fans eine absolute Empfehlung.
11. Mai. 2010 - Elmar Huber
Der Rezensent
Elmar Huber

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März 2018: 10 Rezensionen
(* 1972) kann sich noch dunkel an den "phantastischen Film" im Nachtprogramm des ZDFs erinnern, der damals (nicht zuletzt aufgrund des Zeichentrickvorspanns) schon eine gewisse Faszination ausübte.
Literarische Phantastik-Leseversuche folgten mit John Sinclair, Professor Zamorra und Stephen King. Auf der nachfolgenden Suche nach...
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