|
Der Feuerrohr- Priester
Auch wenn sich Sandobals erotisch martialisches Titelbild eher auf die actionhaltige Schlusssequenz bezieht, in der Jo Zybells Protagonist Ariel Ruben Lewis schon seinen Spitznamen Feuerrohrpriester erhalten hat, erinnert der ganze Roman an sich eher an Normans Gor Romane denn einen normalen Beitrag zu Maddrax Serie. Frauen werden gefesselt und geopfert. Mal ist es nur ein hinterhältiger Trick, um die eigene Bevölkerung aufzufüllen, da inzwischen sieben Männer auf jede Frau kommen, später sind es Fischmonster - der Leser weiß, wer gemeint ist -, die wahrscheinlich Jungfrauen opfern. Wenn nicht gefesselt und geopfert wird, sind die Sklavinnen nicht selten attraktiv und willig. Es ist eben eine barbarische Zeit, die Zybell in seiner Bunkerchronik beschreibt. Hier liegt auch das größte Problem des vorliegenden Romans begraben. Der Stoff spricht den Leser angesichts zahlreicher plottechnischer Variationen zu wenig an. Im Vergleich zu den ersten Chronikromanen Zybells fehlt eine gewisse Dynamik. Als Heroic Fantasy mit wenigen Anlehnungen bei der dank des Meteoriteneinschlages aufs Rudimentärste reduzierten Technik wirkt der Stoff zu gleichmäßig, zu wenig dynamisch und stellenweise einfach langweilig. Eine Kürzung um rund ein Drittel und vor allem eine breiter aufgestellte Plotentwicklung hätten dem Roman sehr gut getan. Ebenso wirkt übertrieben, das Ariel Ruben Lewis jedem den es interessiert oder auch nicht - vom Renntier bis zur Sklavin - erzählt, das er eigentlich wegen Meuterei zum Tode verurteilt worden ist und im letzten Augenblick dank Hilfe von außen fliehen konnte. Einmal oder zweimal reicht vollkommen aus, das Zybell diesen Aspekt in der weiteren charakterlichen Entwicklung nicht mehr extrapoliert. Die schrägen Dialoge mit den gefangenen Tieren werden vom Autoren im Verlaufe der Handlung einfach beiseite geschoben. Diese Vorgehensweise wirkt nicht konsistent genug, um eine Basis für den Roman zu bilden. Warum führt Lewis seine kruden Selbstgespräche später nicht in der anfänglich vorgeführten Form weiter? Der schräge Humor hätte den Roman an einigen anderen wichtigen Stellen auflockern können.
Ein Teil der Chronik ist eine klassische Hommage an Kiplings Werk Der Mann, der König sein wollte, ohne allerdings dessen tragisch ironisches Ende zu wiederholen. Zum Teil gegen seinen Willen steigt Lewis schließlich dank seiner Fähigkeit, die rudimentäre aus den Tagen vor dem Kometeneinschlag stammende Technik bedienen zu können, zu einer Art König/ Gott auf. Er herrscht über einen kleinen Stamm unter anderem mit dem Vorzug, zwei Frauen sein Eigen zu nennen. Das schließlich diese Herrschaft unsanft unterbrochen wird und Lewis später mit den Reverends - immer noch eine der besten Ideen des Maddrax- Komos im Namen des Herren durch die Welt zieht, zeigt die andere, nicht unbedingt dunkle Seite einer Karriere. Der Leser verfolgt das Geschehen auf dieser Handlungsebene fast ausschließlich aus Lewis Perspektive, der allerdings nach einem soliden bis ironisch überzeichneten Auftakt an Format verliert. Jo Zybell arbeitet nicht immer überzeugend eine Reihe von Ecken und Kanten seiner Charaktere heraus, es fehlt dem Roman in dieser Hinsicht irgendwie der krönende Abschluss, der Ich- Punkt. Teilweise wird Lewis zu naiv bieder beschrieben. Er ist kein Antiheld, trägt aber auch den Plot nicht auf seinen Schultern. Zumindest macht Jo Zybell nicht den Fehler, ihn alleine in der ihm anfänglich noch unvertrauten Gegend außerhalb des Bunkers nur auf die Geschehnisse reagieren zu lassen. Insbesondere im Mittelteil gewinnt er über seine verschiedenen Aktionen an charakterlichem Format und Tiefe. Das Happy End ist zuckersüß, vielleicht ein bisschen übertrieben, aber stellt im Vergleich zu den zuletzt insbesondere auch in der Heftromanserie zu nihilistischem Grundtönen eine solide Ausgangsbasis für die nächsten Abenteuer Lewis und seine neuen Weggefährtin dar.
Auf der zweiten Handlungsebene erfährt der Leser in erster Linie durch Tagebuchaufzeichnungen, die nicht selten auf die entsprechenden historischen Ereignisse überleiten sowohl vom geheimnisvollen Menschen verachtenden Viking Projekt als auch die tragische Generationen übergreifende Geschichte der verschiedenen Watongas. Jo Zybell hat mehr als einmal bewiesen, das er ein überzeugender Chronist ist. Ihm gelingt es, wichtige Ereignisse der Maddrax Serie distanziert, aber auch emotional ohne kitschig sowie pathetisch zu werden zu beschreiben. Dabei verbindet der Autor die einzelnen Tagebuchaufzeichnungen sehr gut mit den eigentlichen Plot. In Form von General Amot Stonebreaker Roots, einem der Verantwortlich für das Viking Projekt, baut Zybell einen interessanten, brutalen, aber auch sehr vielschichtigen Antagonisten auf. Es ließe sich argumentieren, das der schon auf der ersten Seiten angebrachte Hinweis, das Roots tot ist, Spannung negierend ist. Aber die Ereignisse um das Viking Projekt sind so intensiv und packend beschrieben, das der Leser diesen frühen Hinweis eher unter schicksalhaft abbucht als bei der Lektüre der Ereignisse immer drüber nachdenkt. Wie Roots und Lewis gemeine bzw. unterschiedliche Schicksale zusammenhängen, arbeitet der Autor ungewöhnlich zufrieden stellend, vielschichtig ohne zu belehren heraus.
Stilistisch ansprechend geschrieben stört im Grunde nur Zybells ausgesprochener Hang zur Übertreibung insbesondere der barbarischen Sitten. Der Autor versucht die Ecken und Kanten der frühen Heftromane, in denen ganz bewusst im Gegensatz zu anderen Science Fiction Heftromanserien die verschiedenen Horrorelemente, nicht selten bis ins Groteske übersteigert, eine wichtige Rolle spielten, wieder zu beleben. Dabei wirkt sein Versuch weder wie Fisch noch Fleisch. Dagegen hätte das Viking- Projekt als Ganzes sowie das Leben/ Überleben der verschiedenen Bunkerfamilien noch ausführlicher - siehe Zybells zweiten Maddrax Hardcover, in dem er fast perfekt die Balance aus distanzierter Berichtserstattung des Chronisten und emotional aufrüttelnden Höhepunkten einer über viele Generationen andauernden Entwicklung hervorragend getroffen hat -, noch intensiver beschreiben können und müssen. Viele der Nebenfiguren wirken teilweise ein wenig zu eindimensional, zu klischeehaft angelegt. Der Zaubermond- Verlag hat ihm einen um dreißig Seiten größeren Umfang zugestanden, den Zybell nicht immer wirklich konsequent und folgerichtig nutzt. Der Feuer- Rohrpriester ist kein schlechter Roman. Wie die letzten Chronikromane wie Rulfan ist das Buch handlungstechnisch trotz der Episodenstruktur ausgesprochen kompakt aufgebaut; nur die einzelnen Sequenzen hätten in sich etwas dichter und damit auch intensiver geschrieben werden können. Die einzelnen Spannungsbögen laufen in den letzten Kapiteln sehr zufrieden stellend und überzeugend zusammen. Ein wichtiger Abschnitt in Lewis Lebensgeschichte endet am Ende des Buches und Zybell lässt den Plot nahtlos in die entsprechenden Passagen der laufenden Heftromanserie einfließen. Diese Übergänge beherrscht der Autor in Perfektion. Auf der einen Seite kann der Serienunerfahrene Leser teilweise dem Plot sehr gut folgen. Der Serienleser wird die kleinen, zahlreichen Querverweise auf den ersten Blick erkennen und kann verfolgen, wie viele Mühe sich Zybell insbesondere bei den Details gegeben hat. Wie Rulfan eine unterhaltsame und zufrieden stellende Lektüre, deren Schwächen leider wieder in der Charakterisierung der Nebenfiguren liegt. Manche Subplots hätten auch ein wenig nuancierter und detaillierter ausgearbeitet werden können und vielleicht sogar müssen. Zusätzlich wird leider das durchgängige Machogehabe selbst der dümmsten Barbaren leider durch keine wirklich überzeugend entwickelte Frau ad absurdum geführt wird. Hier hätte eine schöne Barbarin mit scharfen Schwert oder eine Sklavin, die sich als vielschichtige Figur mit einer verschlagenen natürlichen Intelligenz oder zumindest überlebensnotwendigen Instinkten herausstellt, sowohl die Protagonisten als auch die Leser überrascht.
27. Jun. 2010 - Thomas Harbach
Der Rezensent
Thomas Harbach

Total: 732 Rezensionen
März 2018: keine Rezensionen
[Zurück zur Übersicht]
|
|