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Die Rätsel von Garden Hall

DIE RÄTSEL VON GARDEN HALL

Buch / Horror

Mit diesem Roman wandelt Robert Kraft sehr nahe an Edgar Allen Poe´s Pfaden, verbindet
aber klassische Abenteuerstrukturen mit einigen skurrilen sowie einer Handvoll unheimlicher Szenen. Wie in vielen seiner Romane spielt die Handlung nicht im heimischen Deutschland, sondern in diesem Fall in England. Die Handlung des Buches spielt um die Jahrhundertwende, als die Konflikte zwischen den beiden europäischen Großmächten noch nicht so ausgeprägt waren. Trotzdem erkennt der Leser die für ein preußisches Publikum entwickelte Konstellation des ein bisschen naiven, aber im Herzen reinen und positiv entschlossenen Deutschen, der auf ein dunkles Geheimnis eines englischen Lord stößt und schließlich hinter den Mauern eines alten Herrenhauses den sittlichen Verfall eines Teils der englischen Kolonialmacht mitverfolgen kann.

Ein junger Mann aus Deutschland findet drei Tage nach seiner Einreise nach England in einem abgeschiedenen und abgeschotteten Schloss eine Stelle als Hauslehrer und gleichzeitig Hausarzt. Der residierende Lord hat vor Jahren seine beiden Beine verloren und sitzt im Rollstuhl. Seine fünfzehnjährige Tochter kennt nur das Haus und den darum liegenden Garten. Sie hat ein naives, fast kindliches Wesen. Schon zu Beginn wird dem neuen Hauslehrer ein seltsamer Vertrag angeboten. Für ein Jahr muss er sich verpflichten, das Grundstück nicht zu verlassen und mit der Außenwelt nur schriftlich zu korrespondieren.
Nach den ersten Stunden mit seiner Schülerin verliebt er sich in diese und mit dem Segen ihres Vaters sind die beiden schnell verheiratet. Diese Hochzeit befreit einen Teil eines ungeheuren Erbes aus den Bedingungen des Testaments. Trotz dieses ungewöhnlich herzlichen Empfangs mehren sich die Zeichen, dass hinter den nicht mehr vorhandenen Türen in der riesigen Villa unheimlichere Geheimnisse lauern.

Der Roman ist mit etwas mehr als 200 Seiten im Kleinformat sehr konzentriert geschrieben. Robert Kraft verschwendet keine Zeit auf Exposition, der Leser kommt mit dem die Handlung tragenden Protagonisten fast direkt auf dem Anwesen Garden Hill an. Einige kurze Informationen des Gastwirtes, in welchem er die Nacht verbracht hat, geben keinen Aufschluss. Danach verlässt das Buch nicht mehr die eingeschränkte Ich-Perspektive, obwohl der Autor die Geschichte in der dritten Person erzählt. Trotzdem baut Robert Kraft nur an wenigen Stellen eine wirklich intensive oder bedrohliche Atmosphäre auf- das eigentliche Ende seines Buches signalisiert er schon viel zu früh und offenkundig. An einigen Stellen lässt er bewusst klassische Ansätze der Gruselroman liegen und konzentriert sich eher auf eine Lösung im Stile ehrenwerter Gentlemen.

Zu Beginn der eigentlichen Handlung werden dem Arbeitssuchenden Hauslehrer einige der Absurditäten des Herrenhauses und seiner Bewohner erläutert: sollte es zu einem Brand kommen, darf unter keinen Umständen gelöscht werden. Er muss seine Korrespondenz zu festen Zeiten in einen hausinternen Briefkasten werfen und erhält seine eigene Post erst Stunden nach der Anlieferung. Das der Hausherr jegliche Post kontrolliert, erkennen absichtlich vom Autoren so inszeniert Leser und Protagonist sehr schnell. Den eigentlichen Zusammenhang kann Kraft sehr lange im Verborgenen halten. Die überraschende Auflösung dieses Handlungsstranges im Zusammenhang mit den anderen Ereignissen überzeugt.

Die zweite Idee, dass im Schloss verschiedene Frauen gefangen gehalten werden, wirkt arg konstruiert und in dieser Konstellation unwahrscheinlich. Über kürzere Zeit durchaus verständlich, kann Robert Kraft gegen Ende seines Buches zwar auf gängige Haremspraktiken verweisen, aber die eigentliche Logik nicht erläutern. Interessanter, aber deutlich weniger unheimlich und gruselig wäre es, von einzelnen Frauen zu berichten, die in oder um Garden Hill verschwunden sind. Zu sehr stehen die konstant umfangreichen Lebensmittellieferungen und die Personenanzahl in einem Widerspruch.

In engem Zusammenhang mit dieser Ebene steht auch das absurde Verhalten des Lords, der sich zwar als liebender Onkel mit väterlicher Zuneigung erweist, dessen Intention geschickt als Fassade vom Autoren aufgebaut worden ist. Es ist schade, dass Kraft nicht die Geduld gehabt hat, diesen elementaren Faden vorsichtig ans Tageslicht zu bringen, sondern die Form einer abschließenden Beichte wählt. Zu viele interessante Ansätze, mit Rückblenden unterstrichen, gehen so in diesem kurzen Werk verloren.

Bei seinen Protagonisten konzentriert sich Robert Kraft auf drei zum Teil liebenswerte, aber auf jeden Fall absonderliche Charaktere. Der Lord von Garden Hall mit seiner Körperbehinderung wirkt wie ein misstrauischer, vom Leben enttäuschter und unfreiwillig nach einem Leben voller Abenteuer an ein Haus geketteter verbitterte Mensch. Die in seiner Obhut lebende junge Ruth träumt von einem Haus voller Kinder, die sie umsorgen kann. In ihrer Unerfahrenheit hat sie keine anderen Vorstellungen vom Leben außerhalb des Gemäuers und schließlich der Hauslehrer möchte im Grunde aus seiner stupiden Existenz ausbrechen. Nachdem er eine kleine Erbschaft durchgebracht hat, zieht es ihn nach England – in die nächste zivilisierte Ferne. Erst in der Mitte der Handlung verrät uns der Autor dessen größten Herzenswunsch seiner Figur: Detektiv zu sein. Darum zieht ihn das Rätsel dieses Hauses und seiner Einwohner wie magisch an. Im Grunde liegt er mit einigen seiner Vermutungen sehr nahe an den eigentlichen Geheimnissen dieses Ortes, doch an der eigentlichen Lösung hat er keinen Anteil und die Vergangenheit enthüllt ein sterbender Mann als letzte Beichte. Das Robert Kraft Detektivgeschichten gelegen haben und er sie sich vom deduktiven Standpunkt eines Sherlock Holmes angegangen ist, unterstreichen seine vielen Arbeiten um den Detektiv Nobody.

Obwohl einige der Ereignisse barbarisch und roh wirken, verzichtet der Autor auf jegliche Schockeffekte. Wie in den klassischen britischen Gruselgeschichten entwirft er eine sehr breite und interessante Ausgangssituation, beschreibt detailliert das farbenprächtige Ambiente, scheut sich nicht, auf die inzwischen abblätternde Farbe des britischen Imperiums hinzuweisen und lässt die eigentliche Handlung dann mit einer Überraschung beginnen. Fast schon mit boshafter Freude spielt er mit der Prüderie der britischen Gesellschaft und entblößt die Erbschleicherei durch Mitgiftjäger als das obszönste denkbare Verbrechen. Mit einem interessanten Dopplereffekt am Ende des Buches wird er dieses Fehlverhalten zumindest in diesem Handlungsstrang ad absurdum führen. Das die Offenheit, mit der Robert Kraft auch das Halten von Sklavinnen als Sexobjekte anspricht und die rücksichtslose Egomanie eines Teils des britischen Imperiums entlarvt, vor knapp 100 Jahren schockierender und sensationeller als heute gewirkt hat, steht außer Frage. Trotzdem wirken diese Szenen –obwohl innerlich unlogisch – auch nach dieser Zeit noch kraftvoll geschrieben und interessant gestaltet. Nur durch die nachträgliche und indirekte Entdeckung baut der Autor eine gewisse Distanz zwischen Tat und Leser auf. Damit vermeidet er sicherlich auch Konflikte mit den damals schon vorhandenen Zensoren.

Der Roman liest sich sehr kurzweilig und unterhaltsam. Ein umfangreicherer Rahmen, eine intensivere Beschäftigung mit den einzelnen Figuren und ein vielschichtigeres, nicht wie bei den Poe´schen Kurzgeschichten avisiertes und deswegen unabwendbares Ende hätten der Geschichte gut getan. Trotzdem eine originelle Variation der klassischen Haunted House Geschichte mit den Charakteristika des Detektivromans.


Robert Kraft: "Die Rätsel von Garden Hall"
Roman, Hardcover, 212 Seiten
Edition Ustad im KMV 2005

ISBN 3-7802-1073-8

12. Jan. 2007 - Thomas Harbach
http://www.sf-radio.net/buchecke/horror/isbn3-7802...

Der Rezensent

Thomas Harbach
Deutschland

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