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Die Xothic-Legenden

DIE XOTHIC-LEGENDEN

Buch / Horror

Nach einigen Schwierigkeiten mit dem Übersetzer liegt inzwischen der ominöse dreizehnte Band mit den gesammelten Lovecraft Geschichten Lin Carters im Rahmen von Festas Bibliothek des Schreckens vor. In den letzten Jahren wurde das literarische Werk Carters immer weiter abgewertet und seine Neuentdeckungen als Herausgeber des „Herrn der Ringe“ und anderer klassischer Fantasywerke wie von Lord Dunsany hervorgehoben. Als jahrelanger Herausgeber der „Year´s Best Fantasy“ Bände hat er ein gutes Gespür für junge aufstrebende Talente, aber auch etablierte Autoren, die eine Renaissance verdient hätten, entwickelt.
Der Cthulhu Spezialist Robert M. Price, selbst Autor und Anthologist , hat sich viel Mühe mit dieser Originalsammlung gegeben und die Texte von Lin Carter nicht nur zusammengefasst, sondern erstaunlich offen und kritisch analysiert. Dabei macht er nicht den Fehler vieler anderer Kritiker, die in Carters Geschichten Ähnlichkeiten zu Lovecraft suchen und nichts wirklich zu würdigendes fanden, sondern er analysiert die Texte eigenständig. Dabei kommt er zum Schluss, dass Lin Carter zwar kein Erneuerer Lovecrafts gewesen ist, sich seine Texte aber zumindest auf eine gehobene Art von den unzähligen Epigonen unterscheiden. Das Material, das Carter wieder verwendet, entfremdet er gleichzeitig. Seine Geschichten sind direkter, geradliniger und in seinen Texten stimmt die Mischung aus Action und Atmosphäre. Bewunderer des ursprünglichen Mythos werden mit diesen Geschichten Probleme haben. Wer mit Neugierde und einer gewissen Offenheit an dieses Werk herangeht, wird angenehm überrascht werden. Im Gegensatz zu vielen anderen, zum Teil prämierten und erfolgreichen Autoren wie Michael Shea hat Lin Carter auch den Mut, das Universum fortzuschreiben und sich so seine eigene kleine Nische zu erschreiben.

Lin Carter bezieht sich mit der Mehrzahl seiner Geschichten auf existierende Literatur. Trotzdem nutzt er Ideen und Elemente, die weder H.P. Lovecraft benutzt hat, noch die in den inneren Kreis dieser Saga integriert werden konnten. Dabei geht es um den Konflikt zwischen den Großen Alten und den Älteren Göttern. Der Leser konnte bei Lovecraft diese oft kryptischen Zusammenhänge mehr ahnen als studieren. Die auch von Autoren wie August Derleth praktizierte Zuordnung in den Gesamtkosmos wirkt unharmonisch und negiert die exzellente Atmosphäre, die den Texten des ursprünglichen Schöpfers zugrunde gelegen hat. Dabei macht es sich Lin Carter nicht leicht, diese unterschiedlichen Ebenen in einer Reihe von Kurzgeschichten zu behandeln. So liegen seine Schwerpunkte bei dem Großen Alten Zoth-Ommog, den Zanthu-Tafeln, sowie deren Entdecker Copeland. Dazu kommt das Sanbourne Institut, das Ziel verschiedener dunkler Mächte ist. Damit schließt sich zumindest vordergründig der Kreis zu den unheilvollen, uralten Einflüssen, aber Lin Carter weicht – vielleicht durch seine literarischen Wurzeln bedingt – viel zu oft auf die Klischees heroischer Fantasy-Geschichten mit unendlich vielen unterschiedlichen Schrecken aus.

Einige der hier vorliegenden Texte lassen sich kaum von den Originalen oder besser den Werken der zweiten Generation um August Derleth trennen. Zu eng verknüpft Lin Carter dessen Intentionen mit seinen eigenen Ambitionen. Dabei unterscheiden sich die Geschichten in erster Linie von ihrem stilistischen Ansatz, aber weniger von der vielschichtigen, dunklen Atmosphäre und dem Inhalt. Auch in der „Gemeinschaftsproduktion“ nach einem Fragment von H.P. Lovecraft „Die Glocke im Turm“ kommt Lin Carter seinem in diesem Bereich literarischen Vorbild sehr nahe. Je weiter sich Lin Carter vom eigentlichen Universum der Großen Alten entfernt, um so mehr nähert er sich klassischen Abenteuerautoren gemischt mit direkten Anspielungen auf die Pulps der dreißiger Jahre. Bei der Lektüre einiger der Texte entsteht vor dem inneren Auge des Lesers ein Bild, das den low budget Filmen der dreißiger Jahre ähnelt. Lin Carter strahlt trotz der dunklen Vorgänge eine überraschende erzählerische Aura aus. Wie ein Fan mit glänzenden Augen verwirklicht er seinen persönlichen Traum.

Das Lin Carter nicht alles ernst nimmt, zeigen die Verweise in einer Geschichte auf Hugo Gernsback und sein Magazin „Amazing Stories“ oder „Der Winfield-Nachlass“, in der sich fiktive Charaktere des Lovecraft Universum mit Anspielungen auf real existente Autoren abwechseln. Oft hat der Leser das Gefühl, dass diese Parodien von den Kritikern mit Unverständnis aufgenommen worden sind und so zum Teil zur schlechten, fast feindseligen Gesinnung Carters Geschichten gegenüber beigetragen hat. In den hier vorliegenden Chroniken trägt der humoristische Tonfall, in dem Robert M. Price die einzelnen Texte einleitet und kommentiert, zum gelungenen Gesamteindruck der Sammlung um den Episodenroman „Terror out of Time“ bei. In zu vielen Sammlungen versucht sich der Herausgeber belehrend in den Vordergrund zu spielen und würdigt den eigentlichen Inhalt der Sammlung herab. Hier versucht Price, Carters Geschichten im richtigen Licht darzustellen und dem Leser objektiv die Möglichkeit zu geben, sich ein eigenes Bild der Texte zu machen. Hinzu kommt eine Vielzahl von wichtigen Informationen, die es ermöglichen, auch Unkundigen Lovecrafts die Geschichten in der inzwischen verschlungenen fiktiven und realen Historie einzuordnen.

In Bezug auf die vorherrschenden Stilelemente und stilistischen Eigenheiten wirken die Fähigkeiten Carter beschränkt. Nicht nur ähneln seine Plots, die einzelnen bestimmenden Handlungskomponenten und Strukturen denen Lovecrafts, August Derleths oder Clark Ashton Smith, sie finden ihren Widerklang auch im Werk Brian Lumleys. Carters Werk wirkt wie ein „Who is Who“ des Cthulhu- Mythos, dazu die Neubearbeitung von Ideen und Plots. Auf zwei wichtige Ideen konzentrieren sich die vorliegenden Texten : die unheilvolle Erbschaft, die von den gerade Verstorbenen eher vorsätzlich zum Schaden der nächsten Generation weitergegeben worden ist und die Expedition und damit verbunden das Schicksal eines Individualisten, der eine nicht zu beschreibende Bedrohung hervorruft. Im Gegensatz zu seinen Vorbildern schließt Lin Carter den Kreis und erläutert das, was Lovecraft nur andeutet. Das wiederholt sich mehrmals und wirkt spätestens nach der zweiten Geschichte ermüdend. Zumal die großen Ideen ausbleiben.

Dafür nutzt er die gesamte Bandbreite der Erzählperspektiven. Vorherrschend sind Tagebucheintragungen – möglichst unvollständig – und Artikel. Diese Erzählform schafft immer eine Distanz zwischen Leser, dem Protagonisten und schließlich dem Erzähler. Das mindert bei schwächeren Autoren die Spannungskurve, schließlich muss er auf jeden Fall die Ebene wechseln, um die in der Story vorherrschende Vergangenheit – die gefundenen Aufzeichnungen – in eine effektive Bedrohung für den Leser dieser Aufzeichnungen im Rahmen der Handlung umzuwandeln. Entweder materialisiert die aufgeschriebene Bedrohung in einer neuen Inkarnation oder die bisherige Ebene wird durchbrochen und die jeweilige Gegenwart für zur neuen Realität.
Bei der Ich-Erzählerperspektive ist der übergeordnete Leser dicht, bei Horrorgeschichten fast zu dicht am Geschehen dran. Diese fast intime Berührung mit dem grausamen Geschehen macht einen auch heute noch fassbaren Teil der Faszination Lovecrafts aus. Man verfolgt das Geschehen nur aus der Perspektive des Erzählers. Oft verletzen Autoren die auch sie einschränkenden Gesetze dieses Stilmittels, sowohl Lovecraft als auch Carter halten trotz allem Schwierigkeiten durch. In einem Text allerdings - „Etwas im Mondlicht“ - greift der Autor zum Hilfsmittel der unzuverlässigen „Ich-Perspektive“. Der Leser weiß mehr als der Ich-Erzähler und mit einer Mischung aus boshaftem Humor und sadistischer Freude dreht Carter die Spannungsschraube an. In den besten Geschichten möchte der Leser seinen Helden mit Schaudern vor den Gefahren warnen, kann es allerdings nicht. Dieser feine Unterschied zur normalen Ich-Erzählung arbeitet Carter in dieser auch sonst sehr interessant und gut zu lesenden Geschichten klassisch heraus.


Ebenfalls kann der Versuch Puristen nicht überzeugen, Storys zu integrieren, die nicht in dieser mythologischen Welt spielen, sondern vorgaukeln, ein Teil dieses Mythos zu sein. Lin Carter macht allerdings nicht den Fehler, Teile des Necronomicons zu schreiben. Er konzentriert sich auf die so genannten Zanthu- Tafeln. Dabei wirken alle Zitate dieser Tafeln austauschbar, die oft fremdländischen, aber nicht Furchterregenden Namen steif und schwerfällig. Je mehr er den Mythos mit seinen authentischen Zitaten zu entzaubern sucht, desto langweiliger werden die Texte.

Andere, mehr eigenständige Geschichten sind deutlich kraftvoller, überzeugender konzipiert und komponiert. Dabei umschifft er die Klippe des Plagiats und erzählt in verschiedenen Würdigungen der klassischen Pulp-Geschichten geradlinige, kriminalistisch angehauchte Ermittlungen, die direkt in den Wahnsinn führen. Stellvertretend sei zum zweiten Mal auf den Text „Der Winfield-Nachlass“ hingewiesen. Neben den unzähligen Zitaten und Anspielungen bemüht sich Carter, eine eigenständige Handlung zu konzipieren. Ausgangspunkt wieder eine verhängnisvolle Erbschaft, die schließlich zu einer fast Weltbedrohenden Entdeckung führt und deren Ende der Wahnsinn ist.

„Die Xothic-Legenden“ sind keine klassischen oder gar amateurhaften Plagiate der alten Meister. Diese von Lin Carter mit leichter Hand und feinem Spürsinn für die Originale geschriebenen zwölf Geschichten sind ein Beweis dafür, dass nur stetige Weiterentwicklung des Cthulhu-Mythos diesen am Leben erhalten kann. Jeder Autor spricht in dem abgegrenzten Universum eine neue Generation von Lesern an. Wer in den achtziger Jahren zu diesen Kurzgeschichten gegriffen hat, wird sie als modern, spannend und phasenweise unnötig kompliziert aufgenommen und goutiert haben. Ein moderner Mensch wird auf den ersten Blick also mit diesen anscheinend so oberflächlich gestalteten Storys mehr anfangen können als mit den meisten Texten eines August Derleth oder Aston Clark Smith. Erst danach wird ihm in den ursprünglichen Texten eine gänzlich anders gestaltete und dunklere Welt offeriert, in der der Schein über das Sein die Oberhand gewonnen hat.

Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren hat Lin Carter sich damit begnügt, eine würdevolle Hommage zu schreiben, sondern viele dieser Ideen neu zu interpretieren. Für diesen Mut gehört ihm der Respekt der Leser und auch der Anhänger der klassischen Geschichten, ob diese Neuinszenierung für jeden Leser verträglich ist, muss der Einzelne entscheiden. Die Geschichten in dem ansprechenden Gewand sind deutlich besser als der Ruf, den sie sich in den letzten Jahren negativ erworben haben. Das gilt allerdings auch für den Autoren Lin Carter...

Lin Carter: "Die Xothic-Legenden"
Roman, Hardcover, 317 Seiten
Festa Verlag 2005

ISBN 3-9358-2254-5

12. Jan. 2007 - Thomas Harbach
http://www.sf-radio.net/buchecke/horror/isbn3-9358...

Der Rezensent

Thomas Harbach
Deutschland

Total: 732 Rezensionen
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