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Sei verflucht, Coco Zamis!

SEI VERFLUCHT, COCO ZAMIS!

Buch / Horror

Mit dem zwölften Coco Zamis Sammelband scheint sich eine weitere Änderung im Team anzubahnen. Neben dem Debüt von Markus Kastenholz übernimmt zumindest für diesen Band Uwe Voehl das Handlungsexpose. Auch wenn Ernst Vlcek mit seinen Ideen die letzten Bände durchaus lesenswert und interessant gestalten konnte, scheint Uwe Voehl nach seinem bislang bekannten Werk eine passende Alternative zu sein. Er könnte dieser Horrorserie mit seinem insbesondere ausgefallenen Gespür für atmosphärische Strömungen neue Impulse geben und vielleicht den inzwischen eher in den Hintergrund geratenen Konflikt mit Asmodi beenden und eine neue Handlungsebene / neues Blut einführen.

Nachdem das Zentrum von Wien und die Menschen darin versteinert worden sind, will Coco Zamis nur noch fliehen. Der erste Flug aus der Praterstadt in die Weite nicht versteinerte Welt ist ihr recht. Und nachdem sie sich ein Ticket als Diplomatin erschlichen und damit wahrscheinlich die scharfen Passkontrollen umgangen hat, führt der Weg sie nach Kalkutta. Aber nicht alles auf diesem Flug scheint perfekt zu sein. Von den eher spartanisch charakterisierten Mitreisenden über die Geister bis zum ominösen Jahr 1973 bemüht sich Markus Kastenholz in „Todesflug“, dem Stoff Atmosphäre und Spannung abzuringen. Die Traumsequenzen sind zwar effektiv geschrieben, ragen aber so deutlich über die ansonsten geradlinige Handlung heraus, dass sie schnell als irrationale Träume erkannt werden können.
Außerdem beißt er sich in dieser Idee fest. Das zeugt nicht unbedingt von Vertrauen in die schriftstellerischen Möglichkeiten, Angst und Schrecken zu verbreiten.
Den beengten Raum – das kann insbesondere bei Angst induzierten Geschichten ein Vorteil sein – als Bedrohung nutzen und eine kontinuierliche Desorientierung seiner Figuren anstreben funktioniert nur in einigen wenigen Passagen. Insbesondere die Vermischung zweier Schicksalsflüge ist sehr gut beschrieben. Leider wiederholt Markus Kastenholz einige Sequenzen einmal zu oft – das erste Mal funktioniert es gut, dass zweite Mal wird weder der Leser noch der betroffene Charakter wirklich überrascht. Diese spürbare Abnutzung hemmt die Handlungsentwicklung insbesondere im Mittelteil der Geschichte. Gegen Ende des Textes ist die Auflösung zu einfach und die Beseitigung der Bedrohung ein Antihöhepunkt. Warum die bis dato entwickelten Fäden – warum überschneiden sich wirklich diese beiden Flüge? Hätten die lebenden „Toten“ aus der einen Zeit in die andere übergreifen können? Kann eine Bombe wirklich zwei Ebenen zerstören? – so kampflos aus der Hand geben und mit einem seichten, vollkommenen unbefriedigenden Ende auf den mittleren Roman überleiten? Auch die Charakterisierung der Hauptperson ist enttäuschend. Wen man bedenkt, dass Coco Zamis wahrscheinlich mit der Versteinerung eines ganzen Stadtkerns eine neue Art der Bedrohung kennen gelernt hat, agiert sie besonnen und unterkühlt. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass sie ihre Kräfte nicht gänzlich nutzen kann. Später wird sie zum wiederholten Mal von einem Dämonen missbraucht. Mehr als leichtes Entsetzen scheint sie nicht mehr dafür zu empfinden. Es fehlt insbesondere bei ihrem Charakter der folgerichtige Schritt auf die nächste Stufe ihrer Entwicklung als Hexe. Irgendwann sollte die „junge Hexe“ schon aufgrund ihrer mannigfaltigen Erfahrungen erwachsen werden und weitere Emotionen zeigen können.
Im Mittelroman „Das Dämonenschwert“ ist von ihren eingeschränkten Kräften nicht mehr die Rede und aus purer Hilfsbereitschaft nutzt sie ihren Zeitbeschleuniger, um ein junges Mädchen vor einem fetten, schmierigen pädophielen Schänder zu retten. Allerdings hat es Christian Montillon deutlich leichter als Markus Kastenholz. Ihm steht mit Kalkutta eine der faszinierenden Metropolen dieser Welt zur Verfügung. Auf einem Stadtrundgang lernt Coco Zamis die Armenviertel genauso kennen wie einen Abstecher zu den touristischen Attraktionen. Unabhängig von der Handlung ist es natürlich leichter, eine so fremdartige Stadt als Charakter zu entwickeln als ein Linienflugzeug auf dem Weg durch die Nacht. Leider hat der Autor die undankbare Aufgabe, das Füllmaterial zwischen der Einführung und dem Höhepunkt dieser Sammlung – Uwe Voehls dunklem, fast perversen „Betaphor“ darzustellen. Er nimmt allerdings den für diese Serie nicht unbekannten, aber in dieser Häufung ungewöhnlichen Sadismus gegenüber Frauen – in diesem Fall zwar als übernatürliche (?) Botschafterin Jaya und das Pflanzenwesen Chloe im letzten Teil des Buches getarnt, aber unverkennbar weiblich, gequält von Sadisten und der dunklen Macht unterworfenen Führern – vorweg. Beide Romane zeichnen sich durch Folterungen von Frauen/Wesen aus. Manche Aktionen werden sadistisch detailliert beschrieben, bei anderen erwähnt man nur die unbeschreiblichen Spuren auf den schönen Körpern der Frauen. Um vielleicht jeden Zweifel zu ersticken, dass diese Wesen es nicht doch vielleicht irgendwie verdient haben, quält Voehl höchstens persönlich dank seiner wirklich originellen, aber selten effektiv eingesetzten Schöpfung LaRatte auch die schöne Coco Zamis. Es wäre deutlich effektiver gewesen, nur eine Szene in einen der drei Romane einzubauen. Eventuell hätte man eine Art Resonanzschwingung integrieren können, die es zum Beispiel Coco Zamis ermöglicht, die Qualen nachzuempfinden. Aber in dieser Konstellation wirkt das alles zu primitiv als überzeugend. Insbesondere Uwe Voehls Roman verliert durch die Wiederholung an Effektivität. Ansonsten bietet „Das Dämonenschwert“ einige Informationen über diese wundersame Waffe, Cocos Gegenspieler und schließlich den Abschluss dieser Geschichte.
Natürlich müssen sich auch Zwiegespräche zwischen Asmodis und Toth im Roman befinden, in denen das gesamte Geschehen als Teil des Plans einer sich im Grunde uneinigen Allianz herausgestellt wird. Diese sind unnötig und nehmen der eigentlichen Handlung einen gehörigen Teil ihrer inneren Spannung weg. Warum nicht einfach auf einen Bezug zum übergeordneten Handlungsbogen verzichten?

Christian Montillons Roman ist unauffällig geschrieben. Stilistisch durchschnittlich und handlungstechnisch bemüht, das Wenige auf zumindest die obligatorischen einhundertzehn bis einhundertzwanzig Seiten zu bringen. Nach einem wirklich sehr guten und originellen Beginn konzentriert sich Montillon auf Coco Zamis Fähigkeit des Zeitraffens und nutzt sie ein zweites Mal, ohne das es wirklich zu einem Showdown oder vorläufigen Höhepunkt handlungstechnisch kommt. Es wäre sinnvoller gewesen, den historischen Hintergrund aus Uwe Voehls Teil auf zwei Bücher aufzuteilen und so eine Parallelhandlung von Beginn an zu etablieren.

In „Betaphor“ erläutert Exposeredakteur Uwe Voehl im Alleingang die Wurzeln der indischen Dämonenfamilie und den Beginn des Konfliktes mit Asmodis. Der Exposeredakteur kann aus dem Vollen schöpfen. In seinem Buch schreitet die Eroberung Indiens durch die englischen Invasoren auf zwei Ebenen zurück: militärisch und durch die dunklen westlichen/ als Gegenpol zum christlichen Glauben agierenden Dämonen. Insbesondere die in der Vergangenheit spielenden Passagen mit ihrer Perversität, ihrem Sadismus, dem devoten Pflanzensuccubus und der Unterwanderung der arroganten indischen Dämonenfamilien gehören zu den besten Abschnitten der Serie. Exotik und Gewalt mischen sich zu einer faszinierenden Geschichte. Der Verzicht auf Coco Zamis als unverwundbarer Hauptcharakter tut diesem Abschnitt insbesondere gut. So entsteht eine wirklich bedrohliche Atmosphäre und mit einer morbiden Faszination kann der Leser verfolgen, wie Asmodis Helfer ihren komplexen, durchtriebenen Plan umsetzen. Leider hält Voehl dieses Tempo nicht durch und seine Lösung wirkt wie eine stetige Wiederholung der ersten Romane. Irgendwo order irgendwie braucht man sie doch, die junge Coco Zamis. Und natürlich haben alle auf ihr Erscheinen gewartet.

Indien stellt auch für den bislang eher am gotischen Horror orientierten Uwe Voehl schriftstellerisch und hintergrundtechnisch eine interessante Herausforderung dar. Leider findet der Schöpfungsprozess mehr als einmal ein abruptes Ende. Der Monsunmann mit seinem Projektor ist einer der Kreaturen, über die man mehr lernen möchte, deren Hintergrund genauso interessant ist wie die Art seiner Bedrohung. Leider kappt Uwe Voehl diesen Handlungsstrang genauso schnell ab wie den obligatorischen Showdown. Das Dämonenschwert wird natürlich gefunden und der Dämon natürlich besiegt. Aber ein bisschen mehr Endkampf, ein bisschen mehr Patina und vor allem ein bisschen mehr spannende Action hätte selbst ein zweidimensionaler und klischeehaft dargestellter Dämon wie „Betaphor“ verdient. Ganz deutlich leidet Uwe Voehls Roman nicht unter zu wenigen Ideen, sondern zu wenig Platz, um eine stimmige Balance zwischen dem eigentlichen Dämonenschwertkonflikt und dem facettenreichen Hintergrund zu schaffen. Der im Dezember erscheinende dreizehnte Roman „Geschisterblut“ wird zeigen, ob der ansonsten sehr routiniert vorgehende Uwe Voehl dieses Ungleichgewicht in den Griff bekommt. Das Fazit ist nicht leicht zu ziehen: der exotische Hintergrund Indien, sowie viele Ideen insbesondere im letzten Roman stehen im starken Kontrast zu einer übermäßig sadistischen Behandlung von weiblichen Frauen/ Dämonen, einem eher lethargischen Anfang im Flugzeug mit einer unbefriedigenden Lösung und einem sehr unterdurchschnittlich konzipierten/ geschriebenen Mittelroman. Die Sammlung reicht leider nicht an die sehr guten Bände „Der Dämonenbastard“ und vor allem „Asche zu Asche, Stein zu Stein“ heran.


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Uwe Voehl/ Christian Montillon/ Markus Kastenholz: "Sei verflucht, Coco Zamis!"
Roman, Softcover
Zaubermond 2006

12. Jan. 2007 - Thomas Harbach
http://www.sf-radio.net/buchecke/horror/buch438.ht...

Der Rezensent

Thomas Harbach
Deutschland

Total: 732 Rezensionen
März 2018: keine Rezensionen



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