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Schemen
Bob Jones ist ein ganz normaler junger Mann, ein Durchschnittsamerikaner vom Scheitel bis zur Sohle. Durchschnittliches Aussehen, durchschnittlicher Musik- und Filmgeschmack, vollkommen ohne besondere Merkmale. Gemeinsam mit seiner Freundin Jane wohnt er in einer kleinen Studenten-Wohnung und schon bald bekommt er einen Job bei der Firma Automated Interface Inc. Die Freude über die neue Arbeit wird bald getrübt von den seltsamen Empfindungen, die Bob zunehmend spürt. Sein Abteilungsleiter Stewart schikaniert ihn wo er nur kann, seine Kollegen ignorieren ihn und behandeln ihn bestenfalls mit reservierter Höflichkeit. Und je länger Bob in der Firma arbeitet, desto schlimmer wird es, zumal es ihm nicht gelingt mit Jane über das Problem zu reden. Bob fühlt sich immer isolierter, immer unbeachteter, bis er eines Tages komplett ignoriert wird. Selbst Jane lässt ihn sitzen, so dass die einzigen Kontakte zur Außenwelt lediglich die Bosheiten seines Chefs Stewart sind. Die Erkenntnis trifft Bob Jones wie ein Schlag. Er ist ein Ignorierter, ein Mensch, der so durchschnittlich und normal ist, dass er von seinen Mitmenschen gar nicht mehr wahrgenommen wird. Am Zenit seiner Verzweiflung angekommen, macht er die Bekanntschaft mit Philipe, ebenfalls ein Ignorierter, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Gleichgesinnte um sich zu scharen. Mit ihnen will er eine Terrorzelle gründen, die sich „Terroristen im Dienste des einfachen Mannes“ nennt. Durch diverse Anschläge hofft Philipe so die Aufmerksamkeit seiner Mitmenschen zu erregen, und kurze Zeit später ist Bob bereits fester Bestandteil der Gruppe. Doch die kleinen Übergriffe und Anschläge verpuffen regelrecht, erlangen nicht mehr Aufmerksamkeit, als die Männer die sich verüben. Philipe weiß, wenn sie wirklich wahrgenommen werden möchten, müssen sie skrupelloser agieren, ohne Rücksicht auf Verluste. Als Bob argwöhnt, dass die Dinge außer Kontrolle geraten ist es aber bereits zu spät ... Meinung:Der Name Bentley Little wird in den Medien kaum noch genannt, ohne dass er mit Stephen King verglichen wird und in der Autoren-Vita im Buch wird er sogar als sein Meisterschüler genannt. Nun muss sich allerdings beinahe jeder Horror-Schriftsteller diesen Vergleichen unterziehen und nichtsdestotrotz ist Little ein Autor, der glücklicherweise seinen eigenen Stil pflegt und neue, frische Ideen zu bieten hat. Dabei ist „Schemen“ (The Ignored) sicherlich sein ungewöhnlichster Roman, der Horror-Puristen vor den Kopf stoßen könnte. Die Geschichte stammt aus dem Jahr 1997 und hat bereits einige Jahre auf dem Buckel, was der Intensität und Atmosphäre jedoch keineswegs schadet, erstaunlich ist nur, dass der Autor in Deutschland erst so spät entdeckt wurde. Das Buch ist in drei Teile gegliedert: Teil 1 beschäftigt sich mit Bobs Arbeit bei Automated Interface Inc und seiner langsamer Erkenntnis darüber, wer oder was er eigentlich ist. In Teil 2 bekommt er Kontakt mit den „Terroristen im Dienste des einfachen Mannes“ und verübt mit ihnen jede Menge Anschläge, während in Teil 3 alles auf das surreale, düstere Finale ausgerichtet ist. Gestaltet sich der erste Teil noch als recht gewöhnlicher Horror, so steigert sich die Phantastik von Seite zu Seite und verlangt dem Leser sehr viel Flexibilität ab. Little ist weder Laymon noch Ketchum und auch kein Stephen King. Während diese Schriftsteller den Horror im Alltag meisterhaft zu schildern verstehen, so befasst sich Bentley Little im vorliegenden Roman mit dem alltäglichen Horror. Die Beklemmung und die Abscheu, die Bob Jones bei seiner Arbeit verspürt überträgt sich unweigerlich auf den Leser, der mit dem (Anti-)Held regelrecht mitleidet. Dass der Roman in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Bob geschrieben ist, unterstützt diesen Umstand noch. Dabei passiert im ersten Teil nicht einmal sonderlich viel, doch allein wie der Protagonist erlebt, dass er mehr und mehr ignoriert wird ist unheimlich beängstigend. Der Klappentext der deutschen Ausgabe greift dem Inhalt dabei unangemessen vor, denn unsichtbar sind Bob und seine Leidensgenossen ja keineswegs, nur werden sie eben nicht wirklich wahrgenommen. Im zweiten Teil erlebt das Gefühlsleben von Jones wieder einen Aufschwung als er bemerkt, dass er nicht allein ist und unter Gleichgesinnten sogar etwas wie Glück empfinden kann. Doch schon bald ändert sich seine Wahrnehmung, denn während Philipe und seine Freunde nach und nach alle Skrupel über Bord werfen, sehnt sich Bob nach Ruhe und Frieden. Das hofft er in einer Stadt zu finden, in der nur sogenannte Ignorierte leben. Eine interessante und sehr originelle Idee, die Bentley Little hier einfließen lässt. Obwohl es manchmal den Anschein hat, als ob der Autor seine Idee von den Ignorierten nicht bis in die letzte Konsequenz durchdacht hat. Denn wenn sogar Briefe von ihnen nicht wahrgenommen werden, wie können sie dann am Autoverkehr teilnehmen, ohne dass es zu Massenkarambolagen kommt? Oder wie können mächtige Männer einen Ignorierten zum Bürgermeister machen, um ihn für ihre finsteren Machenschaften zu missbrauchen, wenn sie ihn eigentlich gar nicht wahrnehmen und ergo auch gar nicht das Potenzial hinter diesen Ignorierten erkennen können? Doch dem schiebt Little schließlich einen Riegel vor, in dem er offen lässt, warum die Ignorierten sind, was sie sind. Ob es sich um eine Laune der Natur, eine evolutionsbedingte Mutation oder gar ein streng geheimes Experiment der Regierung handelt, obliegt der Fantasie des Lesers. Immerhin beschäftigt sich Bob Jones durchaus eingehend mit diesen Fragen, ohne allerdings eine Antwort zu erhalten. Auch die Botschaft des Roman bleibt eher unklar. Was will uns der Autor sagen? Ist Durchschnittlichkeit ein Segen und erstrebenswert oder sollen wir alles daransetzen nicht in der gesichtslosen Masse unterzugehen? Immerhin bleibt der Inhalt des Buches nicht ohne Eindruck auf den Leser und regt durchaus zum Nachdenken an. Da der Roman auch noch flüssig geschrieben und fabelhaft übersetzt wurde, ist er für Horror-Fans, die einmal über den Tellerrand schauen wollen absolut zu empfehlen.Aufmachung:Die Umschlaggestaltung sticht sofort ins Auge und hat sogar mit dem Inhalt des Romans unmittelbar zu tun. Papier, Bindung und Satz sind qualitativ hochwertig und auf den Innenseiten des Umschlags findet der Leser nicht nur ein Foto des Autors nebst umfangreicher Vita, sondern auch Pressestimmen und eine ausführliche Inhaltsbeschreibung.Fazit:Ein ungewöhnlicher, surrealer und äußerst origineller Horror-Roman, der durchaus zum Nachdenken und Philosophieren anregt. Bentley Little ist nicht Stephen King, aber mit Sicherheit ein bemerkenswerter Autor mit viel Talent und guten Ideen. 30. Jun. 2011 - Florian HillebergDer RezensentFlorian Hilleberg![]() * 03. März 1980 Im Jahre 1980 erblickte ich in Uelzen, einem kleinen malerischen Städtchen inmitten der Lüneburger Heide, das Licht der Welt. [Zurück zur Übersicht] |
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