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Weihnachten im Stirnhirnhinterzimmer
Ich sage es vorweg: Das SHHZ lässt es immer wieder textlich krachen, so auch in diesem Band – und das ist gut so.
Die Kurzgeschichtensammlung des munteren Berliner Trios startet mit einem VORWORT von Günter Steinmeyer, der eine kleine Anekdote zum Besten gibt: Über Jesus, der nach seinem ersten Weihnachten sieht, dass die Heiligen Drei Könige Boris, Christian und Markolf lediglich Bücher dabeihaben und somit beschließt eine Religion zu gründen, in der es Brauch ist, sich ordentliche Weihnachtsgeschenke zu überreichen ...
Markolf Hoffmann: Schlecht Ruprecht – Am Morgen
Paul, sein Bruder Günni und seine Cousine Klara und deren Schwester Connie warten auf den Nikolaus – Günni erzählt ihnen in düsteren Tönen von Schlecht Ruprecht, dem Handlanger des Nikolaus.
Markolf Hoffmann: Sternenfaust
Hier bietet sich den Lesern ein Weihnachtsmärchen mit grausigem Verlauf und klebriger Moral ... denn in den finsteren Kerkern der Weihnachtsbäckerei Hass müssen angekettete Gnome Zimtsterne backen. Wer nicht eifrig genug dabei ist, wird mit dem dornenbesetzten Schaumschläger gezüchtigt. Bis eines Nachts im Kerker ein besonderer kleiner Gnom geboren wird – Sternenfaust.
Christian von Aster: Dunkle Geschäfte
Der Weihnachtsmann macht mit der Piratenbande „Devil’s Bride“ dunkle Geschäfte der speziellen Art ...
Boris Koch: Die Wichtel des Grauens
Drei Gründe warum ein Mann Weihnachten liebt: Das Fest, das er braucht um über das restliche Jahr zu kommen – z.B. weil er dann endlich mal jeden Tag Sex hat.
Doch dann kommt das Jahr in dem Weihnachtsterroristen – „Wichtel des Grauens“ – seiner Frau die Weihnachtsstimmung vermiesen und der Mann sieht seinen Sex schwinden. Zu allem Überfluss mutiert er auch noch zum X-mas-Man und sein Leben gerät völlig aus den Fugen.
Markolf Hoffmann: Der Gleiß
„Das Leben tötet die Schönheit“ – und der Liebende, Eifersüchtige ...
Grandios geschrieben.
Christian von Aster: Neulich bei den Inuit
Hier erfährt der Leser wie Dänemark beinahe Kanada den Krieg erklärt hätte. Akkikitok McCormack, Inuit-Halbblut und der Fischer Ed Kuminsky stoßen in einem Eisberg auf eine spektakuläre Entdeckung – eine arktische Schneemannarmee.
Eine geile, durchgeknallte Story von Mister von Aster
Boris Koch: Das Waisenhaus, auf das es nie schneite
In einem Waisenhaus leben verflucht, glücklose Kinder – zu allem Überfluss schneit es auf das Waisenhaus nie und es geht die Kunde, die Ursache wäre, dass der Direktor den Weihnachtsmann erschossen habe. Fortan beobachten die Kinder ihn mit Argusaugen.
Lustiges Detail der Story sind der kleine Markolf, Christian und Boris – sozusagen ein kindisches SHHZ.
Markolf Hoffmann: Kleiner Weihnachtsrant (in zwei Sätzen)
Ein Mann auf dem Weihnachtsmarkt beschließt wieder einmal nie mehr einen kommerzgeilen Weihnachtsmarkt zu besuchen.
Herrlich auf den Punkt gebracht was zeitgenössische Weihnachtsmärkte zu bieten haben!
Christian von Aster: Die Rote Horde
Eine weihnachtliche Geschichte in klassischen Kostümen.
Als einer Geldfälscherbande eine Razzia droht, schlüpft ihr Boss in ein Weihnachtsmannkostüm, ein Metzergermeister spielt immer den Weihnachtsmann und erschlägt nach dreißig Jahren seine Frau, zwei Ganoven überfallen als Weihnachtsmänner eine Bank, ein junger Mann befindet sich im studentischen Weihnachtsmann-Einsatz – sie alle treffen in diesem durchgeknallten Weihnachtsmann-Chaos zufällig aufeinander und bilden „Die Rote Horde“. Ihnen gegenüber steht Kommissar Ruprecht mit seiner SEK Weihnachtsmann ...
Boris Koch: Nächtlicher Besuch
Holger Erhardt und seine Frau Mandy werden mit einem nächtlichen Besucher konfrontiert. Dieser liegt in einem Nikolauskostüm tot vor ihrem DVD-Kamin – ist somit mitsamt Geschenksack in die digitale Welt gerutscht.
Markolf Hoffmann: Bescherung
In einem Großraumbüro von sechzig Parzellen finden einige Mitarbeiter ein kleines Geschenkpäckchen vor – mit einer rostigen Schere darin. Dies hat verheerende Folgen für die Beschenkten.
Christian von Aster: X-mas-Bash
Wie Big Bad Boy und General Jihad des Weihnachtsfest retteten.
Sowohl der Glauben an den Weihnachtsmann hat enorm eingebüßt, als auch die Anhängerschaft des Wrestlings – so machen sich beide „Verbände“ Sorgen um die Zukunft, bis der Wrestler „The Claus“ auftaucht, mitsamt seines kleinwüchsigen Managers Mr Elfman ...
Köstlich, köstlich ... z.B. die „Heiligen Drei Amphetaminkönige“, stereoidgestählte Aushilfselfen und mehr.
Boris Koch: Moby Bär
Für eine Jagdexpedition an den Nordpol werden etwa zwanzig „echte, kernige Männer“ gesucht, die einen besonders gigantischen Bären jagen sollen. Wer ihn zuerst entdeckt soll eine Sonderprämie von 10.000 Dollar erhalten.
Von da ab gibt es Tote mit makabren Adventssprüchen versehen – die Männer bekommen es alle mit dem Weihnachtsmann zu tun.
Boris Koch: Die Weihnachtsgeschichte
... nach Lukas und Matthäus erweitert und ergänzt.
Kaiser Augustus ist nicht gut beraten als er auf die Lobbyisten der Tourismusbranche hört, eine Volkszählung steht an, zu der auch Josef und die schwangere Maria aufbrechen ...
Köstlich die Weihnachtsgeschichte in der Sprache und dem Gedankengut der heutigen Zeit zu lesen.
Markolf Hoffmann: Die Gaben des Himmels
Moses und seine Schar in der Wüste Sin. Moses soll sie auf Gottes Geheiß aus Ägypten fortbringen. Die Israeliten beginnen am 15.Tag der Reise zu zweifeln und auch Moses lässt im Gespräch mit seinem Schöpfer erste Anzeichen davon erkennen.
Da lässt Gott als Prüfung „Manna“ regnen, doch die Schar ist zu gierig und das hat Folgen und zieht den Undank der Menschen nach sich.
Christian von Aster: Post aus Weihnachtsmanns Tintenfass – ein besinnlicher Festbrief
Eine wunderbare Story über die allweihnachtlichen Briefe, die knappen Telegramme erkalteter Zwischenmenschlichkeit im Stakkatostil, von weihnachtlichen Karteileichen, Grüßen, wo nur noch die Geste zählt – das alles betrachtet von dem „leitenden Mitarbeiter in Weihnachtsmanns Tintenfass“, die Weihnachtsbriefe verfassen ...
Was mir besonders gefiel, war ein Satz, mit dem auch ich als Rezensentin enden möchte.
„Lassen Sie dieses Fest nicht zu einer schändlichen Butterfahrt verkommen!“ und möchte hinzufügen: „Wohl gesprochen, Christian!“
Fazit: Das ist munter, das ist ideenreich, das ist frech – und nicht nur mit Glühwein bekömmlich. Absolut empfehlenswert!
30. Nov. 2011 - Alisha Bionda
Der Rezensent
Alisha Bionda
Balearen
Website: http://www.alisha-bionda.net
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Autorin, Herausgeberin, Redakteurin, Journalistin, Rezensentin, Agentin
Alisha Bionda wurde in Düsseldorf geboren und lebt seit 1999 auf den Balearen. Die Autorin beendet ihren Tagesablauf nachts am Meer - bis zum 23.05.2009 mit ihrer afghanischen Windhündin Jamila, die dann leider über die Regenbogenbrücke “gegangen...
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