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Die Teufelsanbeter

DIE TEUFELSANBETER
DIE TEUFELSANBETER

Uwe Voehl (Hrsg.)
Anthologie / Horror-Stories

Zaubermond

Vampir-Horror: Band 12
Fester Einband, 448 Seiten

Mar. 2012, 20.95 EUR
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Mit dem vorliegenden zwölften „Vampir“ Anthologieband sowie der folgenden Glücksnummer dreizehn legen der Zaubermond- Verlag und Herausgeber Uwe Voehl ein neues interessantes Konzept vor. Die Kombination von älteren schon als Heftroman oder Taschenbuch veröffentlichten überarbeiteten Texten mit exklusiv für den Sammelband geschriebenen neuen Kurzgeschichten. Uwe Voehl geht in seinem überraschend offenherzigen Vorwort nicht nur auf die einzelnen Texte, sondern vor allem auf die Karriere vieler heute bekannter Autoren aus den Reihen des Fandoms über die Publikation in Fanzines ein. Er bedauert, dass es diese Fanbasis so gut wie gar nicht mehr gibt.

Uwe Voehl zitiert den Autoren des Auftaktromans Kurt Luif alias Neal Davenport in seinem Vorwort. Der Pabel- Verlag wollte unbedingt im Fahrwasser des „Exorzisten“ Erfolges eine vergleichbare Geschichte. Obwohl Kurt Luif mit dem Thema eher wenig anfangen konnte, lieferte er schließlich den aus seiner Sicht nicht ganz zufriedenstellenden Roman „Die Teufelsanbeter“ ab, der in dieser Sammlung nachgedruckt wird.
Der Plot ist ausgesprochen stringent. Ein junges Mädchen wird vor dem Haus ihrer Eltern entführt. Sie wacht gefesselt und von vermummten Männern sowie Frauen umgeben gefesselt auf einem Tisch auf. Sie ist Opfer einer schwarzen Messe. Plötzlich stürzt ein Teil des Hauses ein. Erschrocken bringt der Anführer der Teufelsanbeter das Mädchen zurück. In der gleichen Nacht schleicht sich das wie in Tranche agierende Mädchen zurück zu ihrem Entführer und bringt ihn bestialisch um. Die Adresse hat ihr anscheinend eine übergeordnete Macht eingeflüstert. Sie entfernt sich mehr und mehr von ihren Eltern sowie ihrem Freund, während der Familienhund sich vor ihr zu fürchten beginnt. Die Polizei steht anfänglich bei der Aufklärung des Mordes vor einem Rätsel, während sich das Mädchen einen nach dem anderen Teilnehmer an der schwarzen Messe zu töten beginnt.

Neal Davenport bemüht sich in der ersten Hälfte des Buches, eine dunkle Atmosphäre aufzubauen. Insbesondere aus heutiger Sicht sind die Versatzstücke des Plots schnell etabliert und für die „Vampir“ Leser die gelungene Dämonenbeschwörung inklusiv des notwendigen Exorzismus bewiesen. Die Polizei braucht bei ihren über weite Strecken bodenständig realistischen Mittels länger. Das letzte Viertel des Romans konzentriert sich auf den Exorzismus, wo der Autor im Gegensatz zum Hollywoodhappyend nicht nur Dramatik erzeugt, sondern das Buch auf einer tragischen Note enden lässt. Dieses dunkle Ende entschädigt für eine Reihe von plottechnischen Klischees, die sich neben den brutalen Morden in die zu gedehnte Handlung einschleichen.

Während die ermittelnde Polizei sympathisch eindimensional beschrieben worden sind, überzeugen sowohl das sympathische unschuldige Opfer als auch der nicht katholische Priester, der schließlich statt einer anfänglich beschriebenen Dämonenaustreibung doch einen etwas exotischen Exorzismus durchführt. Neal Davenport hat sich hinsichtlich der Recherche potentieller Dämonen viel Mühe gegeben und überzeugt auch hinsichtlich der „historischen“ Fakten wie auch des Rituals an sich. So liest sich „Die Teufelsanbeter“ auch aus einer Distanz von fast vierzig Jahren immer noch flüssig, überrascht aber handlungstechnisch zu wenig.

Die größte auch qualitative Überraschung ist ein inzwischen vom Autoren überarbeitetes Frühwerk, das im optimalen Schulungsinstrument eines angehenden Schriftstellers, dem Heftroman, veröffentlicht worden ist: Kai Meyers „Das Haus der Kuckucks“. Der Ausgangspunkt der Geschichte erinnert an eine wilde Mischung aus Charles Dickens Atmosphäre mit Waisenkindern, die in eine etwas exzentrische Familie in einem durchaus viktorianisch erscheinenden Zeitalter aufgenommen werden, sowie einem gigantischen Wohngebäude, das an Peakes „Gormenghast“ erinnert. Kai Meyers Roman ist von Beginn an atmosphärisch dicht mit leicht zu unterscheidenden Charakteren ausgestattet. In diese schon aus drei eigenen Töchtern und mehreren Waisenkindern bestehende Familie dringt der neugierige Straßenjunge Christopher ein. Schnell beginnt er die einzelnen Fronten nicht nur gegeneinander auszuspielen, sowie in den abgesperrten Flügel des Hauses einzudringen, in dem eine Macht nach Freiheit und Dominanz gierend aus, deren Vergangenheit eng mit den Erwachsenen der Familie verbunden ist. Die grundlegende Geschichte ist relativ stringent und geradlinig angelegt. Im Gegensatz zu vielen anderen Heftromanen vielleicht auch der grundlegenden Überarbeitung geschuldet hat Kai Meyer den Plot klar strukturiert und hält das Erzähltempo gleich bleibend hoch. Die „Schockeffekte“ steigern sich, wie es sich für die Geschichte eines Eindringlings gehört. Mit Christopher verfügt der Roman über einen klassischen Opportunisten, der Milde mit Schwäche verwechselt und so zu einem willigen Werkzeug von Mächten wird, die er selbst nicht kontrollieren kann. Kai Meyer impliziert handlungstechnisch viel und erhält der Phantasie seiner Leser dadurch den notwendigen Spielraum. Eine schöne bitterböse Geschichte, die – wegen der Überarbeitung fällt ein abschließendes Urteil über die Urfassung schwer – sich gut in Kai Meyers inzwischen signifikantes Werk einpasst.

Nicht zu Unrecht bezeichnet Uwe Voehl Ernst Vlceks Novelle „Die Blutwand“ ein als vergessenes Meisterwerk des psychologischen Horrors. Der Ich- Erzähler sucht eine neue Wohnung. In einem alten Haus trifft er auf eine junge, verwirrt bis leicht verwahrlost aussehende Dame, die ein verkommendes Zimmer direkt neben ihrer Altbauwohnung zu vermieten hat, in der sie mit ihrem Mann lebt. Anfänglich von dem Zimmer abgestoßen übt es doch eine eigenartige Faszination auf ihn aus. Bei den Renovierungsarbeiten ist er der Meinung, auf eine von einer einmauerten Leiche stammende Knochenhand zu stoßen, während seine Vermieterin als angeblich doch frisch gebackene Witwe mit ihrem „Mann“ heftig streitet. Ernst Vlcek zieht den Leser nicht zuletzt dank der geschickt gewählten, ihn in Sicherheit wiegenden intimen Ich- Erzählerperspektive in seinen Bann. Vorbilder waren Roman Polanskis Filme „Repulsion“ und wahrscheinlich auch „Der Mieter“. Das Grauen schleicht sich anfänglich auf einer rein psychologischen Art und Weise in die sich langsam entwickelnde Handlung ein, wobei die Fokussierung auf eine alleinige Perspektive ein objektives Bild verhindert. Dem Leser ist nicht klar, ob der Ich- Erzähler wirklich alle Informationen in sich aufnimmt. Das Ende der Geschichte ist zynisch und dunkel, negiert die vermeintliche Sicherheit des Ich- Erzählers und bestätigt einige bzw. verwirft die offensichtlichen von Ernst Vlcek geschickt in den Texte eingestreuten Spuren.

Der letzte Nachdruck der Sammlung „Verfluchte Märchen“ aus der Feder Timothy Stahls ist ursprünglich als „Professor Zamorra“ Roman 709 als „Märchenfluch“ veröffentlicht worden. Timothy Stahl hat den Roman komplett überarbeitet. Leider überzeugt Stahls eher distanzierter, teilweise eher mechanischer als emotionaler Stil zu wenig. Plottechnisch beginnt die Handlung als eine Art Werwolfszenario mit grausamen Morden an Unschuldigen. Als ein
Amerikaner lebender Deutscher gelingt es Stahl sehr gut, das Lokalkolorit insbesondere des ländlichen Hinterlandes gut zu treffen. Erstaunlicherweise wirken die eigentlichen „Horrorszenen“ dagegen ein wenig steif geschrieben und heben sich negativer vom Hintergrundszenario ab. Geschickt spielt Timothy Stahl mit den entsprechenden Klischees des Subgenres, bevor er nicht nur das Tempo sehr gut anzieht, sondern mit dem Märchenaspekt sowie dem angehenden Horrorschriftsteller, der während der letzten Zuckungen der Pulpmagazine seine Karriere beginnt, neue Aspekte hinzufügt. Obwohl das Ende viele der interessanten Wendungen insbesondere im gut geschriebenen Mittelteil wieder negiert und relativiert, liest sich „Verfluchte Märchen“ sehr flüssig. Die einzelnen Figuren sind dreidimensionaler als in vielen anderen Timothy Stahl Romanen beschrieben und die Abkehr vom einfachen Werwolfszenario hin zu den Titel gebenden, natürlich modernisierten und verfremdeten Märchen hilft dem Plot an entscheidenden Stellen. „Verfluchte Märchen“ fehlt aber als Nachdruck der aus heutiger Sicht fast nostalgisch zu nennende Flair der „Vampir“ Heftromane bzw. Taschenbücher und ist vielleicht als eine Art Bindeglied zwischen „Klassik“ und Moderne zu verstehen.

Christian Endres "Tanz der Teufel" ist die erste "neue" Geschichte der Sammlung. Stilistisch ansprechend folgt der Plot um die frustrierte strippende Studentin eher klassischen Zügen. Wenn man sich bei fremden, düster aussehenden Männern etwas wünscht, sollte man vorsichtig sein, auf welche Formulierungen man zurückgreift. Sonst erfüllen sich die Wünsche auf eine ungeahnte, in diesem Fall perfide Art und Weise. Eine nette Kurzgeschichte, in welcher die Stimmung den zu stringenten, aber zumindest konsequent zynisch zu Ende gedachten Plot überragt. Malte S. Sembtens „Der Problemopa“ und Markus H. Korbs „ Unsittliche Berührungen“ ziehen ihren Horror im Grunde aus den allgegenwärtigen Ängsten vor den Krankheiten im Alter sowie einem gesunden Geist in einem kranken Körper bzw. der Angst, in intimen Situationen wie dem Besuch einer öffentlichen Toilette angegriffen und/oder verletzt zu werden. Malte S. Sembtens unangenehm genaue Beobachtungen der harten Arbeit der Krankenschwestern, des langwierigen Prozesses bis zu einer hoffentlich endgültigen Genesung und schließlich die ausufernde Phantasie machen „Der Problemopa“ trotz der ein wenig überhasteten, zynischen, aber konsequenten Ende zu einer interessanten Geschichte, die unter die Haut geht. Marks H. Korbs hat dagegen das Problem, das er die interessante Ausgangsprämisse in der zweiten Hälfte der Geschichte mit einigen Spitzen auf die exzentrische Autorengemeinschaft mit ihren kleinen Macken eher bemüht als inspiriert zu Ende bringt. Stilistisch sind beide Texte sehr ansprechend, wobei Sembtens Arbeit hinsichtlich der Zeichnung seiner realistischen Figuren dem Leser länger im Gedächtnis bleibt.

Die letzte Kurzgeschichte „Hölle auf Rädern“ aus der Feder Boris Koch ist eine zynische Satire auf die modernen Lieferservices, die alles ermöglichen. In diesem Fall verpflichtet sich ein eher erfolgloser Student für 25,– Mark die Stunde (heute wären es Euros) bei „Hölle auf Rädern“, die Sünder schon während ihrer irdischen Existenz bestraft. Die Bestrafungen reichen von sadistischen Handlungen bis zu Quälereien, die an Filme wie „Sieben“ und die entsprechenden Todsünden heranreichen. So brillant die Idee auch ist, die Ausführung wirkt nach einer gelungen Exposition ein wenig zu bieder und das Ende zwar konsequent, aber ohne echten Knalleffekt. Die pointierten Dialoge gleichen die manchmal mangelnde Charakterisierung der Protagonisten aus.

Zusammengefasst überzeugt die hier präsentierte Mischung aus alt und neu. Die neuen Arbeiten strotzen nicht zuletzt dank der erfahrenen Autoren vor provozierender Originalität, während insbesondere Erst Vlceks Novelle sowie Kai Meyers schon als limitierte Ausgabe vor Jahren im Festa Verlag nachgedruckter Arbeit ideentechnisch wie stilistisch ansprechen. Eine auch thematisch breitgefächerte Anthologie, die von Uwe Voehl mit horrortechnisch erfahrener Hand zufriedenstellend und empfehlenswert zusammengestellt worden ist.

13. Mar. 2012 - Thomas Harbach

Der Rezensent

Thomas Harbach
Deutschland

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