Main Logo
LITERRA - Die Welt der Literatur
Home Autoren und ihre Werke Künstler und ihre Werke Hörbücher / Hörspiele Neuerscheinungen Vorschau Musik Filme Kurzgeschichten Magazine Verlage Specials Rezensionen Übersicht
Neu hinzugefügt
Rezensenten
Genres
Sammelkategorien Interviews Kolumnen Artikel Partner Das Team
PDF
Startseite > Rezensionen > Thomas Harbach > Horror > Die Nacht der Skalpelle
emperor-miniature

Die Nacht der Skalpelle

DIE NACHT DER SKALPELLE

Christian Montillon/ Logan Dee/ Catalina Corvo
Buch / Horror

Zaubermond
Coco Zamis 29
Hardcover, 252 Seiten
März 2012

Unter Exposeredakteur Uwe Voehl haben insgesamt drei Autoren am vorliegenden neunundzwanzigsten und - zumindest was das Ende angeht – Wendepunkt der Serie mitgearbeitet. Christian Montillon hat, wie er selbst in seinem Vorwort schreibt, seine ersten Sporen als professioneller Autor bei den Abenteuern einer jungen Hexe verdient. Er verfasst die erste Hälfte „Die Fähre des Grauens“, während Catalina Corvo und Logan Dee in Gemeinschaftsprodukt „Die Nacht der Skalpelle“ geschrieben haben.
Konsequent wird die Geschichte des Zamis während ihrer Flucht vor Asmodi weiter ausgeleuchtet. Dieses Mal geht es um Thekla Zamis, die insbesondere in den letzten Bänden ein perfides Doppelspiel hoffentlich um die Zukunft der Zamis getrieben hat. Christian Montillon beschreibt ihre ersten dunklen Erfahrungen, während sie zusammen mit ihrer Schwester ebenso wie die Zamis jetzt in Richtung England verschifft werden. Ihm gelingen insbesondere während der Zugreise einige unheimliche Szenen, in denen er die perfiden Machtspiele der Dämonen noch einmal sehr plakativ offen legt. Gut strukturiert legt Christian Montillon die beiden verschiedenen Zeitebenen parallel nebeneinander. In der Vergangenheit lernt Thekal Zamis ihren späteren Helfer Anton kennen, in der Gegenwart müssen sich die Zamis nicht nur mit den sadistischen Gargoyles auseinandersetzen, sondern werden von Asmodi vor ein perverses Ultimatum gestellt.

In „Die Nacht des Skalpells“ haben die Zamis das Schloss Lord Collums erreicht. Er gewährt ihnen Asyl. Collum sieht sich als eine Art begnadeter Chirurg, der den von ihm dank seiner Operationen geschaffenen Missgeburten mittels Hypnose einhaucht, dass sie unendlich schön geworden sind. Dass insbesondere dieses Asyl einen schrecklichen Preis hat, zeigt schon der effektive dunkle Prolog. Im Epilog greifen die Autoren diese Sequenz noch einmal auf und erwecken so in Coco Zamis die Seite, die sie bislang immer vor sich verschlossen hat.

Im Vergleich zu den letzten sehr phlegmatischen Doppelbänden überzeugt „Die Nacht der Skalpelle“ deutlich mehr. Nicht unbedingt, weil der Gesamtkonflikt zwischen den Zamis und Asmodi weiter fortgeschrieben wird. Asmodi selbst hat zwar einen ausgesprochen effektiven, aber letzt endlich sich in Luft auflösenden Auftritt. Das er seine Drohung angesichts seiner guten Positionen und vor allem der vielen Helfer an Bord nicht wahr macht, erscheint ebenso konstruiert wie die Tatsache, dass die brutalen Assistenten Toths zum wiederholten Male so daneben legen könnte. Hier versuchen die Autoren eher Spannung zu erzeugen, die unnötig ist. Die Informationen über Theklas Vergangenheit runden ihr charakterliches Bild auch nicht ganz zufriedenstellend ab, fügen aber relevante Informationen hinzu. Im Vergleich zu den anderen Historien der Zamis ist es vielleicht der schwächste Versuch, ihre gegenwärtige Ambivalenz zu erläutern. Zumindest harmonieren in der ersten Romanhälfte die beiden Zeitebenen und Christian Montillon gelingen einige sehr effektive Schocksequenzen, wobei nicht zu sehr auf sadistische Szenen mit vielen Details zurückgegriffen worden ist. Die Isolation auf der Fähre hätte aber noch effektiver und Zielführender gespielt werden können. Es ist bezeichnend, das die in der Vergangenheit an Bord des Zuges mit Thekla spielenden Sequenzen effektiver sind als die Gegenwartsebene, zumal die Gargoyles letzt endlich keine wirkliche Bedrohung für die Zamis darstellen.

Catalina Corvo und Logan Dee greifen in „Die Nacht der Skalpelle“ auf die unzähligen Mad Scientist Geschichten zurück, wobei sie vielleicht vergessen, Lord Collum eine tragisch melancholische Note zu geben. Als helfender Antagonist wird der sadistische Chirurg solide gezeichnet, aber leider auch nicht mehr.
Während ihrer Anreise wird die beängstigende englische Landschaft mit dem entsprechenden Schloss atmosphärisch solide beschrieben, im Verlaufe der Handlung aber ähnlich der Fährensituation zu wenig genutzt.

Die Grundidee des wahnsinnigen Arztes ist dagegen fasziniert und bildet handlungstechnisch einen der Höhepunkte der „Coco Zamis“ Serie. Lord Collum verstümmelt nicht nur Menschen. Insbesondere schöne junge Mädchen haben es ihm angetan. Er weidet sie förmlich aus. Nicht nur wegen seines sadistischen Triebe, sondern er ist auf der Suche nach den schwarzen Seelen uns sammelt gleichzeitig Schatten um sich herum. Schatten, die laut Klappentext nach Leben gieren. In dieser Hinsicht agiert Lord Collum interessanterweise sehr ambivalent. Dieser Kontrast kommt allerdings während des stringenten mit einem Cliffhangar ausgestatteten Showdowns vielleicht ein wenig zu kurz. Er dominiert die interessante Mittelphase des Romans, in dem sich die Zamis in dessen Schloss nicht unbedingt heimisch fühlen. Den beiden Autoren gelingt es sehr gut, den Zwiespalt zwischen einem vorläufigen Versteck und den Trieben des Lords herauszuarbeiten. Insbesondere Coco Zamis als Sehende unter einem Haufen dank Hypnose „Blinder“ bildet in diesen Szenen die Identifikationsfigur des Lesers. Ihre strahlende Schönheit wirkt wie ein Magnet auf Lord Collum. Die Autoren spielen mit den Klischees des Genres und haben ein fast sadistischer Vergnügen, das Publikum mehr oder minder im Kreise zu führen. So funktionieren ihre Kräfte nicht so gut wie in Christian Montillons Romanhälfte und das Gefühl der Isolation selbst im Kreis ihrer eher selbstverliebten Familie ist erdrückend.

Während Christian Montillon bis auf das krötige Familienoberhaupt die Verantwortung auf mehrere Schultern der Zamisfamilie vereilt und selbst die dank der Rückblicke dominierende Thekla Zamis in einem eher amibivalenten Licht beschreibt, konzentrieren sich Logan Dee und Catalina Corvo mehr auf die junge Hexe. So beobachtet sie, wie sich ihre Schwester Lydia weiterhin mit im Grunde jedem Mann vergnügt, der nicht rechtzeitig auf die Bäume kommt. Ihre Mutter Thekla hat hinter ihrem Rücken zum Wohle der Familie und aus ihrer verqueren Sicht auch zum Wohle der jungen Hexe den entsprechenden Pakt unterschrieben, der ihnen Schutz und Coco eine schwarze Seele schenkt. Nicht zum ersten Mal muss sich Coco Zamis zwischen der Verantwortung für die Familie sowie dem eigenen Wohlergehen entscheiden. Im Gegensatz zu den bisherigen Konstellationen bietet das vorliegende Ende keine Hintertür an, wobei im Rahmen der charakterlichen Weiterentwicklung auf die Idee eines weißen Schafes in einer schwarzen Familie nicht gänzlich verzichtet werden wird. Der innere Zwiespalt wird vielleicht nicht so expressiv beschrieben wie in den ersten Romanen der „Zaubermond“ Subserie, zumal auch zu wenig zum Ausdruck kommt, warum Lord Collum angesichts der bisher gemachten Erfahrungen mit potentiellen Verbündeten im Kampf gegen Asmodis so besonders sein soll. Aber der vorliegende Doppelband stellt ein interessantes Sprungbrett im jetzt eher unfreiwilligen und in die falsche Richtung laufenden Reifeprozess der jungen Hexe dar.

In Bezug auf die Jagd nach zumindest lang anhaltender äußerer Schönheit gelingen den beiden Autoren eine Reihe von stilistischen Spitzen, die „Die Nacht der Skalpelle“ zusätzlich kurzweilig erscheinen lassen. Körperkunst ist immer ein Thema, das entweder unter die Haut geht oder für orgiastische Freude sorgt. Die Autoren haben es sehr viel leichter als Christian Montillon, im Leser für Unbehagen zu sorgen. Sie spielen die Sucht nach dem Skalpell, das sowohl als Operations- als auch in „Giallo“ Tradition als Mordwerkzeug genutzt wird, sehr gut aus. So gelingen ihnen einige schaurig schöne Szenen, wobei die schwarze Messe anlässlich Coco Zamis Operation fast wie überambitioniert daherkommt. Die vorliegende zweite Romanhälfte unterstreicht aber eindrucksvoll, das die zumindest auf den ersten Blick isolierten, durch die Hintertür in den Konflikt zwischen Asmodi und den Zamis integrierten Sequenzen immer noch stärker sind als die sich inzwischen zu lange hinziehende Haupthandlung. Zusammengefasst eine sehr kurzweilige zu lesende Geschichte, die angesichts der hoffentlich drastischen wie plottechnisch dramatischen Umwälzungen – immerhin wird all das „verändert“, worauf Coco 29 Doppelromane stolz gewesen ist – gut unterhält.

19. Mar. 2012 - Thomas Harbach

Der Rezensent

Thomas Harbach
Deutschland

Total: 732 Rezensionen
April 2018: keine Rezensionen



[Zurück zur Übersicht]

Manuskripte

BITTE KEINE MANUS­KRIP­TE EIN­SENDEN!
Auf unverlangt ein­ge­sandte Texte erfolgt keine Antwort.

Über LITERRA

News-Archiv

Special Info

Batmans ewiger Kampf gegen den Joker erreicht eine neue Dimension. Gezeichnet im düsteren Noir-Stil erzählt Enrico Marini in cineastischen Bildern eine Geschichte voller Action und Dramatik. BATMAN: DER DUNKLE PRINZ ist ein Muss für alle Fans des Dunklen Ritters.

LITERRA - Die Welt der Literatur Facebook-Profil
Signierte Bücher
Die neueste Rattus Libri-Ausgabe
Home | Impressum | News-Archiv | RSS-Feeds Alle RSS-Feeds | Facebook-Seite Facebook LITERRA Literaturportal
Copyright © 2007 - 2018 literra.info