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Die Stadt der singenden Flamme
| DIE STADT DER SINGENDEN FLAMME
Clark Ashton Smith Buch / Horror
Festa Verlag
Gebunden mit Leseband und Schutzumschlag in der Festa-Lederoptik.
400 Seiten
ISBN 978-3-86552-083-8
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Mit „Die Stadt der singenden Flamme“ beginnt der Festa- Verlag ein ausgesprochen ambitioniertes und hoffentlich auch von Erfolg gekröntes Projekt: in sechs Bänden sollen die Erzählungen von Clark Ashton Smith gesammelt und um Artikel sowie Abbildungen seiner Zeichnungen und Skulpturen ergänzt veröffentlicht werden. Dabei reicht das Spektrum von seinen ersten literarischen Gehversuchen aus dem Jahre 1910 bis zu seinen letzten, in einem Ausbruch kreativer Energie nach einer späten Eheschließung veröffentlichten Texten reichen. Die Texte werden positiv oder negativ nicht in der chronologischen Reihenfolge veröffentlicht. Positiv ermöglicht diese Vorgehensweise, die verschiedenen Zyklen zusammenzufassen und rote Fäden in seinem Werk gegenüberzustellen. Negativ könnte erscheinen, dass so der literarische Reifeprozess des Schriftstellers Clark Ashton Smith schwer zu verfolgen ist.
In seinem ausführlichen, vielleicht etwas zu euphorischen Essay führt Stephen Jones in „die vergessenen Welten des Klarkash- Ton“ ein. Robert Bloch schreibt am Ende, dass über das Leben des literarischen Genies Smith im Gegensatz zu den Mythen, die sich nach den frühen Toden seiner Freunde Robert E. Howard und Howard Lovecraft rankten, wenig über das einfache, entbehrungsreiche Leben Smiths bekannt ist. Blochs Stellungnahme ist vielleicht zu euphorisch, denn wie Howard und Lovecraft hat Smith die Umgebung seines Elternhauses, die Landwirtschaft betrieben haben und die Selbstversorgung anstrebten, im Grunde nicht verlassen. Er erhielt zwar früh schon Besuch von einer Reihe selbst heute noch bekannter Autoren wie Edmond Hamilton, Jack Williamson oder Henry Kuttner, aber über größere wie abenteuerliche Reisen ist wenig bekannt. Immer wenn er seine kargen Tantiemen aufbessern musste, hat Smith als Gärtner oder Handlanger in der Umgebung gearbeitet. Beeinflusst von Kindesbeinen an durch eine anscheinend texanische spätromantische Lyrikbewegung hat sich Smith erst als Dichter versucht. Die ersten sehr gut aufgenommenen in Kleinstauflagen gedruckten Bände haben in verschiedenen Publikationen Beachtung gefunden. Mit der zwanziger Jahre begann Smith –um auch vom Schreiben leben zu können – mit dem Verfassen in erster Linie unheimlicher Geschichten, von denen die meisten im Branchenführer „Weird Tales“ publiziert worden sind. Lange Zeit galt Clark Ashton Smith als der literarisch intelligentere und stilistisch sehr viel begabtere Epigone seines Zeitgenossen Lovecraft, zu dessen Werk er sehr viele Hintergrundinformationen in seinen Texten hinzugefügt hat. Stephen Jones relativiert dieses Verhältnis, in dem er pointiert Smith zitiert: Er hat wahrscheinlich ebensoviel Lovecrafts Universum hinzugefügt wie ihm entnommen. Stephen Jones versucht in seinem kritisch eher oberflächlichen Essay einen Überblick über Smiths Schaffen zu geben, das im Vergleich zu Howard und Lovecraft mehr als eine bzw. zwei Dekaden umfasst hat. Die meisten Themen werden nur gestreift, wobei es dem Autoren in der zweiten Hälfte eher um die langsame Anerkennung von Smiths Werk durch eine kontinuierlich größer werdende Anzahl von Lesern geht.
In der Reihe sollen zusätzlich zu Clark Aston Smiths Texten auch einige von dessen Essays veröffentlicht werden. Die kurze Exkursion über „Fantasy“ sollte eher als Fingerübung betrachtet werden.
Bevor auf den ersten von mehreren umfangreichen Kurzgeschichtenzyklen - in diesem Fall „Hyperborea“ - eingegangen wird, kann sich der Leser an Hand einer Reihe von handlungstechnisch überwiegend isolierten Geschichten in Smiths Welten hinein denken.
Literarisch eröffnen „Die Stadt der singenden Flamme“ aus dem Jahr 1930 und die ein Jahr später veröffentlichte Fortsetzung „Jenseits der singenden Flamme“ die Sammlung. Wie die Anmerkungen im Anhang der Sammlung beweisen, ist Smith zu seinen ersten Kurzgeschichten im Gegensatz zur schwer verkäuflichen Lyrik förmlich überredet worden. Hinzu kommt, dass insbesondere der ausgesprochen realistische Auftakt mit den Steinfunden bei Crater Ridge auf eigenen Erfahrungen basieren. Im ersten Text greift der Autor für diese Epoche unheimlicher Geschichten bevorzugt auf die aufgefundenen Tagebuchaufzeichnungen eines Giles Angarths zurück. Mit diesem literarischen Trick distanziert der Autor seine Leser vom eigentlichen Geschehen, während auf der „Gegenwartsebene“ der Fortsetzung der Wahrheitsgehalt der Aufzeichnungen verifiziert werden könnte. Hinzu kommt, das es sich bei den drei relevanten Protagonisten fast selbst ironisch um erfolgreiche Autoren unheimlicher Texte bzw. einen Illustrator dieser Geschichten handelt. Angarths Tagebuch besteht aus den überraschenden Überwechseln in eine andere Dimension, in der es neben einer gigantischen Stadt fremdartige Wesen gibt, deren detaillierte Beschreibungen der Verfasser des Tagebuches dem Leser ersparen möchte. Diese Vorgehensweise ist typisch für Lovecrafts Texte, der vieles, vielleicht manchmal zu vieles der morbiden Phantasie seiner Leser überlassen hat. Wie der Rattenfänger von Hameln verführt eine fremdartige Melodie mit Mitglieder unterschiedlichster Rassen, den Marktplatz der gigantischen Stadt aufzusuchen, wie eine Flamme die Erlösung vom „irdischen“ Leid verspricht. Die Fortsetzung, in welcher der Empfänger des Tagebuches, die Ereignisse um das Verschwinden seines Freundes untersucht und eine Reihe von utopisch phantastischen Beobachtungen ist, konzentriert sich auf die Aufklärung der im Grunde unerklärlichen Phänomene. So interessiert und dunkel insbesondere die Titelgeschichte der Sammlung geschrieben worden ist, sind die Inspirationen von den John Carter Geschichten bis zu Lovecrafts dunkel mystischen Welten klar zu erkennen. Clark Ashton Smith erweist sich als schon in jungen Jahren kraftvoller Erzähler, der vor allem fremdartige, unheimliche Orte majestätisch beschreibt. Während die Fortsetzung mit ihrem schließlich guten Ende viele der Horrorklischees auf den Kopf stellt und stellenweise den nihilistischen Plotverlauf des ersten Teils auf den Kopf stellt, ist „Die Stadt der singenden Flamme“ im Bereich der Kurzgeschichte ein beeindruckendes, auch heute noch lesenswertes Debüt. Interessanterweise hat Clark Ashton Smith die Texte nicht wie viele seiner früheren und späteren Arbeiten „Weird Tales“ zugeschickt, sondern in Gernsback „Wonder Stories“ veröffentlicht. Clark Ashton Smith war, wie „Die Erweckung der Klapperschlange“ zeigt, schon einige Jahre vorher von der Idee eines erfolgreichen Horrorschriftstellers fasziniert. Ansonsten handelt es sich bei dem Schabernack, der auf einen seiner Planer zurückfällt, eher um eine schwächere Geschichte, in welcher insbesondere die Charaktere rudimentär und Karikaturen ähnelnd entwickelt worden sind.
Im Gegensatz zu den legendären Texten um die singende Flamme erscheinen die zwei Jahre vorher veröffentlichten kurzen Geschichten um unheimliche Begegnungen oder alte Legenden wie Fingerübungen. Wie aus den Anmerkungen am Ende des Buches zu erkennen ist, hat Smith hinsichtlich der eigenen Umgebung in „Das neunte Skelett“ der Phantasie Sporen gegeben. Es sind die Verfremdungseffekte, die kraftvollen ausgesprochen visuellen sprachlichen Bildern, welche die Atmosphäre sowohl dieses Textes als auch der beiden Geschichten um die singenden Flammen dominieren. Dagegen erscheint die stringente Handlung wie aus dem vorangegangenen Jahrhundert. Bei „Der malaiische Kris“ greift Clark Ashton Smith auf eine alte Legende um einen malaiischen König zurück, der im Kampf gegen die Singapur dominierenden Engländer schließlich durch Verrat ums Leben kommt. Mit knapp drei Seiten Umfang ist der Handlungsbogen aufs Äußerste verdichtet worden. Trotzdem fühlt sich der Leser wie in einer zwar lebendigen, aber distanziert beschriebenen Geschichtsstunde, welcher der erzähltechnische Rahmen fehlt. Diesen Text hätte Smith geschickter in eine umfangreiche Geschichte als eine hart Rückblick integrieren können und vielleicht sogar müssen.
Zu seinen erfolgreichsten Alptraumversionen gehört ohne Frage „Die Abscheulichkeiten von Yondo“, die an einen Fiebertraum basierend auf Poes berühmten Text „Die Grube und das Pendel“ erinnert. Der Ich- Erzähler wird nach brutalster Folter freigelassen, um in der namenlosen Wüste mit einem Grauen konfrontiert zu werden, das für ihn schlimmer als die erlittene Qual ist. Sprachlich ausgesprochen kompakt verfasst mit intensiven Visionen, die einem Opiumalptraum entstammen könnten, bleibt die Story dem Leser nicht zuletzt auch dank der intimen Ich- Erzählerperspektive, die keine weitergehenden Informationen über den Protagonisten enthält, sehr viel länger im Gedächtnis als die Schreckensvision, die ihn am Ende an den Ausgangspunkt seiner unfreiwilligen Reise zurücktreibt.
Viele der in „Die Abscheulichkeiten von Yondo“ vorhandenen Ansätze hat Clark Ashton Smith auch auf die Science Fiction Geschichte „Die Schrecken der Venus“ übertragen, wobei neben der stringenten Pulphandlung Smiths Hang zur Verstümmelung seiner Protagonisten deutlich erkennbar ist. Nicht selten verlieren seine Ich- Erzähler bei ihren Abenteuern als Gliedmaßen die Schreibhand und werden so verkrüppelt gezwungen, von ihren Abenteuern zu berichten. Smiths Venus ist ein Ebenbild vieler gängiger Klischees über den zweiten Planeten des Sonnensystem mit einer dichten, nur Augenblicke Atem baren Atmosphäre sowie archaischen Urzeitmonstern, die sich gegen die menschliche Technik durchsetzen können. Trotz dieser plottechnischen Einfaltslosigkeit überzeugt der Text in erster Linie durch die beklemmende Atmosphäre und die wirklich fremdartigen, bizarren Monster, denen Smiths überforderte Astronauten auf der Nachbarwelt begegnen.
Die zweite Hälfte der Sammlung nicht der „Hyperborea“ Zyklus aus Smitsh Feder ein. Wie Will Murray in seinem ausführlichen Vorwort zur amerikanischen Ausgabe darlegt, haben die Herausgeber im Gegensatz zu Lin Carters erster Sammlung dieses Zykluses auf eine inhaltlich chronologische Abfolge verzichtet. Die Texte sind - soweit an den Daten auf den überlieferten Originalmanuskripten erkennbar - in die Abfolge gebracht worden, in welcher Smith sie verfasst hat. Nicht zuletzt aufgrund des teilweise selbstironischen Tons und Smiths Tendenz, insbesondere in den kurzen Prosagedichten wie „Die Muse von Hyperbora“ auf Handlung zu Gunsten von Stimmungen zu verzichten, hat es Clark Ashton Smith nicht leicht gehabt, die einzelnen Texte professionell zu veröffentlichen. Mit seiner archaischen Welt setzt er sich zwischen die einzelnen Genres. Will Murray legt dar, das Smith zwar von Lovecraft inspiriert worden ist und von Beginn an einen Kurzgeschichtenzyklus plante, der auch später in Buchform veröffentlicht wen könnte, sich an den griechischen Göttern und ihren Machtexzessen orientierte. Vor dem Hintergrund einer uralten, inzwischen ermüdeten Welt mit unendlich vielen Überbleibseln untergegangener Zivilisationen; zorniger Götter und fremder Monster entfalten sich die Geschichten teilweise erstaunlich kompakt und atmosphärisch beklemmend, dann wieder zumindest impliziert an Howards „Conan“ Universum oder Fritz Leibers Ideen um den grauen Mausling angelehnt. Stilistisch orientiert sich Smith offensichtlich an Lord Dunsanys Geschichten. In „Die Geschichte des Satampra Zeiros“ wird mit Tsathoggua eine der wichtigsten und zornigsten Gottheiten Hyperboreas vor der alles Leben erdrückenden Eiszeit eingeführt. Es ist ein klassischer Garn, den Smith hier präsentiert. Ein Dieb berichtet von seinem Abenteuer, einen gigantischen Schatz aus einem Tempel in einem abgeschiedenen Dschungel zu stehlen. Humorvoll ist die Extrapolation, wobei sich Smith einige ironische Seitenhiebe auf das aufkommende frühe martialische „Sword & Socery“ Genre nicht sparen kann. In der Tempelanlage selbst zerfallen die Träume von unermesslichen Reichtum schnell zu Staub, während die beiden Diebe um ihr Leben kämpfen müssen. „Die Geschichte von Setampra Zeiros“ ist kein schlechtes Garn. Die Atmosphäre ist - wie schon angesprochen - exotisch und dicht. Smith gelingt es, eine fremdartige Welt auf historischem Grund zu erschaffen. Handlungstechnisch insbesondere durch die Komprimierung seiner Texte in dieser Sammlung erkennt der Leser, dass der Amerikaner sehr gerne auf stereotype Muster zurückfällt und nur die Art der Monster variiert. Das zynische Ende inklusiv der schon angesprochenen Verstümmelung seines Ich- Erzählers sind konsequent. So wirkt der vorliegende Text wie eine frühere Variationen der Geschichten, die Fritz Leiber und Robert E. Howard so berühmt machen sollte, wobei sich der Leser unwillkürlich fragt, warum „Weird Tales“ die Story erst im zweiten Anlauf auf Bitten H.P. Lovecraft angekauft hat, wo das Pulpmagazin über Jahre ähnliche, stilistisch deutlich schwächere Geschichten veröffentlicht hat.
Hinzu kommt, dass Smiths „Hyperborea“ genretechnisch sowohl der Science Fiktion - siehe „Das Tor zum Saturn“ - als auch den arabischen Märchen - „Das Manuskript des Athammaus - Ideen entlehnen konnte. Voller bissiger Ironie und Kritik an den Dogmen der Kirche ist die an Kiplings „Der Mann, der König sein wollte“ angelehnte Geschichte „Das Tor zum Saturn“, in dem ein Hexer als die Truppen der Kirche in Person eines dicklichen Priesters seine letzte Festung erstürmen durch ein ihm von einem minderen Gott geschenktem Wandornament zum Saturn springt. Der Priester folgt ihm. Gemeinsam müssen sie auf der fremden Welt nicht nur zurecht kommen, sondern später ihre geistige Gesundheit angesichts der sich ausbreitenden Langeweile bekämpfen. Die beiden anfänglichen Erzfeinde gehören zu Smiths interessantesten Charakteren, da er ihre Stärken und Schwächen geschickt herausarbeitet und manches Klischees im Verlaufe der immer abstrakter werdenden Handlung gutmütig als Farce herausstellt. Deutlich dunkler, aber nicht weniger interessant ist „Das Tagebuch des Athammaus“, in dem der Henker von seiner letzten Aufgabe berichtet. Er soll einen überall gesuchten und sich quasi angesichts der Übermacht selbst gestellten Schurken hinrichten. Nur bleibt die Kreatur nicht tot. Sie erwacht am nächsten Morgen wieder zum Leben und beginnt sich an den Bewohnern der Stadt für das erlittene „Unrecht“ fürchterlich zu rächen. Stilistisch nicht zuletzt dank die Tagebuchform an die „Märchen aus 1001 Nacht“ angelehnt wird die Atmosphäre im Verlaufe der stringenten Handlung immer dunkler. Da der Ich- Erzähler sich weigert, mehr als die rudimentärsten Informationen immer auf Augenhöhe des Lesers preiszugeben, steigert sich die Spannung trotz der eher den Plotverkauf auf den Kopf stellenden Erzählperspektive, bis reinrassige wie allerdings auch die Pulp dominierende Science Fiction Elemente das Ende bestimmen. Im Gegensatz zu Lovecraft nicht selten fast zu subtilen Beschreibungen der Monster macht sich Smith ein Vergnügen daraus, möglichst fremdartige und auf den ersten Blick abstrus erscheinende Kreaturen zu erschaffen, die fremde Herkünfte suggerieren. In dieser frühen Phase der in zwei Schaffensperioden über dreißig Jahre voneinander getrennt entstandenen „Hyperborea“ Texten bewegt sich Clark Ashton Smith auf dem schmalen Grad zwischen Provokation des aus seiner Sicht engstirnigen wie stupiden „Weird Tales“ Herausgeber und einer Experimentierfreunde, der weder Lovecraft noch Howard wirklich das Wasser reichen konnten. Im Vergleich zu den über mehrere Jahre verstreuten ursprünglichen Magazinveröffentlichungen macht die Konzentration der „Hyperborea“ Texte in dieser Sammlung deutlich, wie einfallsreich Smith Visionen und bizarre Ideen zu homogenen Texten verbunden hat. Diese Tendenz zu belehrenden Fabel verstärkt die folgende Geschichte „Das wunderliche Schicksal des Avoosl Wuthoqquan“ noch mehr. Ein gieriger Pfandleiher wird absichtlich oder nicht von einem Wahrsager und schließlich einem Dieb grausam belehrt, dass es tödlich sein kann, seinen Hals nicht voll genug zu bekommen. Die Geschichte ist teilweise im Mittelteil ein wenig zu schwerfällig, erinnert an eine umgekehrte Hommage an den Zauberlehrling und verfügt im letzten Akt wieder über ein abscheuliches, aber phantasievoll beschriebenes Monster, das all zu menschlich boshaft auf den Wucherer reagiert.
Sehr viel ambitionierter, aber auch teilweise ein wenig frustrierend was die Erklärungen angeht erscheint „Ubbo-Sathla“, in dessen Verlauf Clark Ashton Smith ob absichtlich oder unabsichtlich die Ideen Olaf Stapledons oder H.G. Wells auf den Kopf stellt und einen Menschen erst in die magische Phantasiewelt Hyperboreas versetzt, um ihn dann die Evolution rückwärts durchlaufen zu lassen. Vielleicht wirken die satirischen Seitenhiebe ein wenig zu überzogen und die zwischen den Zeilen schimmernde belehrende Botschaft zu sehr aufgesetzt, aber der kurze Prosatext ist kraftvoll geschrieben und ergänzt die bislang direkt oder indirekt märchenhaften Hyperboreageschichten sehr gut. Dagegen taucht „Der Eis- Dämon“ mit dem im ewigen Eis gefangenen toten König und seinen Mannen weit in die Vergangenheit Hyperboreas ein und verbindet trotzdem seinen Plot mit den bekannten Motiven der Jagd nach ewigen, allerdings gestohlenem Reichtum sowie den geheimnisvollen Monstren, welche eine Art ewige Wacht halten. Im Vergleich zu seinen anderen Texten trennt Smith die realistische Ebene nach dem phantastischen Prolog - drei Männer machen sich auf, die Schätze des bei einem Kampf im Eis ums Leben gekommenen archaischen Königs zu bergen - gegenüber dem Showdown mit Monster ab. So kann der Amerikaner sehr viel intensiver eine dunkle, nihilistische Atmosphäre aufbauen, ohne den Plot gänzlich zu überfrachten. Er konzentriert sich auf das anfängliche ambivalente Verhältnis der Figuren und lässt sie im Grunde an ihren ureigenen Schwächen scheitern. Die Idee des ewigen Eises und seiner Geheimnisse greift Smith in „Die Ankunft des weißes Wurms“ noch einmal auf. Ein gigantischer Eisberg bahnt sich seinen Weg über die Weltmeere. In ihm befinden sich längst versunkene Städte und ein schreckliches Geheimnis, das dem Eisdämon aus der vorangegangenen Geschichte in nichts nachsteht. Eine Handvoll Priester machen die Fahrt auf dessen gigantischer Eisdecke mit. Der Erzähler muss erfahren, das die Götter einen schrecklichen Preis für ihre devoten Anhänger in Petto haben. Morbide, nihilistisch und in Bezug auf die blinden Gefolge der alten wie neuen Götter zynisch präsentiert sich „Die Ankunft des weißen Wurms“. Mit dem verstörenden Prolog etabliert Smith eine Atmosphäre des Grauens, die er in bekannter Manier konsequent ausbaut. Alleine die Bilder - ein brennendes Schiff mit vom Feuer unversehrten Leichen, die ihre längst verbrannten Ruder noch bildlich in Händen halten; die im Eis für immer eingeschlossenen Städte; der gigantische Eismeer, welcher das Klima um sich herum verändert - bleiben dem Leser noch lange nach der stringenten Handlung im Gedächtnis und etablieren Smith als einen der einfallsreichsten und deswegen auch am schwierigsten zu publizierenden Autoren der goldenen Zeit des „Weird Tales“ Magazins.
Zu den herausragenden Texten dieser Sammlung gehört ohne Frage „Die sieben Banngelübde“, in welcher nicht nur der später mehrmals verwandte Spinnengott auftritt, sondern die Hintergrund Hyperboreas, der Kontrast zwischen den übernatürlichen in erster Linie magischen Kräften im Hintergrund sowie dem Aberglauben der Menschen/ Wesen herausgearbeitet wird. Smith fügt seinem Universum eine Reihe von sehr bizarren Figuren hinzu, die er ironisch die Science Fiction Pulpgeschichten imitierend, sogar von Forschungen chemisch wie physikalisch untersuchen lässt. Im Gegensatz zu den in erotischen Hinsicht sterilen Texten Lovecraft und Howards kraftvoller Machophantasien tragen Smiths Texte einen Hauch von implizierter Perversität in sich, die sich im vorliegenden Fall mit den in den Bergen hausenden Voormi auf nicht immer ganz freiwillige „Mischehen“ zwischen Menschen und übernatürlichen Monstren bezieht. Die Hintergründe sind noch phantastischer und bizarrer beschrieben als in den bisherigen Kurzgeschichten. Das nihilistische Ende ist in vielerlei Hinsicht nur konsequent, auch wenn sich Smith einen Seitenhieb auf die „alles wird gut“ Mentalität vieler Pulpgeschichten nicht verkneifen kann.
Selbst einfach Liebesgeschichten wie „Die weiße Seherin“ beinhalten wie Clark Ashton Smith eine dunkle Seite. Die Menschen verfallen eher den Mythen als den realen Figuren und bleiben Zeit ihrer kurzen Leben in Traumwelten gefangen, aus denen sie selbst die wahre Liebe zwischen Menschen nicht mehr befreien kann. Obwohl der Geschichte ein warmherziger Kern fehlt, beschreibt Smith den schmalen Grad zwischen platonischer Leidenschaft und Perversität sehr eng an den Grenzen des damals erlaubten und provoziert die aus seiner Sicht engstirnigen Herausgeber diverser Pulpmagazine.
Mit der 1952 geschriebenen und erst fünf Jahre später veröffentlichten Story „Der Raub der neununddreißig Keuschheitsgürtel“ schließt sich der Kreis der „Hyperborea“ Texte. Mit einem spektakulären Raubzug begann Smith seinen Zyklus von Kurzgeschichten, mit einer nicht mehr ganz ernstzunehmenden Farce beendet er diese unterhaltsame Serie. Zwei Diebe wollen die goldenen Keuschheitsgürtel aus einem Tempel im Auftrage eines geheimnisvollen Hintermannes stehlen. Diese goldenen Keuschheitsgürtel befinden sich aber meistens an den Hüften der jungen Mädchen. Mittels eines übel riechenden, aber harmlosen Giftes gelingt ihnen der Coup. Sie müssen aber wie Fritz Leibers Helden erkennen, das sie am Ende mit fast leeren Händen und schlechter als vor der spektakulären Aktion dastehen. Pointiert humorvoll mit zahlreichen Seitenhieben auf die aus Smith Sicht zu einfach strukturierten Fantasygeschichten versehen ist „Der Raub der neununddreißig Keuschheitsgürtel“ eine oberflächlich unterhaltsame, sehr farbenprächtige Geschichte, die aber keines der perversen Monster seines stärksten Hyperboreaarbeiten aufweist.
Die Sammlung wird von den Anmerkungen Scott Connors und Ron Hilgers abgeschlossen. Sie gehen nicht nur auf die einzelnen Texte ein, sondern zitieren viel mehr aus den zahlreichen erhaltenen Briefwechseln zwischen Clark Ashton Smith und Lovecraft oder dem Herausgeber der „Arkham Press“ Derleth, in denen Smiths wachsender Frustration über die zahlreichen Ablehnungen seiner Geschichten sehr gut zu erkennen ist. Unwillig und vielleicht auch unfähig, sich dem Diktat der aus seiner Sicht stupiden Massenleser der Pulpmagazine zu beugen zog sich der Autor schließlich Ende der dreißiger Jahre frustriert und durch private Rückschläge zum verstärkten Arbeiten gezwungen von der Schriftstellerei zurück. Die Anmerkungen ergänzen ausgezeichnet die hier zusammengefassten Kurzgeschichten.
„Die Stadt der singenden Flamme“ beginnt ein ausgesprochen ehrgeiziges und empfehlenswertes Projekt, einen wichtigen Vertreter der gehobenen Pulpliteraturära - obwohl er sich Zeit seines Lebens eher als schreibender Dichter gesehen hat - an die Seite des vielleicht übertrieben populärren H.P. Lovecraft oder Robert E. Howards, sowie R.W. Chambers zu setzen. Inzwischen das fast gegenseitig literarisch befruchtende Wechselspiel zwischen Smith und Lovecrafts Arbeiten am Cthulhu- Mythos wird herausgearbeitet, aber auch qualitativ fair relativiert. Die meisten der insbesondere in dieser Auftaktsammlung zusammengefassten Geschichten sind auch heute noch aufgrund ihrer eindringlichen Bilder und des visuellen Stils, in dem sie geschrieben worden sind, lesenswert und stellenweise auf eine fast einem Drogentraum entsprungene Art und Weise zeitlos. Es bleibt zu hoffen, das der ambitionierte Festa- Verlag ausreichend Käufer für dieses empfehlenswerte Projekt findet, um auch die anderen fünf Hardcover in einer ähnlich schönen Ausstattung mit einigen seltenen Fotos von Smiths unbekannten steinhauerischen Werk zu veröffentlichen.
08. Apr. 2012 - Thomas Harbach
Der Rezensent
Thomas Harbach

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