Und morgen der ganze Weltraum!
Die Besatzung eines UFOs beobachtet die Vorgänge auf der Erde während des Zweiten Weltkriegs. Abgeschossen von einem britischen Geschütz landet das Schiff auf deutschem Gebiet. Die Insassen werden verhaftet, das UFO wird konfisziert, die Technologie kopiert. Schon bald verfügt der Führer über kampfstarke Raumschiffe. Erst will er die Erde erobern – „und morgen der ganze Weltenraum!“ Allerdings haben er und seine Helfer die Rechnung ohne die Aliens gemacht …
Statt seine Leser in ferne Zukunftswelten zu schicken, nimmt Stefan T. Pinternagel das Publikum mit in die Vergangenheit – präziser: Er lässt sie eines der düstersten Kapitel der deutschen Geschichte erleben, den Zweiten Weltkrieg. Dann passiert jedoch etwas, das den bekannten Verlauf der Geschehnisse verändert. Indem sich die Deutschen außerirdische Technologie aneignen, sind sie ihren Gegnern innerhalb weniger Monate weit überlegen und schicken sich schließlich an, das All zu erobern, was die Aliens veranlasst einzugreifen.
Was auf rund 130 aufgerollt wird, ist weniger ein spannendes SF-Spektakel als eine Was wäre wenn …‘-Satire, bei der nicht Nazi-Deutschland sondern der UFO-Wahn und seine Folgen das zentrale Thema stellen. Dementsprechend handelt es sich bei den Akteuren um Klischee-Typen, die ihre Rollen erfüllen und für so manche Anspielung gut sind, wie beispielsweise der SS-Obersturmbannführer Unrat, bei dem man sogleich an Professor Rath, genannt Unrat, aus „Der blaue Engel“ (1930) denkt, der den Verführungskünsten der Sängerin Lola Lola erliegt und all seine früheren Prinzipien und Ideale aufgibt, wodurch er in einen Strudel hinab gerissen wird, aus dem es kein Entkommen gibt.
Der Führer und seine Handlanger, die deutschen Soldaten und all jene, die in Berührung mit der Alien-Technologie kommen, machen nur vordergründig einen Sprung nach vorn. Das Denken der Figuren entwickelt sich überhaupt nicht weiter, es erscheint, wie auch ihr Handeln, von Mal zu Mal abstruser. Der Vergleich zur aktuellen Situation, in Massenvernichtungswaffen in den Händen von Fanatikern liegen, die für Vernunftgründe nicht zugänglich sind, drängt sich auf.
Man könnte sich über die Metaphern und Anspielungen köstlich amüsieren, wäre der Hintergrund nicht so ernst, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt, denn dass in der Realität freundliche Aliens den Kriegstreibern das Handwerk legen, wird ein frommer Wunschgedanke bleiben. (IS)
21. Apr. 2012 - Irene Salzmann
Der Rezensent
Irene Salzmann

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Irene Salzmann, Jahrgang 63, verheiratet, drei Kinder, studierte mehrere Semester Südostasienwissenschaften und Völkerkunde an der LMU München.
Schon seit Jahren schreibt sie phantastische und zeitgenössische Erzählungen, die zunächst in den Publikationen der nicht-kommerziellen Presse erschienen sind. In den vergangenen Jahren w...
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