|
Wölfe des Nordens: Die Flammen von Lindisfarne
Im 8. Jahrhundert versetzen die Wikinger mit ihren Drachenschiffen die Bewohner der nordischen Küsten in Angst und Schrecken. Auf seiner ersten Fahrt beweist der junge Lars Wolfsohn, dass er ein guter Mann und Krieger ist. Er besiegt seine Gegner, darunter den starken Unfreien Widar Eisenfaust, dem er die Freiheit schenkt und der sein Freund wird.
Als drei Reisende mit schlimmer Kunde aus den südlichen Ländern kommen und um Aufnahme bitten, wird das Geheimnis um Lars‘ Herkunft enthüllt. Mehr noch, die schöne Thursula verliebt sich in ihn, aber zum einen ist sie dem Sohn des Jarls versprochen, zum anderen trägt Lars das Bild einer anderen im Herzen. Darum weist er Thursula ab, deren Liebe in Hass umschlägt.
Die nächste Fahrt des Jarls bringt ihn und seine Mannen nach Irland, wo die Wikinger das Kloster Lindisfarne zerstören. Es geht ihnen nicht nur um Beute, sondern auch darum zu zeigen, dass die nordischen Götter stärker sind als der Christengott, dessen Lehre sich immer weiter ausbreitet und der die Leben jener fordert, die sich nicht bekehren lassen. Eine der Novizinnen ist das Mädchen aus Lars‘ Träumen. Es gelingt ihm, die wehrhafte Adlige zu überwältigen, und sie wird ihm als Beute vom Jarl zugesprochen. Da Lars Angela anständig behandelt, beginnt sie, ihn zu mögen.
Doch dann kommt das böse Erwachen: Der Jarl hatte seinem Sohn, der wegen einer Verletzung nicht an der Fahrt teilnehmen konnte, die erste Wahl bei den Beutestücken versprochen. Angestachelt von Thursula nimmt er Angela, damit seine Frau die neue Magd quälen und sich so an Lars rächen kann. Schon bald sehnt sich das Mädchen nach dem Tod und begeht einen Frevel, um auf diese Weise ihrem Schicksal ein Ende zu bereiten …
Die Handlung beginnt etwas schwerfällig, da sich der Autor nach akribischer Recherche bemüht, ein stimmungsvolles Bild vom Leben der Wikinger – ihrer Kultur, insbesondere ihrer Gesetze und ihres Glaubens – zu zeichnen. Er erklärt sehr viel, teils im narrativen Text, teils im Rahmen der Dialoge.
Ferner bindet er zahlreiche Sagen ein, angefangen beim „Artus“-Mythos, über die „Edda“, bis hin zum „Rolandslied“ u. a. m. Diese Geschichten in der Geschichte werden fast immer von Skalden, weitgereisten Kriegern, Priestern und Mönchen erzählt und mit belegter Geschichte, beispielsweise vom Krieg von Karl dem Großen gegen die heidnischen Sachsen und von der Ausbreitung des Christentums, verwoben.
Der Autor bedient sich einer archaisch anmutenden Sprache, die zur Atmosphäre passt, aber leider den Roman weiterhin etwas träge wirken lässt. Spitziger wird die Handlung erst, als Angela zusammen mit anderen Novizinnen in Lindisfarne eintrifft, wo sie für ihre Gotteslästerungen büßen sollen.
Die Mädchen wissen sehr wohl, dass sie von ihren Familien ins Kloster abgeschoben wurden und sie dort ein tristes Leben erwartet. Prompt erlauben sie sich einige Scherze mit unangenehmen Folgen. Dabei wird ihnen die Verlogenheit ihrer Glaubensbrüder und -schwestern deutlich vor Augen geführt. Von den Wikingern geraubt zu werden, ist darum kaum schlimmer für sie.
Mit Lars hat Angela das große Los gezogen, doch er darf seine Beute nicht behalten, da der Jarl sonst seinem Sohn gegenüber wortbrüchig würde. Die beiden jungen Leute suchen jeder für sich einen Weg aus der Misere und erhalten unerwartet Beistand. Doch wohin sollen sie fliehen? Und die Verfolger sind ihnen obendrein auf den Fersen.
Schade, dass das Tempo erst zum Ende hin anzieht und der Roman den Leser nicht schon früher so richtig packt. Zweifellos ist das Buch insgesamt lesenswert, interessiert man sich für das Thema, doch steht der Titel dem Dokutainment schon näher als dem historischen Roman, der unterhalten will. Ähnliche Bücher, verfasst von Historikern, findet man z. B. im Verlag Philipp von Zabern. Auch hier rangieren historische Fakten vor einer spannenden Handlung. Das sollte man mögen, um Freude an solchen Romanen zu haben.
Eine Frage bleibt außerdem offen: Wer war der geheimnisvolle Retter von Lars‘ Mutter und ist sein Vater? Die Schriftzeichen auf seinem Amulett, das Lars bei sich trägt, scheinen ein Hinweis zu sein. Das Ende beinhaltet die Option, dass der Autor das Thema vielleicht eines Tages weiter spinnt.
Rolf W. Michael verarbeitet in „Wölfe des Nordens“ sehr viele historische Fakten und nicht minder viele Sagen. Leider konzentriert er sich dabei zu sehr auf genau diesen Aspekt, über den die eigentliche Handlung etwas zu kurz kommt. Zum Ende hin kommt mehr Spannung auf, der Roman wirkt deutlich lebendiger – so hätte es schon zu Beginn sein sollen. Dennoch ist der Titel lesenswert wenn man sich für das Thema begeistern kann und eine unterhaltsame Aufbereitung von geschichtlichem Stoff wünscht. (IS)
04. Jul. 2012 - Irene Salzmann
Der Rezensent
Irene Salzmann

Total: 1065 Rezensionen
März 2018: keine Rezensionen
Irene Salzmann, Jahrgang 63, verheiratet, drei Kinder, studierte mehrere Semester Südostasienwissenschaften und Völkerkunde an der LMU München.
Schon seit Jahren schreibt sie phantastische und zeitgenössische Erzählungen, die zunächst in den Publikationen der nicht-kommerziellen Presse erschienen sind. In den vergangenen Jahren w...
[Weiterlesen...]
Wölfe
|
Wolfsnacht
Markus Topf - WOLFSNACHT
Thriller - Rezensent: Florian Hilleberg |
|
The Grey - Unter Wölfen
Joe Carnahan (Regie) -
Drama - Rezensent: Elmar Huber |
|
Wolfen
Whitley Strieber - WOLFEN
Horror - Rezensent: Elmar Huber |
|
Weitere Rezensionen zu Wölfe finden Sie in der entsprechenden Sammelkategorie!
[Zurück zur Übersicht]
|
|