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![]() Der Kult
- „Ich liebe diesen Ort: Seine geruhsame, idyllische Atmosphäre, den Frieden, den jede Türschwelle, jede gepflegte Rasenfläche, jeder blühende Garten atmet. Ich mochte seine Biederkeit und Zeitlosigkeit, die sich auch in den Gesichtern der Vorübergehenden ausdrückte, einfachen Landleuten mit einfachen, ländlichen Zügen. Hier spürte man eine Ehrfurcht vor dem Althergebrachten, ein strenges, unbeugsames Streben, die Dinge so zu bewahren, wie sie seit Generationen waren – selbst, wenn das bedeuten sollte, dass man die Augen vor der Wirklichkeit verschloss.“ - inahltEs ist an der Zeit einen Schnitt zu machen. So verlässt Familie Constantine - Ned, Bess und die gemeinsame Tochter Kate - Manhattan, um sich in Cornwall Coombe niederzulassen, einer idyllischen Ortschaft, deren Entdeckung sie einem Zufall verdanken und an dem die Zeit scheinbar spurlos vorüber gegangen ist. Durch eine Erbschaft ist es Ned endlich möglich, sich seinen Traum zu verwirklichen, als Kunstmaler zu arbeiten und sich ein kleines Atelier aufzubauen. Auch die anfängliche Gleichgültigkeit der Dorfbewohner gegenüber den Constantines wird nach und nach von einer herzlichen Freundlichkeit abgelöst. Die geduldeten Außenseiter werden zu einem festen Bestandteil des Dorflebens, das geprägt ist von dem Rhythmus, den Mutter Natur für Aussaat, Wachstum und Ernte des allgegenwärtigen Mais vorgibt.- „Sie befolgten damit bestimmte Regeln, die vor so langer Zeit aufgestellt wurden, dass man nicht mehr weiß, was sie eigentlich bezwecken. Und so haben die Leute hier im Grund keine Ahnung, weshalb sie sich an diese ungeschriebenen Gesetze halten. Fremden muss das natürlich seltsam vorkommen. Hier ist die Dorfgemeinschaft wichtiger als die eigene Familie. Und die Gemeinschaft ist vom Mais abhängig. Wenn die Saat gedeiht, gedeiht auch das ganze Dorf.“ - meinungNatürlich vermutet der erfahrene Horrorleser von heute hinter dem idyllischen Äußeren eines Dorfes, auf das die moderne Zeit kaum Einfluss hat, von vorneherein das pure Böse. Besonders wenn dort seltsame Feste gefeiert werden, die im Rest des Landes unbekannt sind. 1973, als DER KULT (OT: HARVEST HOME) im Original erschienen ist, dürfte das noch nicht der Fall gewesen sein. Stephen Kings Kurzgeschichte KINDER DES MAIS erschien 1977 und auch T.E.D. Kleins ähnlich gelagertes MORGENGRAUEN (OT: THE CEREMONIES) wurde erst 11 Jahre später veröffentlicht. Titel und Klappentext machen allerdings keinen Hehl daraus, was auf Ned Constantine und seine Familie in Cornwalls Combee zukommt („Ohnmächtig muss erDie Ausgangssituation – Städter kommen in eine eingeschworene Dorfgemeinschaft mit eigenen Regeln – scheint aus dem Standardkatalog für Horrorliteratur entnommen; unzählige Romane und Kurzgeschichten beginnen auf diese Art und Weise. Von diesen Vorhersehbarkeiten sollte sich der geneigte Leser jedoch nicht abschrecken lassen, denn DER KULT entwickelt seine Geschichte so schlicht und unaufdringlich, dass sich mancher moderne sogenannte Horrorautor in Sachen Storyentwicklung hier ein Beispiel nehmen könnte. Thomas Tryon versteht es Cornwall Combee und seine Bewohner auf leichte und doch überzeugende Art lebendig werden zu lassen. Lange Zeit wirkt das Dörfchen wie der Himmel auf Erden, wo die Nachbarn sich noch gegenseitig selbstlos helfen und man die Haustür nicht verschließen muss. Doch nach und nach kommt Ned Constantine einem gut gehüteten Geheimnis auf die Spur, denn die Dorfbewohner haben im wahrsten Wortsinne eine Leiche im Keller. Eine junge Frau, die zwei Erntezyklen zuvor die Maismaid beim Harvest Home-Fest werden sollte, soll kurz zuvor aus unerfindlichen Gründen Selbstmord begangen haben. Nach und nach lüftet Ned den Schleier der Verschwiegenheit und DER KULT entwickelt sich zu einer fesselnden Mischung aus Krimi und Okkultroman, die weder effekthascherisch noch blutig daherkommt. Wohldosiert steigert Thomas Tryon die Neugierde des Lesers und damit die Spannung. Immer mehr hinterfragt Ned die Idylle und die Friedfertigkeit der Dorfbewohner, zieht so deren Missfallen auf sich und stößt auch bei seiner Frau auf zunehmend taube Ohren. - „Verächtlich beobachtete ich sie, wie sie an mir vorüber glitten, Glied um Glied in ihrer menschlichen Kette; ich hasste sie, diese Tölpel mit ihrem albernen Tanz, ihrer dummen Singerei, ihren engstirnigen Anschauungen.“ – Thomas Tryon war zunächst ein mittelmäßig bekannter Schauspieler (größter Erfolg: Golden Globe Nominierung als Bester Hauptdarsteller für Otto Premingers DER KARDINAL), bevor er sich (auch) der Schreiberei zuwandte und mit HARVEST HOME einen kleinen Klassiker abgeliefert hat, der u.a. Stephen Kings KINDER DES MAIS, wie auch einige weitere Okkultromane vorwegnahm. HARVEST HOME wurde 1978 als TV-Miniserie unter dem Titel THE DARK SECRET OF HARVEST HOME mit Bette Davis und Rosanna Arquette verfilmt. Auch in Deutschland war DER KULT wohl ein veritabler Erfolg. Das Buch erschien 1974 bei Lübbe als Hardcover und bis in die 1990er in mindestens vier Auflagen als Taschenbuch. fazitVorbildlich aufgebauter Okkultroman, der inzwischen zwar leicht angestaubt wirkt, für Freunde des leisen Horrors aber eine absolute Empfehlung darstellt. 20. Jul. 2012 - Elmar HuberDer RezensentElmar Huber![]() Total: 674 Rezensionen (* 1972) kann sich noch dunkel an den "phantastischen Film" im Nachtprogramm des ZDFs erinnern, der damals (nicht zuletzt aufgrund des Zeichentrickvorspanns) schon eine gewisse Faszination ausübte. [Zurück zur Übersicht] |
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