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Adieu Märchenprinz
Johann Heinrich Vogeler (1872 – 1942) gehörte den frühen Mitgliedern der Worpsweder Künstlerkolonie an und machte sich einen Namen als Maler, Grafiker, Architekt, Designer, Pädagoge, Schriftsteller und Sozialist. Stilistisch war er dem Jugendstil zugetan, doch nachdem sich andere Richtungen durchsetzen und das Interesse der Kunden an seinen Arbeiten nachließ, verlegte er sich zunehmend auf andere Tätigkeitsbereiche. Zuletzt versuchte er als Pazifist, gezeichnet von den Gräueln des Krieges, das Leid der Menschen zu lindern und geriet dadurch in den Fokus der Behörden. Schwer krank starb er in seinem Exil in der Sowjetunion.
Als Student lernte Heinrich Vogeler seine spätere Ehefrau Martha, die Tochter seiner Hauswirtin, kennen, die er zu seiner Muse machte. Es sollte einige Jahre dauern, bis er ihr seine Gefühle gestand und mit ihr eine Familie gründete. Da er sie jedoch weiterhin weniger als Frau aus Fleisch und Blut mit Bedürfnissen betrachtete, nahm die Ehe eine unglückliche Wende, was dazu führte, dass sich beide andere Partner suchten. Sie waren nicht die einzigen, denn mehrere Künstler-Verbindungen aus ihrem Umfeld endeten gleichfalls tragisch, da die Frauen fast immer gezwungen wurden, ihre Kreativität zu Gunsten ihrer Männer zu opfern.
Das Leben von Heinrich Vogeler, insbesondere die wichtigsten Stationen im privaten und künstlerischen Bereich, die einander beeinflussten, wird von Renate von Rosenberg sachlich beleuchtet. Zwar wählt die Autorin den erzählenden Stil eines Romans, doch fügt sie den belegten Fakten kaum Spekulationen und schon gar keine Fiktionen hinzu, sondern verweist auf Originalzitate und seriöse Quellen.
Stellenweise liest sich das etwas trocken, aber man bleibt am Ball, da der Mensch Heinrich Vogeler und sein wechselhaftes Leben faszinieren:
Vom widerwilligen Schüler, der seine Ausbildung schließlich ernst nimmt, weil er ein Ziel hat, entwickelt er sich zum Studenten, der sich nach Fortschritt sehnt und darum aneckt, aber auch hier seinen Abschluss nach einigen Umwegen schafft. Schon bald beeindruckt er durch seine vielseitigen Werke, doch zeigt sich gleichzeitig auch ein menschliches Manko, weil er Martha nicht geben kann, was sie sich am meisten wünscht.
Die Situation in Deutschland nimmt intensiven Einfluss auf ihn. Meldete er sich während des 1. Weltkriegs noch freiwillig als Berichterstatter, so bewirkten die Eindrücke einen Wandel seiner Gesinnung. Durch seine Schriften und Aktionen gegen den Krieg und für ein gerechtes Gesellschaftssystem schuf er sich viele Feinde, so dass er Deutschland verließ. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in die Sowjetunion wurde er deportiert und starb in Kasachstan.
Einige Illustrationen von Peter Dangschat, die Personen aus Heinrich Vogelers Leben darstellen und seinen Bildern nachempfunden sind, lockern den Text auf.
Lieber jedoch hätte man einen Bildteil mit Werken des Titel gebenden Künstlers gesehen. Da der Donat Verlag in anderen Publikationen reichlich Fotos in Farbe und Schwarz-Weiß einbindet, durfte man das eigentlich erwarten.
Alles in allem ist „Adieu Märchenprinz“ eine ergreifende, seriöse Roman-Biographie, die an ein Publikum adressiert ist, das sich für (Worpsweder) Kunst und das Leben der Künstler gegen Ende der Kaiserzeit und im Dritten Reich interessiert. Dass kein Bildteil vorhanden ist, das Originalwerke von Heinrich Vogeler zeigt, ist schade, aber kein wirkliches Manko, kann man sich doch aus anderen Quellen schnell über sein Schaffen informieren. (IS)
22. Jul. 2012 - Irene Salzmann
Der Rezensent
Irene Salzmann

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Irene Salzmann, Jahrgang 63, verheiratet, drei Kinder, studierte mehrere Semester Südostasienwissenschaften und Völkerkunde an der LMU München.
Schon seit Jahren schreibt sie phantastische und zeitgenössische Erzählungen, die zunächst in den Publikationen der nicht-kommerziellen Presse erschienen sind. In den vergangenen Jahren w...
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