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Too Bad to be God
Kristina Lohfeldt verzerrt in TO BAD TO BE GOD die Religion (und nicht nur die westliche) humoristisch und sehr unterhaltsam.
Die Vorgeschichte ist die, dass Bartholomäus Pille, seines Zeichens Apotheker, eines Morgens als großer Mistkäfer – auch Pillendreher oder Skarabäus genannt – erwacht.
Und weiter geht es mit der „Geschichte vor den Geschichten“ – mit Ligiosa Mantisre, Gründerin der GHS (GottHochSchule). In dieser finden sich alle ein, die sich als „höhere Entität“ oder als „besonders“ empfinden – so auch Herr Pille, der sich als solches fühlt, seit er ein Pillendreher und somit „heiliger Käfer“ geworden ist.
In Herrn Pilles Nachbarschaft machen derweil Gerüchte über sein Verschwinden die Runde. Aber das kümmert ihn wenig, denn er muss nun etliche Kurse mit seinen „Mitgottheiten“ absolvieren.
Kurs 1 – Einführungskurs
Bei Herrn Plosiv lernen die Götter (z.B. Anubis und Bastet) mehr über den Mensch das „Unbekannte Wesen“, sprich wer ihre Gläubigen sind und wie die Götter deren Schwächen für sich nutzen können.
Kurs 2 – Studienreise zum Park Paraiso
Geht beim Streiten viel Porzellan zu Bruch, nennen wir Menschen das Temperament. Schlägt irgendwo eine fliegende, überdimensional große Untertasse ein, zeigt sich: Götter haben Klärungsbedarf.
Hier absolvieren die Götter und die, die sich dafür halten, einen Praxistest zum Einführungskurs „Der Mensch, das unbekannte Wesen“. Unter dem Motto „Liebe statt Hiebe“ lernen alle Konfliktlösungen für eine friedliche Koexistenz. Was in Gruppenkuscheln und Streit unter Göttern, der in einem Gerichtstreit endet, mündet.
Kurs 3 – Studienreise nach Minotaurussia
Unter dem Motto „Zurück zum Animalismus – So weckst du das Tier in dir“ treten die Götter ihren nächsten Kurs an. Zu dem Zweck fahren sie nach Minotaurussia, ein altes, kaltes Land. Der dort amtierende Wojwode, ein massiger roter Stier, duldet die Studienreise der Götter nur, weil er sich davon Publicity verspricht.
Derweil hat Herr Pille es schwer, sich – ob seiner „Größe“ – in der Gruppe Respekt zu verschaffen.
Mit von der Truppe ist der Krieger Olsgrim Donnerfaust hinter dem sich kein Geringerer als Odin verbirgt und seine beiden Raben und sein kleiner Hund Cirby nebst Loki, die von den „guten alten Zeiten“ und dem Matriarchat schwärmt.
Und dann taucht auch noch eine waschechte Sphinx auf.
Die Götter müssen sich erst ans Atmen gewöhnen – empfinden es als lästig – und begegnen beindruckenden Minotauren in blutroten Uniformen.
Kurs 4 – Schauspiel-Workshop
Hier lernen die Götter den Menschen eine Show zu bieten, die sie nie vergessen werden.
Da klagt in einer Talkshow Adam über seinen Apfel, da dank Eva ihm der Bissen für immer im Hals steckengeblieben sei – und vieles mehr.
Kurs 5 – Selbstfindungstrip – Sonderkurs für weibliche Gottheiten.
Die schöne babylonische Schönheit und Liebesgöttin Ischtar taucht in der GHS auf und wohnt dem Kurs „Emanzipation“ bei. Ihr Weltbild über Frau und Mann wird ziemlich auf den Kopf gestellt. Diana holt sie daraufhin in eine Frauenrunde um sie aufzumuntern.
Doch genau da muss Ischtar weiteres über Männer erfahren und wie sich so mancher Traumprinz in einen absoluten Schnarchlappen verwandelt.
Kurs 6 – Teamgeist-Schulung
Die Götter lernen hier, dass Vielgötterei eine echte Alternative zum Monotheismus darstellen kann.
Die Entitäten lernen Teamgeist – daher werden sie in verschiedene Gruppen eingeteilt.
Köstlich hier, wenn Ischtar z.B. ihre beiden „Argumente“ zurechtrückt.
Kurs 7 – Typberatung für Tiergötter
Dieser Kurs soll dazu dienen, den Tiergöttern wie Bastet, Anubis, Horus, Sobek etc pp zu vermitteln, ein bisschen humaner zu sein und mehr aus ihrem Typ zu machen.
Doch was ist human?
Die Gruppe erfährt, wie wichtig Ernährung, gewisse Getränke, aber auch Sex sind – täglich – und dass bei den „Männchen“ der Menschen, für Letzteren höchstens zwei Minuten in Anspruch genommen werden. Dass man nicht zu früh „kommen“ darf und es als unhöflich gelte hinterher gleich einzuschlafen.
Sie lernen in dem Kurs aber auch u.a., dass Totschweigen eine Disziplin ist, die der Mensch am besten beherrscht.
Kurs 8 – Erziehungswissenschaft
Hier lernen die Götter mit Kritik umzugehen und sich gegen großmäulige Gläubige zu behaupten, aber es gibt auch wieder einen kleinen Schlenker nach „Dingenskirchen“, Herrn Pilles Heimatort – dort geht es um Zauberbohnen, Riesen und goldene Eier.
Kurs 9 – Drama School
In diesem Kurs wird die Frage zu klären versucht, ob Sein oder Nicht-Sein vom Gott selbst abhängt oder von dem, der an ihn glaubt – und zwar in einem Coaching der Götter in der Dingenskirchener Drama School.
Dort kommen die Götter zu einer wahren Erkenntnis, nämlich: Menschen wollen immer genau das, was sie nicht haben können.
Kurs 10 – Praxistest
Bei diesem Test muss Herr Pille erkennen, ob er zu den Entitäten zählt oder nicht und ob er in seine Apotheke in Dingenskirchen zurückkehrt – oder nicht ...
Die Autorin mischt in TO BAD TO BE GOD munter und auf frische und intelligente Weise Religionen, Mythologien, Märchen und alles, was ihr wohl in den Sinn gekommen ist.
Und das auf sehr humorvolle Weise.
Darüber hinaus hält sie dem Leser einen Spiegel vor und stimmt auf leichte und lockere Art „nachdenklich“.
Für einen Debütroman also sehr beachtlich.
Die Vielzahl der Fußnoten liest sich anfangs recht witzig, stört aber mehr und mehr den Lesefluss, da wäre es eventuell besser gewesen, sie auf humorige Weise in den Text einzubinden.
Das ist aber Meckern auf hohem Niveau.
Komme ich zum Handwerklichen des Verlages. Das Buch hat ein handliches, klassisches Taschenbuchformat, das wunderbar in der Hand liegt und einen sehr professionellen Eindruck vermittelt. Auch die Aufmachung der Buchblocks ist sehr liebevoll – z.B. durch den Illurahmen zu jedem Kapitelanfang.
Auch der Preis ist – besonders im Vergleich zu anderen Kleinverlagen – mit 10.95 für 360 Seiten wirklich beachtlich und sensationell.
Das einzige Manko ist das Lektorat, das nicht optimal ist.
Aber das sollte den Kauf und das Lesevergnügen nicht schmälern!
Ich möchte mit einem Zitat aus dem Buch enden: Positives Denken ist für positive Ergebnisse unerlässlich. Erfolg kommt nur, wenn man ihm auch folgen will.
Fazit: Humoriger und intelligenter Debütroman von Kristina Lohfeldt, in klassisch-professionellem Taschenbuchformat zu einem guten Preis.
19. Feb. 2013 - Alisha Bionda
Der Rezensent
Alisha Bionda
Balearen
Website: http://www.alisha-bionda.net
Total: 395 Rezensionen
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Autorin, Herausgeberin, Redakteurin, Journalistin, Rezensentin, Agentin
Alisha Bionda wurde in Düsseldorf geboren und lebt seit 1999 auf den Balearen. Die Autorin beendet ihren Tagesablauf nachts am Meer - bis zum 23.05.2009 mit ihrer afghanischen Windhündin Jamila, die dann leider über die Regenbogenbrücke “gegangen...
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