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Karl May Welten IV

KARL MAY WELTEN IV

Michael Petzel & Jürgen Wehnert
Buch / Sachbuch

Karl May
Paperback, 216 Seiten, zahlreiche farbige und schwarzweiße Abbildungen

Im Vorwort ihres vierten Almanachs mit thematisch vielfältigen Artikeln zu und um Karl May weisen die beiden Herausgeber Jürgen Wehnert und Michael Petzel auf ein halbrundes Jubiläum - ungefähr fünfzig Jahre Karl May Verfilmungen nach dem Zweiten Weltkrieg - sowie das hundertste Todesjahr Karl Mays hin. Und trotzdem gelingt es den Forschern, immer noch neue Fakten über den sächsischen Schriftsteller herauszufinden, bzw. Lücken/ Unklarheiten in seiner Biographie zu schließen.
Das Fragment "Zerrissen" in der vorliegenden Form ist in Kombination mit Wilhelm Vinzenz und Jürgen Wehnerts folgenden Anmerkungen ein klassisches Beispiel. "Zerrissen" ist das Auftaktfragment einer von Karl May nicht beendeten Geschichte. Auf dem Blatt hat er später neben Gedichtfragmenten eine humorvoll kindische Ode an das Schwein verfasst, so wie Wortreihen niedergeschrieben, die ihm beim Reimen helfen sollten. Ideen von diesem sehr gut reproduzierten Blatt hat May in unterschiedlichen Werken teilweise verwandt. Hinzu kommt, dass die Herkunft des Blattes nach Mays erstem Gefängnisaufenthalt darauf hinweist, das er früher als die Forscher im Gegensatz zu Mays eigenen Erinnerungen mit dem anfänglich noch nicht erfolgreichen Schreiben begonnen hat. Das mehrfache Widerverwenden des Blattes gibt darüber hinaus einen interessanten Einblick in die anfänglich ärmliche Arbeitsweise des Karl Mays. Jürgen Wehnert in einem für seine sonstigen Arbeiten teilweise arroganten und hochnäsigen Zwischenton ergänzt seine Arbeit um Mays Fragment mit einem Überblick über die Publikationen des Münchmeyer- Verlags zwischen 1862 und 1874. Da der Verlag verpflichtet worden ist, Belege der Veröffentlichungen an die staatlichen Archive abzugeben, gibt es zumindest Titeltechnisch einen Überblick über die Jahrgangsbände. Sie weisen auf keinen bekannten Karl May Text hin. Der Überblick ist ansonsten sehr sachlich fundiert geschrieben, aber der Hinweis von oben herab, dass diese Jahrgänge selbstverständlich keine Text von Karl May enthalten haben, zeigt, dass der Autor von Spekulationen in diese Richtung eher genervt ist. Warum der Verleger allerdings Karl Mays Texte erst bezahlen und dann veröffentlichen würde, sowie ihre Publikation mangels Adressaten für das Geld über mehrere Jahre zurückstellen sollte, ist angesichts des Geschäftsgebaren vieler Kolportageverleger insbesondere unbekannten Autoren, kein Beweis, dass May nicht vor 1875 selbst bei Münchmeyer etwas veröffentlicht haben könnte. Eine andere Facette auf Marys Schaffen wie auch seinen Einfluss auf andere Autoren liefern drei aufeinander aufbauende Artikel von Wilhelm Vinzenz und Jürgen Wehnert ("Karl May und die Präriebandtexte im "Guten Kameraden"") sowie Rudi Schweikert ("Ich gelangte glücklich in die Stadt" und "Adsy, Jamir und Khudyr"). Es ist interessant, dass manchmal der Nachweis für Mays Autorenschaft durch die Vielzahl der Zitate/ Entlehnungen bei anderen Autoren geführt wird. Vinenz und Wehnert nähern sich erstens über die Abrechnungen verschiedener Texte der Urheberschaft und kommen dann zum verblüffenden Fazit, dass der Verlag die erste von zwei "Präriebrand" Geschichten aufgrund der zahllosen Zitate nicht adäquat bezahlen wollte. Auch Rudi Schweikert zeigt nachdrücklich am Beispiel des Besuchs Mekkas durch Karl Mays Helden auf, wie sehr hier aus A.W. Grubes "Geographische Charakterbilder" zitiert worden ist. Schweikert beweist, das May aber nicht nur abgeschrieben hat. Er hat die Reihenfolge der Beschreibungen variiert und wichtige anonym zitierende Textpassagen innerhalb seiner Geschichten verschoben. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Vergleich mit Vinzenzs/ Wehnerts Artikel, bei dem es angesichts von May Collagegeschichten wahrscheinlich Probleme mit der Bezahlung gegeben hat. Wahrscheinlich haben einige Verleger angesichts Karl Mays Popularität auch bei den Zitaten ein oder zwei Augen zugedrückt. In seiner zweiten Arbeit "Adsy, Jamir und Khudyr" verweist der Autor auf eine weitere Fähigkeit Mays, seinen Geschichten mit kurzen Querverweisen auf bekannte historische Figuren und deren Schicksal Authentizität zu verleihen. Wobei der Schriftsteller auch hier angesichts der Beschränkungen manch anderer literarischer Quelle sich geschickt aus der Bedrouille rettet. Es spricht für Karl Mays Talent als "Erzähler", das er die zahlreichen Autoren überdauert hat, aus deren Arbeiten er zahlreich zitiert hat und die drei thematisch miteinander verbundenen auf einige Quellen zurückgreifenden Essays legen beredt davon Zeugnis ab

Ein wichtiger Aspekt der "Karl May Welten" ist die punktuelle Auseinandersetzung mit Mays Werk. Christina Wehnert schreibt in "Sie müssen nach dem Buchstaben des Gesetzes entscheiden" über eine Gerichtspassage aus "Der verlorene Sohn". Gerichtsverhandelungen durchziehen Karl Mays Werks, wie die Autorin gleich zu Beginn anmerkt. Einen Bogenschlag zu den vielen Prozessen, die Mays Leben durchziehen, möchte sie nicht schlagen. Dabei wäre dieser Vergleich relevant, denn selten hat ein Autor sich durch die enge Identifikation mit seinem jeweiligen Ich- Erzähler in unterschiedlichen Positionen vor "Gericht" gesehen. Als Angeklagter insbesondere in den ersten Reiseerzählungen, als Ankläger verschiedener Schurken und schließlich auch als die harten Urteile abmildender Laienrichter. In ihrem Essay arbeitet die Autorin verschiedene Aspekte der ausführlich beschriebenen Gerichtsverhandlung überzeugend heraus und stellt sie gegenüber. Man vermisst allerdings ein abschließendes Urteil, sie bleibt in ihrer Interpretation des beschriebenen zu distanziert und zu ambivalent.

Karl May in allen Variationen. Es finden sich zwei Artikel über die Filmpostkarten, wobei „Die Ilse Stern Story“ von Michael Petzel und „Franz Josel Rüdel- der König der Filmpostkarten“ aus der Feder Thomas Winklers unternehmerische Einzelleistungen beleuchten, die es in der heutigen kommerziellen Welt so gar nicht mehr geben wird. Es werden nicht nur die Produkte vorgestellt, sondern die im Hintergrund agierenden Menschen, so weit das überhaupt aus einer Distanz von teilweise mehr als zwanzig Jahren möglich ist. Abgerundet wird dieser Block durch Malte Ristaus „Mit Spielfiguren unterwegs in den Traumwelten Karl Mays“, der die unterschiedlichen kleinen Plastikfiguren und die heute wieder populärer werdenden Wundertüten vorstellt, die für Kinder in den sechziger Jahren den heutigen Überraschungseiern entsprechen. Nur gab es damals bunt gefärbten Puffreis statt der Extraportion Milch. An diesen Essays erkennt man das kommerzielle Potential der „Karl May“ Filmreihe, die auf die Gegenwart übertragen mit den „Star Wars“ Filmen vergleichbar ist. Alle Artikel sind gut mit einem Schuss Humor geschrieben und geben einen zufriedenstellenden Überblick hinsichtlich der vorgestellten Produkte. Sehr gutes Fotomaterial teilweise im Anhang in Farbe rundet diesen Aspekt der „Karl May Welten“ ab.


Einen breiten Abschnitt nehmen in jeder "Karl May Welten" Berichte zu den verschiedenen Karl May Filmen der Wendland Ära sowie Besuche der Drehorte im ehemaligen Jugoslawien ein. Die Essays nicht nur reichhaltig bebildert, die Druckqualität der Fotos ist insbesondere für die Vorlagen erstaunlich gut. Michael Petzel setzt sich mit den eher im Hintergrund agierenden Antreibern der Karl May Serie Gerhard F. Hummel und Waldfried Barthel auseinander, die neben dem Karl May Stoff auch ein Mitspracherecht an der Besetzung der wichtigsten Rollen sowie anfänglich auch des Regisseurs gehabt haben. Petzel lässt den Leser in eine cineastische Zeit eintauchen, in welcher die Kinoverleiher aufgrund der aufgebrachten Geldmitteln das Sagen hatte und Produzenten wie Horst Wendlandt anfänglich ausschließlich ausführende Organe gewesen sind. Die den kompakt geschriebenen informativen Artikel begleitenden Fotos sind kleine Zeitdokumente. Jan Koton hat "Frau Hanzakova besucht die Dreharbeiten zu "Winnetou 3. Teil" übersetzt. Karl Ebner begab sich auf Spurensuche nach weiteren Drehorten der Karl May Filme. Die beiden Artikel ergänzen sich ideal. Während Frau Hanzakova nicht zuletzt aufgrund des damals von der Sowjetunion unterdrückten Prager Frühlings nicht nur ein kurzweilig zu lesendes Zeitdokument einer Ära ist, die heute mehr und mehr in Vergessenheit gerät, sucht Ebner den Brückenschlag zwischen den damaligen Drehorten und der heute kaum noch zu erkennenden Landschaft. Zwischen diesen beiden zeitlichen Extremen hat Michael Petzel Blicke sowohl in "Winnetous Waffenkiste" als auch "Wäschekammer" geworfen, in dem er logistische Dokumente der Dreharbeiten zahlreichen Fotos gegenüber stellt. Es sind diese kleinen "Nebenkriegsschauplätze", die nachhaltig unterstreichen, das selbst fast fünfzig Jahre später noch Informationen und Details zu den Dreharbeiten ausgegraben, gesichtet und nicht unbedingt Bier ernst kommentiert präsentiert werden können.
Hartmut Schmidt wandelt auf den Spuren des Originals. Er folgt Karl Mays Reise nach Kairo und der Umgebung der ägyptischen Hauptstadt. Jan Koten berichtet von „Karl May in Tschechien“ und seinen persönlichen Erinnerungen an vier aufeinanderfolgende „Winnetou 3“ Kinobesuche mit vielen Tränen und einem entnervten Vater. Wie sehr Karl Mays Werk die politischen Grenzen überschreiten konnte, machen die verschiedenen Anläufe deutlich, zumindest religiös entschärfte Versionen seines Werkes zu veröffentlichen.

Auf einen dunklen Aspekt in Mays Leben geht Jürgen Seul in „Rudolf Lebius und der Fall Karl März“ ein. Er spannt in seinem durch Briefwechsel unterlegten Artikel den Bogen von Lebius Darlehensversuchen, seinen erpresserischen Heftartikeln, der Machtlosigkeit der Staatsanwaltschaft bis zum Versuch, Karl May mittels einer Buchpersiflage auch nach dessen Tod mit Schmutz zu bewerfen.

Neben den Rezensionen aktueller Veröffentlichungen aus dem Karl May Universum beschließt eine Satire "Karl.May- Die weiße Katze" aus der Feder Bob Byrs. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich Karl Emmerich Robert von Bayer, der wortreich eine Reihe von May´schen Übertreibungen verdichtet. Als Ergänzung schon bebilderter verschiedener Essays dieser Sammlung sind sehenswerte Farbphotos am Ende der vierten "Karl May Welten" gesammelt veröffentlicht worden.

Zusammengefasst bieten die neuen „Karl May Welten“ wieder einen breiten Überblick über das immer noch sehr lebendige „Karl May“ Universum, das im Gegensatz zu „Sherlock Holmes“ momentan nicht durch zahlreiche Verfilmungen für Fernsehen und Kino neue Impulse erhält. Das Spektrum dieser Ausgabe ist breit, wobei die intensive detaillierte Auseinandersetzung mit Mays Werk im Vergleich zu den Artikeln über die Dreharbeiten der Filme und ihren Schauplätzen bzw. den zahlreichen Merchandising Produkten in den Hintergrund tritt. Eine gelungene, kurzweilige Ausgabe dieses inzwischen sehr gut positionierten und inhaltlich durch seine Vielschichtigkeit im Vergleich zu den kleineren semiprofessionellen Karl May Fanclub Veröffentlichungen etablierten Almanachs.

11. Mar. 2013 - Thomas Harbach

Der Rezensent

Thomas Harbach
Deutschland

Total: 732 Rezensionen
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