Vintage Tea Party
Kochbücher gibt es wie Sand am Meer. Die meisten landen früher oder später im staubigen Grab des Vergessens, weil sie einfach nur toll bebilder, aber die Rezepte nicht praktikabel sind, oder weil sie getragen von guten, aber nicht umsetzbaren Absichten gekauft wurden (ich sage nur: die Kohlsuppendiät). Es gibt aber auch Kochbücher, in die man sich sofort verliebt und die einen festen Platz im Leben bekommen. „Vintage Tea Party“ von Angel Adoree ist so ein Fall.
Bereits die Aufmachung des Buches ist ein echter Hingucker. Nicht übergroß, fest gebunden und mit einem „Guckloch“ , durch das die Autorin Angel Adoree mit ihrem feuerwehrroten Schopf eingedrehter Haare lugt, signalisiert es Hochwertigkeit und Exzentrizität. Nach einer charmanten Einleitung, die eher dem entspannten Geplauder auf einer Tea Party als angestrengten Ermutigungen zum Experimentieren in der Küche ähnelt, finden sich Kopiervorlagen für die Einladung zur Tea Party, Tipps zur Location, zu den stilgerechten Requisiten und ein erster Hinweis für die Frau von Welt, wie man im Stil der 40er Jahre ein Kopftuch bindet, gerne auch, um die Lockenwickler darunter an Ort und Stelle zu halten. Wer jetzt allerdings empört aufschreit und denkt, dies sei statt einer Hommage an den Retrostil eher ein Rückschritt nach Machoart, Frauen zurück an den Herd zu holen, der täuscht sich. Hier wird Lebensart zelebriert, mit wahrer Freude und Hingabe, die nichts mit alten Zöpfen zu tun hat, und zwar mit einem ironischen Augenzwinkern.
Das Buch teilt sich in vier Kapitel, unterteilt nach den Tageszeiten: Brunch, Afternoon und Evening und als Abschluss ein kurzes Kapitel über Make-up, Frisur und die Erscheinung des Mannes bei der Tea Party.
In jedem der drei ersten Kapitel gibt es köstliche Rezepte, begleitet von exquisiten Fotos. Feste und flüssige Nahrung, Süßes und Herzhaftes findet sich in klassischen Varianten ebenso wie in modernisierter und auch exzentrischer Form. Beispiel gefällig? Traditionelle Scones oder die Zitronenscones mit Lavendelcreme stehen zur Auswahl, Weingelee-Tiere, Krebse im Windbeutel, selbst gemachte Marmeladen, selbst gebackenes Brot, Lemon Curd – alles very british, aber überhaupt nicht verstaubt. Mein absoluter Favorit ist der „Salatfriedhof“, bei dem auf schwarz eingefärbtem Couscous Pilze, Salate, Kräuter und Sprossen in der „Erde“ drapiert und für jeden Gast mit einer eigenen Schere serviert werden. So exzentrisch und auf optische Effekte angelegt dieses Rezept auf den ersten Blick erscheint, es ist tatsächlich für einen ganz normalen Hobbykoch nachvollziehbar und auch praktikabel. Natürlich finden sich neben diesen kapriziösen Rezepten auch die wirklich einfachen Dinge wie eine Zitronentarte oder die heißen Schokoherzen, einem Doppeldecker aus gebratenem Weißbrot, gefüllt mit Nuss-Nugatcreme.
Immer wieder aufgelockert wird das Kochen durch verschiedene Stil- oder Partytipps, darunter auch Gesellschaftsspiele, und vor allem durch die Dekotipps. Natürlich verkauft „Vintage Tea Party“ auch einen bestimmten Lebensstil und vor allem seine geniale Autorin Angel Adoree, ist aber dabei niemals verkrampft oder bemüht. Man merkt, das hier die Berufung, sich mit alten Dingen zu beschäftigen, zum Beruf wurde und die Autorin großen Spaß hat, an dem was sie tut. (Was man von der Verfasserin der Kohlsuppendiät sicher nicht immer behaupten kann.)
Fazit:
Innovative Varianten wechseln sich ab mit klassischen britischen Rezepten, garniert mit Lebensfreude und Stil. Wecke die Diva in Dir!
13. Mar. 2013 - Gunda Plewe
Der Rezensent
Gunda Plewe

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Gunda Plewe wurde 1971 am Niederrhein geboren, und ihr Lebensweg verlief bis zum 3. Semester ihres Germanistikstudiums schnurgerade und zielgerichtet auf eine Tätigkeit im Universitätsbetrieb hin – zu diesem Zeitpunkt war ihre Vorstellung von einem idealen Leben die, in einem Elfenbeinturm zu sitzen und Mörike-Gedichte zu interpre...
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