|
emperor-miniature
Die Spinnenfrau
Anfangs hielt ich es für eine gute Idee. Mein Mann hatte mich sitzenlassen, ich hatte keinen Job und einen Namen, mit dem ich mich gar nicht erst vorzustellen brauchte. Ich heiße Agneta. Keine Ahnung, was sich meine Eltern dabei dachten. Naja, denen hab ich bereits als Kind die Kehlen durchgeschnitten. Ich war natürlich noch nicht strafmündig und beweisen konnte man mir auch nichts, so kam ich in ein Waisenhaus, aber das Messer mit dem ich die Tat begangen hatte, habe ich immer behalten. Mit Männern hatte ich es nicht so, denen habe ich nach dem Sex meistens gleich die Kehle durchgeschnitten, ganz nach dem Vorbild meines Lieblingstiers, der schwarzen Witwe. Tja, und da saß ich nun. Wie gesagt, mein Mann hatte mich sitzengelassen. Konnte sich mit meinem Hobby nicht abfinden: Spinnen. Dabei wollte ich mir gerade ein normales Leben aufbauen. Getötet habe ich nur meine zahlreichen Liebhaber, aber damit würde wohl auch bald Schluss sein. Die Polizei würde mir bald auf die Schliche kommen. Da wurde ich eines Abends in der Bar von der Seite angequatscht. Dauerte nicht lange, da gingen wir in ein Hotelzimmer. Ich muss zugeben, ich guckte dumm aus der Wäsche, als sich mein Lover als Riesenspinne entpuppte. Er biss mich und ich starb. Als ich wieder erwachte fühlte ich mich anders. Ich war viele. Viele kleine Spinnen, aus denen sich mein Körper zusammensetzte.
Mein Lover erklärte mir, dass er aus einer anderen Dimension stammte und die Menschheit in eine neue Zukunft führen wollte. Ich war gewissermaßen das Vorbild für die neue Herrenrasse. Dummerweise brauchte er dafür Kraft. Die Lebenskraft der Menschen, die er aus deren Knochenmark bezieht. Ich ersparte mir den Vortrag, dass Spinnen eigentlich ein Verdauungssekret in ihre Opfer spritzen und den ganzen verflüssigten Organmatsch in sich hinein saugten. Naja, er war ja auch ein Dämon. Natürlich wurden unsere Opfer gefunden. Als ich eines Abends dann auf dem Friedhof spazieren ging und nebenbei die Gräber meiner Eltern und einiger verflossener Liebhaber besuchte, tauchte plötzlich dieser Schläger auf, der mich flachlegen wollte. Dagegen hätte ich ja erstmal nichts einzuwenden gehabt. Aber die plumpe Art der Anmache nervte gewaltig und mein Lover ist ziemlich eifersüchtig, so dass wir kurzen Prozess mit dem Typen machten. Dummerweise rief das wieder die Polizei auf den Plan. Insbesondere zwei der Bullen fielen auf. Ein großer Blonder mit einer kleinen sichelförmigen Narbe auf der Backe und ein Japaner oder Chinese, der eine grauenhafte Aura hatte. Dachte, es lohnt sich die beiden im Auge zu behalten, womit ich natürlich recht hatte. Gab es doch tatsächlich einen Zeugen unserer letzten Tat. Irgendein Penner, der den beiden Bullen steckte, was er gesehen hatte. Dann konnte ich mich auch gleich zu erkennen geben. Also zerfiel ich spontan in viele kleine Spinnen und krabbelte den drei Flitzpiepen entgegen. Wollte denen ein bißchen Angst machen. Bei dem Penner schien das wohl auch zu wirken, doch die anderen beiden – redeten. Hätte ich einen Kopf gehabt, hätte ich mich bestimmt dran gekratzt, denn die beiden Bullen standen da und quasselten, während meine Spinnen an ihnen vorbeikrabbelten. Mein Lover hatte inzwischen seine Nebelwand entstehen lassen, in der wir Schutz suchten, denn die beiden Bullen hatten wohl doch noch vor zu reagieren. Waren glücklicherweise nicht von der schnellen Truppe. Auch jetzt schlenderten sie langsam auf den Nebel zu. Hatten die Ruhe weg. Im Nebel wollte mein Lover dann kurzen Prozess mit den beiden Nervensägen machen. Aber der Chinese holte eine Peitsche vor und der Faden zerbröselte. Ich hatte mich noch gewundert, weshalb der Bulle sein Sadomaso-Spielzeug mit sich rumschleppt, aber offenbar handelte es sich um eine Waffe. Daher auch die unangenehme Aura. Tja, und nun? Rückzug. Aber ich beschloss die beiden im Auge zu behalten.
Tatsächlich sie fuhren zu Scotland Yard und machten wenig später Feierabend. In der Nähe eines Restaurants trennten sie sich. Der Blonde blieb mit seinem schwarzhaarigen Betthäschen zurück, der Chinese fuhr weiter. Ich beschloss mich auf den Blonden zu konzentrieren. Mir persönlich erschien mir der Chinese zu gefährlich, aber mein Lover meinte bloß der Blonde sei der Serienheld, deshalb müsste ich mich mit dem befassen. Ich verstand das zwar nicht, wollte aber auch nicht nachfragen. Als ich so sah, was die beiden da Leckeres aßen, bekam ich gleich Hunger, so dass mir direkt drei Spinnen aus dem Mund fielen. Das sorgte natürlich für Aufsehen. Verdammt, da konnte ich mich auch gleich zu erkennen geben. Ich setzt mich zu dem Blonden und seiner Freundin an den Tisch, vielleicht konnte ich einen Happen abkriegen. Die blonde Schnarchnase ist aber ein echter Spielverderber. Machte einen auf Bürokrat und verhaftete mich. Von mir aus, schien ja Spaß an Fesselspielchen zu haben. Passte jedenfalls zu seinem schlitzäugigen Peitschen-Freund. Ob die wohl zusammen … egal. Ich musste erstmal weg, also zerfiel ich spontan wieder in zahlreiche Spinnen. Der Blonde fuhr mit seiner Ische nach Hause und ich brauchte erstmal eine kleine Stärkung. Im Park fand ich einen Penner für Zwischendurch. Anschließend befragte ich meinen Lover, was zu tun sei. Der meinte ich solle den Blonden kaltstellen, der hieße übrigens John Sinclair. Woher er das wisse, fragte ich. Er meinte, das steht vorne auf dem Cover. Nach dieser blöden Antwort fragte ich nicht weiter. Aber wie stellte ich das am besten an? Anrufen, sagte mein Lover. Woher ich denn die Nummer nehmen solle?, fragte ich ihn. Aus dem Telefonbuch, antwortete mein Lover. Um es vorweg zu nehmen, das Gespräch hat nicht gebracht. Was für eine Flitzpiepe. Wie hat der es bloß auf 1829 Ausgaben gebracht? Moment, woher wusste ich das? Egal. Weiter im Text. So richtig Bock hatte ich ja nicht auf die Konfrontation. Also schickte ich ein paar Spinnen zur Abwechslung in den Hausflur. Hat zwar schon auf dem Friedhof nicht gewirkt, aber man weiß ja nie. Die beiden Idioten haben sie zertrampelt. Offenbar keine Spinnen-Liebhaber. Also rief ich wieder an und meinte, der Blonde solle mal allein auf das Dach kommen. Da würden wir ihn dann kalt stellen. Ich hatte ja auch keinen Anlass dafür anzunehmen, der Chinese würde ihm folgen. Anfangs lief auch alles gut. Sinclair lag am Boden, mit drei dicken Spinnenfäden meines Lovers ruhig gestellt. Und dann kam der Chinese! Wer hätte damit gerechnet? Vielleicht hatte ich ja Glück und würde ihn mit dem Messer …
An dieser Stelle muss ich wohl übernehmen. Agneta nannte mich immer ihren Lover, naja. War ein bißchen verknallt in mich. In Wahrheit bin ich aber der Kleine Junge des Großen Alten Kalifato. Aber pssst, das darf der Autor nicht mitkriegen, dass ich das ausgeplaudert habe. Der legt keinen Wert auf Kontinuität. Der will sein wöchentliches Pensum abliefern, das Honorar einstreichen und fertig. Ich hätte den Blonden ja einfach mit in meine Dimension gezogen und dort ausgesaugt, während Agneta von dem Chinesen zu Tode gepeitscht wird (sie stand noch nie auf Sadomaso), aber der Autor sagte, er habe genug geschrieben und nächste Woche müsse er wieder ein Heft abliefern und da müsste der Serienheld wieder auf der Matte stehen. Ja, ... aber ..., ob man nicht einen Zweiteiler … Nein, sagte der Autor, da hab ich keinen Bock drauf. Also verpiss dich. Schade, eigentlich wollte ich noch ein wenig bleiben. Aber Sie haben es ja gelesen, ich muss weiter. Vielleicht liest man ja trotzdem wieder voneinander.
Meinung:
Als Fan bleibt einem eigentlich nur noch, die Romane mit Humor zu nehmen. Dabei ist die Grundidee gar nicht schlecht. Wieder einmal. Aber mit der Handlung und der Kontinuität hat es der Autor eben auch nicht. Schön, dass man wieder von Purdy Prentiss liest, aber wie man bereits an der etwas längeren Kurzbeschreibung erkennen kann, spielt sie keine tragende Rolle im Roman und führt sich eher wie ein Inspektor der Mordkommission auf. Tatsächlich ist sie dieses Mal extrem austauschbar. Ihren Part hätte auch Ciefinspektor Tanner übernehmen können, aber der war ja erst das vorletzte Mal mit von der Partie. Übrigens ist der erste Absatz der Kurzbeschreibung eine reine Erfindung von mir, über den Hintergrund von Agneta erfährt man nämlich rein gar nichts. Wieder eine absolut austauschbare und oberflächlich charakterisierte 08/15-Gegenspielerin. Natürlich wird die Geschichte auch nicht aus der Sicht der Spinnenfrau geschildert, aber ich dachte dies würde der Inhaltsbeschreibung ein wenig Pepp verleihen. Aber Achtung, es wird gespoilert!
Obwohl es eigentlich nicht viel zu spoilern gibt, denn überraschende Wendungen oder ein dramatisches Finale sucht man hier vergebens. Der dritte Roman in Folge, in der der Bösewicht der Woche mit der Dämonenpeitsche erledigt wird.
Die dämlichen, sich im Kreis drehenden Dialoge gibt es natürlich auch, halten sich aber in Grenzen. Kein Wunder bei der Schriftgröße und der Kürze des Romans. Allerdings wird der Roman dadurch auch nicht langweilig. Ärgerlich ist nur wie oft John und Suko über die Wahrscheinlichkeit einer Riesenspinne debattieren. Als ob sie das noch nie erlebt hätten. Selbst in London hatten sie schon mit diesen Viechern zu tun. Der Autor muss sich ja nicht an jeden Roman erinnern, aber die Okastra-Saga, in der es vor allem Suko mit Riesenspinnen zu tun bekommen hat, und der Dämon Kalifato sollten ihm dennoch ein Begriff sein. Doch die Geisterjäger tun so, als ob sie noch nie mit Riesenspinnen konfrontiert worden sind. Selbst das Phänomen, dass ein menschliche Körper in viele kleine Spinnen zerfällt ist eigentlich nicht neu. Das gab es bereits in dem Zweiteiler 1259/1260. Das ist natürlich schon lange her und war auch nicht so einprägsam wie die oben genannten Dämonentiere. Das Wort „Phänomen“ gehört zu Darks Lieblings-Vokabeln, was er in dem vorliegenden Roman wieder mal unter Beweis stellt.
Zu Essen gibt es dieses Mal Rumpsteak mit Spargel und für Glenda einen leichten Spargel-Salat mit Lachs. Nur für Agnet bleibt nichts übrig, siehe oben. Und dann gibt es ja noch das Finale. Sehr ärgerlich und undurchdacht. Hier wollte der Autor die Sache nur möglichste schnell zum Abschluss bringen. Man merkt regelrecht wie er nicht weiter weiß und zunächst wieder mit dem obligatorischen Telefonat aufwartet. Jedes Mal ein Ärgernis und völliger Blödsinn, ebenso wie die Aktion mit den Spinnen auf dem Hausflur. Die Idee mit dem ausgesaugten Knochenmark kam Jason Dark auch erst später, nämlich kurz bevor er dies zu Papier brachte. Purdy Prentiss hat davon jedenfalls nichts erzählt und die erste Leiche hätte ja schon obduziert sein müssen. So richtig schlecht ist der Roman keineswegs, vor allem Gelegenheitsleser oder Neueinsteiger dürften mit der Story zufrieden sein. Viele Mängel sind ja längst bekannt und dürften keinen mehr überraschen, der die Serie kennt. Ob man von der Riesenspinne noch mal was lesen wird, bleibt abzuwarten. Erwarten sollte man es aber nicht. Freunde des Tier-Horrors, insbesondere mit Spinnen als Antagonisten, dürften dennoch auf ihre Kosten kommen. Allerdings irrt sich John bei der Beschreibung des Films „Tarantula“, denn die Opfer haben sich nicht im Netz der Riesenspinne verfangen, sondern wurden vor Ort verspeist.
Aufmachung:
Mit Abstand das beste und stimmungsvollste Cover seit Band 1800. Ein wundervoll stimmiges Motiv, mit einer schaurig-schönen Atmosphäre. Leider konnte oder wollte sich der Autor nicht so recht von der Stimmung einfangen und leiten lassen. Schade. Also Roman einrahmen und an die Wand hängen.
Fazit:
Schnell herunter getippter Gruselroman mit ein paar plakativen Ekelszenen und einem viel zu raschen Finale, das nicht überzeugen kann. Immerhin ist der Plot recht einfallsreich.
30. Jul. 2013 - Florian Hilleberg
Der Rezensent
Florian Hilleberg

* 03. März 1980
Website: http://www.florian-hilleberg.net/
Total: 2570 Rezensionen
März 2018: 6 Rezensionen
Im Jahre 1980 erblickte ich in Uelzen, einem kleinen malerischen Städtchen inmitten der Lüneburger Heide, das Licht der Welt.
Aufgewachsen bin ich in einem kleinen Dorf unweit meiner Geburtsstadt. Sehr früh schon interessierten und faszinierten mich die dunklen Mythen, die Dämonen und Untoten und bald hie...
[Weiterlesen...]
John Sinclair
Weitere Rezensionen zu John Sinclair finden Sie in der entsprechenden Sammelkategorie!
[Zurück zur Übersicht]
|
|