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![]() Die andere Seite der Realität
Über Nacht hatte der eine Monat seinen Platz für den nächsten geräumt. Doch die Dunkelheit war geblieben und hielt die Welt zumindest den Mikrokosmos des Londoner East Ends in ihren erbarmungslosen Griff, der das Atmen erschwerte und das Herz erschrocken stolpern ließ. Dabei war die Nacht selbst völlig unschuldig an dieser Situation. Sie war weder kälter, noch nässer oder dunkler als all die anderen Nächste zuvor und all die Nächte, die noch folgen würden. Sie war lediglich die unwissende Gehilfin einer reißenden Bestie, die vor fast genau vierundzwanzig Stunden erneut zugeschlagen hatte. STORYSeth Aspen, ein rangniederer Inspektor der Londoner Metropolitan Police ermittelt im August 1888 am Schauplatz eines blutigen Mordes. Mit 39 Messerstichen wurde eine Prostituierte bestialisch getötet. Weitere, ähnliche Morde geschehen, die Zeitungen sprechen von einer Mordserie und das East End droht in Hysterie zu ersticken. Inspektor Abberline von Scotland Yard übernimmt die Leitung des Falls und holt Aspen als Ko-Ermittler an Bord.Bald hat Aspen einen dringend Verdächtigen, dem er allerdings nichts nachweisen kann und der sich eilig in sein Heimatland Amerika absetzt. Der Inspektor folgt seiner Beute über New York nach Montreal und noch weiter bis auf die andere Seite der Realität. In eine Welt namens Innes, wo der Ripper weiter mordet und Aspen selbst ein Geächteter und den Herrschern des Landes ein Dorn im Auge ist. Jemand hatte sich ausgetobt. Jemand hatte mit grausamer Freude der Frau den Hals durchgeschnitten und sich dann lange Zeit dafür genommen, wieder und wieder in sie zu stechen, ein fast perfektes, kreisrundes Loch in ihren Bauch zu schneiden, die Eingeweidefrei zu legen und die Organe zu entnehmen. Zumindest hoffte Seth, dass all das passiert war, nachdem die Frau tot war. MEINUNGFast ebenso wie die Detektivikone Sherlock Holmes scheint auch sein tatsächlich existierender Zeitgenosse Jack the Ripper nie ganz aus der Mode zu kommen und immer wieder die Fantasie von Buchautoren und Filmemachern zu befeuern. Alleine mit den Titeln an fiktiven und wissenschaftlichen Veröffentlichungen über den Mörder von Whitechapel, dessen Identität bis heute nicht zweifelsfrei geklärt ist, könnte man ein eigenes Buch füllen. Die Autorin A.P. Glonn wirft in DIE ANDERE SEITE DER REALITÄT eine ganz neue natürlich fiktive Hypothese in den Ring. Allgemein dürfte der Roman mit seiner Mischung aus historischem Kriminalroman und nahezu klassischer Fantasy ein Novum darstellen.Begründet ist der interne Genrewechsel, der nach etwa 1/3 des Buches passiert, damit, dass Jack the Ripper ein magiebegabtes Wesen aus einer Parallelwelt namens Innes ist. Bei einem Zweikampf mit dem Mörder wird ebenfalls sein Verfolger Seth Aspen in die fremde Welt gezogen. Hier erhält der Roman auch einen empfindlichen Bruch, weg vom Historienthriller, hin zur nahezu reinrassigen Fantasy inklusive eines mittelalterlichen Settings und menschenähnlicher Wesen, von denen nicht wenige über magische Fähigkeiten verfügen. Jack selbst kann als sogenannter Dunkler Wandler sogar die Gestalt jedes anderen Lebewesens annehmen und seine Opfer durch diese Täuschung in Sicherheit wiegen. Nach anfänglichen Orientierungsschwierigkeiten findet Aspen in den Personen, die ihn nach seinem Übertritt gefunden und versorgt haben, Verbündete, die ihn schließlich bei seiner Jagd nach dem Mörder unterstützen. Denn Jack setzt seine blutigen Verbrechen auch in Innes fort. Der an sich originelle Twist der Geschichte schwächt diese auch erheblich, denn nachdem die Handlung aus dem historischen London-Setting nach Innes springt, steht die Handlung zunächst still und muss erst neu Fahrt aufnehmen, was nicht mehr vollständig gelingt. Viel zu ambitioniert geht Fr. Glonn hier zu Werke. Sie will denn Personen gerecht werden, die Jagd nach Jack weitererzählen und noch eine (vorhersehbare) Liebesgeschichte in die Handlung hinein spinnen. Zusätzlich konstruiert sie noch einige Hindernisse für unserer Helden, die jedoch wie Seifenblasen zerplatzen. Am Ende wird noch eine Verbindung zwischen Jack und Seth Aspen zusammen gesponnen und alles mit biblischer Symbolik dick überzuckert, so dass man das ebenfalls unnötig langgezogene Ende kaum mehr erwarten kann, zumal nichts davon so richtig funktioniert. Als ebenso überflüssige Makulatur erweist es sich, dass die Geschichte in eine gegenstandslose Rahmenhandlung gebettet ist. Für das nächste Buch wünsche ich Fr. Glonn oder dem Lektorat mehr Mut zur Streichung. Was die physische Erscheinung des Buches angeht, hält der Luzifer Verlag wieder seine gewohnt guten Standards. Das großartige Covermotiv- und layout wurden von Timo Kümmel realisiert; die Klappenbroschur wertet das Taschenbuch nochmals auf. Auch der angenehm lesbare Satz überzeugt auf ganzer Linie. FAZITVerquaste Mixtur aus historischem Krimi und Fantasy, die keine der beiden Leserfraktionen wirklich zufrieden stellt. Autorin A. P. Glonn stolpert über die eigenen Ansprüche. 07. Okt. 2015 - Elmar HuberDer RezensentElmar Huber![]() Total: 674 Rezensionen (* 1972) kann sich noch dunkel an den "phantastischen Film" im Nachtprogramm des ZDFs erinnern, der damals (nicht zuletzt aufgrund des Zeichentrickvorspanns) schon eine gewisse Faszination ausübte. [Zurück zur Übersicht] |
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