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Ich, Michael Zamis
Uwe Voehl und Peter Morlar
Unter der Exposeführung von Uwe Voehl wird die dreigeteilte Struktur der Coco Zamis Sammelbände mehr und mehr aufgelöst. Eine stringente, die einzelnen Teile umschließende Handlung, dazu ein Höhepunkt, der auf den nächsten Romandreiteiler hinweist. Mit Peter Morlar tritt auch endgültig ein neuer Autor bei Ich, Michael Zamis in den engsten Ring der Hexenbeschwörer ein. Zwei der drei Kapitel stammen aus seiner Feder. Seine ersten literarischen Gehversuche hat der im richtigen Leben (?) Leiter einer Tanzschule im Rahmen der neuen Dämonenkiller- Romane unternommen, das Pseudonym ist dem Film Der Schrecken der Medusa entlehnt. Richard Burton hat in diesem auch heute noch empfehlenswerten Thriller einen Mann gespielt, der mittels seiner Gedankenkraft Katastrophen ausgelöst hat. Zumindest in der Wahl seines Namens zeigt sich eine Liebe zum Genre. Das Expose von Uwe Voehl ist breit aufgestellt, umfasst im Grunde einen Zeitraum von mehr als zweihundert Jahren und mit dem zaristischen Russland sowie einer latent veränderten Traumgegenwart zwei sehr unterschiedliche Welten. Zum einen flieht Coco Zamis wieder oder weiterhin auf der Flucht vor den Feinden ihrer Familie. Wien bleibt weiterhin aus dem Gedächtnis der Welt getilgt. Als Coco sich nach der Hauptstadt Österreichs erkundigen will, empfängt sie nur verständnislose Blicke. Vielleicht zeigt Uwe Voehl in einem seiner nächsten Romane, wie es den Mitgliedern der Zamis Familie in dieser Namenlosigkeit ergeht? Die Stadt am Ende nur zu befreien, wäre zu einfach. Mit dieser Maßnahme hat Voehl Coco zum wiederholten Mal im Rahmen dieser Reihe isoliert. Zu Beginn konnte sie nicht auf die Unterstützung ihrer Familie hoffen, dann näherten sich die beiden unterschiedlichen Interessen ein wenig an, um jetzt endgültig auseinanderdividiert zu werden. Coco selbst ist in der Zeitblase um das Schloß Laubach gefangen. Die Menschen bereiten sich auf eine dämonische Feier vor, in deren Mittelpunkt auch die junge Hexe stehen könnte. In ihrem Besitz befindet sich die Dämonenvita Michael Zamis, eine besondere Art des Tagebuchs. Coco Zamis trifft nach ihrer Flucht aus der Zeitblase auf einen geheimnisvollen Antiquitätenhändler, der ihr den Kubus abnehmen soll, In diesem Dreiteiler stellt die Haupthandlung um Coco Zamis im Grunde nur einen Nebenarm dar. Das Geschehen ist zu Beginn durchaus lesenswert und kompakt aufgebaut, im Verlaufe ihrer Suche und spätestens nach der Begegnung mit dem Antiquitätenhändler nicht nur den Hexensinnen signalisiert dessen Erscheinung permanente Gefahr flacht der Handlungsbogen deutlich ab, bis Coco am Ende des Buches wieder in einer Art Cliffhanger in einer gefahrvollen Situation zurückgelassen wird. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, diese Haupthandlung mit den interessanten, spannenden und vor allem mit einem historischen Sujet verbundenen Einblick in Michael Zamis Leben stärker zu verbinden. Coco Zamis hätte in der Gegenwart Charakteren begegnen können, die nicht zu leugnende Ähnlichkeit mit den Protagonisten der Dämonenvita haben. Oder sie wäre einem modernen Sektierer begegnet, der sich auf die Heilkräfte Rasputins beruft, der in der Dämonenvita eine wichtige Rolle spielt. Die Idee mit dem Antiquitätenhändler wirkt ein wenig zu aufgesetzt und im letzten Teil des Romans konzentriert sich das Interesse des Lesers deutlich stärker auf die historischen Ereignisse, ohne das denen allerdings wirklich neue Facetten zugefügt werden.
Michael Zamis ist im Russland der Zarenzeit unter dem Namen Mikhail geboren worden. In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen hat er sich schnell für die dunkle Seite der Magie interessiert. Wie der Leser gleich zu Beginn erfährt, ist sein Vater von dieser Entwicklung nicht begeistert. In einer Parallelkonstruktion verfolgt der Leser die Geburt eines anderen Jungen namens Rasputin. Von einem geheimnisvollen Fremden mit einer jungen verheirateten Frau gezeugt, wird er ihr sechs Jahre später unter den Namen Rasputin wieder zur Erziehung übergeben. Gleich zu Beginn wird seine verschlagene Persönlichkeit mit latent grausamen Zügen dem Leser vorgestellt. In der Schule kommt es zu ersten Konfrontation zwischen Rasputin und Michael Zamis. Im Verlaufe ihres jungen Lebens werden sie sich ein weiteres Mal als Konkurrenten am Zarenhof begegnen, aus Michael Zamis ist der opportunistische Mediziner eines Teils der Zarenfamilie geworden, Rasputin ist der charismatische Prediger und Heiler, der schließlich am Hof des Zaren Einfluss gewinnt und Zamis langfristige Pläne zu zerstören beginnt. Aus diesem schwellenden Konflikt wird schließlich ein Jahrzehntelanger Kampf um die dunkle Seite der Macht.
Der Roman besticht durch die interessante Kombination von historischen Vermutungen/ Tatsachen und den fiktiven Familienmitgliedern der Zamis Familie. Gleich zu Beginn werden vielleicht ein wenig klischeehaft überzogen die ärmlichen Verhältnisse der russischen Landbevölkerung beschrieben. Die Mischung aus Gottesfurcht und Aberglauben ist allerdings überzeugend zur Grundlage der weiteren Entwicklung gemacht worden. Die ersten Konfrontationen zwischen Rasputin und Michael Zamis basieren auch auf ihren jeweiligen Charaktereigenschaften, der eher verschlossene Zamis er hat sich sein Wissen gänzlich alleine beigebracht, wobei der Zwischenschritt vom fleißigen Autodidakten zum Hexenmeister ein wenig zu kurz bei dieser Entwicklung kommt trifft auf den extrovertierten Rasputin. Der Konflikt verschärft sich immer, wenn aus den persönlichen Animositäten der Kampf um die Macht in einem mehr und mehr innerlich zerfallenen Russland wird. Einige Ansätze kann der Leser im Gegensatz zu Zamis schon zu weit im Vorwege erkennen, so wirkt die eine Falle, welche dem Oberhaupt der Zamisfamilie durch seine Geliebte gestellt wird, eher plump. Aber für dessen charakterliche Entwicklungen ist sie notwendig, diese Traue nur dir selbst Züge seiner Persönlichkeit bilden sich in den dunklen russischen Gefängnissen. Da der Leser diese Ereignisse ausschließlich aus Michael Zamis Perspektive verfolgen kann, wird Rasputin mehr und mehr zu einem Kainsmal für den noch unschlüssigen und manchmal ein wenig unsicher agierenden Michael Zamis. Hier wäre es sinnvoll gewesen immerhin handelt es sich um Tagebuchaufzeichnungen -, die persönlichen Emotionen wie Hass oder auch Furcht verstärkt in den Mittelpunkt der Aufzeichnungen zu stellen. Es handelt sich schließlich um eine Dämonenvita und da wird weder objektiv noch emotionslos von den eigenen Niederlagen oder auch Triumphen berichtet. Hier wäre es sinnvoll gewesen, die sachliche Perspektive gänzlich zur Seite zu schieben und einen leicht exzentrischen, unobjektiven und vor allem mehr und mehr von den Demütigungen Rasputins beeinflussten Bericht zu schreiben. Natürlich erhält der Leser mit diesem Roman einen besseren Einblick in Michael Zamis Persönlichkeit und seinen Werdegang, der Charakter wird dreidimensionaler, ein Teil seiner Handlung verständlicher. Allerdings fehlt der wichtige Brückenschlag zur Gegenwart, Coco Zamis verfolgt den Bericht eher in einer ambivalenten Haltung, es fehlt die notwendige und sicherlich auch wichtige Reflektion des Geschehens auf einer emotionalen Ebene. Eine Mischung aus Mitleid Michael Zamis Niederlagen gegen Rasputin beinhalten schon tragische Züge und Befriedigung immerhin ist sie von ihrer Familie aus ihrer Sicht mehr als einmal unnötig gedemütigt worden hätte diese Dämonenvita pointierter und lebendiger gestalten können. Herausgestellt wird, dass Michael Zamis in jungen Jahren nicht die Liebe einer hübschen oder willigen Frau über einen längeren Zeitraum halten konnte, diese haben sich mehr oder minder willig charismatischeren Charakteren zugewandt und ihm übel mitgespielt. Im Gegenzug allerdings beginnt Coco Zamis sich mehr und mehr zu einem Abziehbilder der hier beschriebenen Frauen zu entwickeln, die wenn auch dank ihrer Spiegelbilder mehr und mehr ihre Intelligenz zugunsten ihrer körperlichen Reizen in den Hintergrund drängt und so zuweilen auf zu einfache Weise zu ihren vorläufigen Zielen kommt. Hier wäre es sicherlich sinnvoll, das Rad ein wenig zurück zu drehen und aus Coco Zamis wieder eine sexuell aktiv und nicht verhurte Frau zu machen, die neben ihren übernatürlichen Fähigkeiten als weiße Hexe ihren Verstand gezielt einsetzt. Die Grenzen zwischen den einzelnen weiblichen Protagonisten sind zu fließend und schablonenhaft, um wirklich überzeugen zu können.
In erster Linie tragen die beiden männlichen Antagonisten Zamis und Rasputin den Roman. Dabei bemüht sich Peter Morlar und Uwe Voehl, mehr als nur einen immer grotesk werdenden Konflikt zu beschreiben, sondern eine gewisse Evolution auf beiden Seiten darzustellen. Es sind diese Nuancen, die Ich, Michael Zamis zu einem überdurchschnittlichen Romanwerk der Serie machen. Dazu kommt eine überzeugende, wenn auch in Bezug auf den Kometenabsturz in Tunguska iebene historische Ebene, auf der sich die fiktiven Figuren überzeugend und vor allem nachvollziehbar bewegen können und bewegen. Die Atmosphäre ist stimmig, die melancholische russische Seele mit ihrer Impulsivität und Unberechenbarkeit wird gut getroffen.
Stilistisch manchmal unauffällig hätten vielleicht die Dialoge in den historischen Passagen ein wenig anders gestaltet werden können und die beschreibenden Passagen zu Lasten der manchmal ein wenig zu steifen verbalen Auseinandersetzungen verstärkt werden sollen. Außerdem fehlt an einigen Stellen eine engere reflektierende Verbindung zwischen der Gegenwartsebene und dem historischen Geschehen, immerhin verfolgt mit Coco Michael Zamis Tochter das Geschehen und bislang kannte sie wenig aus der Vergangenheit ihres Vaters.
Trotz dieser Schwächen befindet sich die Coco Zamis Serie nach dem Wechsel in der Exposeredaktion von Ernst Vlcek zu Uwe Voehl nicht nur auf einem soliden Pfad, sondern vor allem auf einem sehr guten, spannenden Weg.
Uwe Voehl und Peter Morlar: "Ich, Michael Zamis"
Roman, Hardcover,
27. Apr. 2007 - Thomas Harbach
http://www.sf-radio.net/buchecke/horror/buch597.ht...
Der Rezensent
Thomas Harbach

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