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Holmes und der Kannibale

HOLMES UND DER KANNIBALE

Buch / Thriller

Nun liegt also der zweite Band aus dieser Reihe vor, die mit Michael Hardwicks Roman "Der Fluch von Baskerville" einen guten Start erlebt hat. Diesmal handelt es sich um Sherlock-Holmes-Geschichten, die der gute Dr. Watson oder andere Schreiber aus dem einen oder anderen Grunde "bislang noch nicht veröffentlichen wollten".

Sherlock-Holmes-Abenteuer, weiß der Fan, sind ein heißes Eisen. Erstens ist der Schreiber gezwungen, einen vollgültigen Fall nebst befriedigender Lösung zu präsentieren, zweitens einige der beliebten Details organisch einzufügen und drittens überzeugend Beziehungen zu anderen Fällen aufzubauen, seien diese nur als Anspielungen präsent oder für die Geschichte wesentlich. Viertens aber steht er vor der Wahl, entweder als Epigone Doyles diesen möglichst genau nachzuahmen und dabei eher mehr als weniger zu scheitern – oder einen eigenen Zugang und Stil zu wagen; was einen in die Gefahr bringt, entweder ignoriert oder als überheblicher Nichtskönner eingestuft zu werden oder sich gar den Zorn der weltweiten Fangemeinde zuzuziehen. Und wenn es gar noch um Kurzgeschichten geht, potenzieren sich die Schwierigkeiten. Wie sind die Autoren der fünf Stories dieses Bandes damit fertig geworden?

Nun: mit unterschiedlichem Erfolg. Am schwächsten fand ich die Titelgeschichte, Gary Lovisis "Der Verlust des britischen Schoners Sophy Anderson", von Verlag oder Herausgeber mit dem martialischen (wiewohl zutreffenden) neuen Titel versehen. Ihr Problem: Sie hätte Stoff für einen Roman geboten, in dem die Ereignisse der zwei Handlungsstränge – einer liegt zwanzig Jahre zurück – in ihrer menschlichen und kriminalistischen Dimension besser entfaltet werden könnten. Auf knapp 50 Seiten zusammengedrängt, wirkt der Text versimpelt, ist relativ leicht zu durchschauen und weist zudem einige logische Lücken auf, die breiteres Erzählen durchaus füllen könnte. Obendrein spielt der Verfasser für meinen Geschmack etwas zu sehr mit klassischen Holmes-Versatzstücken, und manche Figuren verhalten sich irrational.
Doch Lovisi kann es besser! Das zeigt er gleich anschließend in "Mycrofts großes Spiel". Sicherlich fasziniert viele Fans die Figur von Holmes’ geheimnisumwitterten Bruder, der einen ebenso scharfen Verstand besitzt, für die Regierung arbeitet und den merkwürdigen Diogenes-Club kaum einmal verlässt. Hier nun darf er einmal selbst in der Ich-Form erzählen, und zwar die Neufassung von zwei der spannendsten Kapitel aus den Fällen des Meisterdetektivs, nämlich die um Moriarty und Moran ("Sein letzter Fall" und "Das leere Haus"). Wir erfahren einiges, was wir schon ahnten; anderes ist uns völlig neu, drittes so gut umgedeutet und doch so gelungen in die bekannten Fakten eingepasst, dass ich nur sagen kann: Daumen hoch!
Im Anschluss liefert Barrie Roberts mit "Das Rätsel des Addleton-Fluches" eine gut erzählte, recht "holmesige", aber mäßig spannende Geschichte – schon als die Symptome der geheimnisvollen Krankheit geschildert werden, die nach Öffnen eines "verfluchten" Grabes die Archäologen und auch die Bewohner des nahen Dorfes befällt, liegt die Erklärung auf der Hand. Okkultes und Flüche sind nicht das, was der Meisterdetektiv als wirklich relevant in Betracht zieht, und daher wohl bildet diese Story zusammen mit der Titelgeschichte, die auch einen Fluch bemüht, den schwächeren Teil des Bandes.
Dafür entschädigen die beiden letzten Texte jedoch voll und ganz. In "Das späte Geständnis im Mordfall Mary Watson" lässt Martin Baresch den Meister herausfinden, wie Dr. Watsons erste Frau wirklich starb; zudem wird gekonnt eine Verbindung zu Holmes’ Altersexistenz als Bienenzüchter in Sussex und zu seinem "letzten Streich" um den deutschen Spion von Bork geknüpft. Man mag sich vielleicht an der Einführung eines älteren Bruders des Doktors ein wenig stören, doch die dichte, psychologisch konzentrierte Erzählweise stellt in ihrer Originalität den Leser voll und ganz zufrieden.
Das Highlight des Buches ist für mich aber "Die einzigartigen Verhaltensmuster der Wespen" von Geoffrey Landis. Der Mann arbeitete bei der NASA an diversen Mars-Projekten, hat viele wissenschaftliche Aufsätze verfasst und außerdem auch preisgekrönte SF-Romane; und er bringt einen gewissen Mr. Wells in die Story hinein. Da mag man vielleicht etwas ahnen – aber wie Landis hier Holmes, Dr. Jekyll und Mr. Hyde und die Whitechapel-Morde (ja, der alte Jack the Ripper!) zu einer originellen, absolut stimmigen und Holmes-Milieu-echten Erzählung verbindet – das macht ihm so leicht keiner nach! Allein dieser Text lohnt die Lektüre.
Fazit? Autoren müssen den klassischen Rahmen nutzen, aber neue Wege gehen, wenn sie bestehen wollen; diese Wege liegen entweder in nicht Doyle-gemäßen Plots oder in einer eigenständigen Erzählweise, am besten in der Verbindung beider. Die drei wirklich guten Geschichten des Bandes beweisen das wieder einmal nachdrücklich – auch im Vergleich mit den beiden schlechteren.

Insgesamt jedoch ist diese Anthologie auf jeden Fall für Holmes-Fans lohnender Lesestoff.

Holmes und der Kannibale, ©? 2005 by BLITZ-Verlag (Originalrechte bei den Autoren), deutsche Übersetzungen von Martin Baresch und J. Eden, 186 S., _ 9,95, ISBN 3898402126

18. Okt. 2006 - Peter Schünemann
http://www.BLITZ-Verlag.de

Der Rezensent

Peter Schünemann

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