8. Schwejk als Simulant
In
jener großen Zeit wandten die Militärärzte
ungewöhnliche Mühe daran, den Simulanten den Teufel
der Sabotage auszutreiben und sie wieder in den Schoß der
Armee zurückzuführen. Es gab einige Grade der Folter
für Simulanten und solche, die als Simulanten
verdächtig waren, als da sind:
Schwindsüchtige,
Rheumatiker, Bruchleidende, Nierenleidende, Typhuskranke, Zuckerkranke,
Leute mit Lungenentzündung und anderen Gebrechen. Die Folter,
der die Simulanten unterworfen wurden, war genau geregelt, und ihre
Grade waren folgende:
1.) Absolute
Diät, früh und
abends drei Tage
lang je eine Tasse Tee, wobei allen, ohne Rücksicht darauf,
worüber sie klagen, Aspirin zum Schwitzen verabreicht
wird.
2.) Um
jedem den Gedanken auszutreiben, daß der
Krieg ein Honiglecken sei, wird in reichlichen Portionen Chinin in
Pulverform oder sogenanntes »Chinin zum Lecken«
verabreicht
3.)
Zweimal täglich Magenausspülungen mit
einem Liter warmen Wassers.
4.)
Ein Klistier, unter Benützung von Seifenwasser und
Glyzerin.
5.)
Eine Packung in ein in kaltes Wasser getauchtes Leintuch.
Es gab
tapfere Menschen, die alle fünf Grade der Tortur
überstanden und sich in einem einfachen Sarg auf den
Soldatenfriedhof schaffen ließen. Aber es gab auch
kleinmütige Menschen, die, wenn sie beim Klistier angelangt
waren, erklärten, daß ihnen bereits gut sei und
daß sie nichts anderes wünschten, als mit dem
nächsten Marschbataillon an die Front abzugehen.
Schwejk
brachte man im Garnionsarrest in die Krankenbaracke, just unter solche
kleinmütige Simulanten.
»Ich
halts nicht mehr aus«, sagte sein Bettnachbar, den man aus
dem Ordinationszimmer gebracht hatte, wo ihm bereits zum zweitenmal der
Magen ausgespült worden war.
Dieser
Mann simulierte Kurzsichtigkeit.
»Ich
fahr lieber zum Regiment«, entschloß sich der
Nachbar auf der linken Seite, der gerade ein Klistier bekommen hatte
und simulierte, daß er taub sei wie ein Klotz.
In dem
Bett bei der Tür lag ein sterbender Schwindsüchtiger,
in ein in kaltes Wasser getauchtes Leintuch gehüllt.
»Das
ist schon der dritte dieser Woche«, bemerkte der Nachbar auf
der rechten Seite, »und was fehlt dir?«
»Ich
hab Rheuma«, antwortete Schwejk, worauf ein aufrichtiges
Gelächter aller rundherum folgte. Sogar der sterbende
Schwindsüchtige, der Tuberkulose simulierte, lachte.
»Mit
Rheumatismus komm nicht erst unter uns«, sagte ein feister
Mann eindringlich zu Schwejk, »Rheumatismus is hier soviel
wert wie ein Hühneraug; ich bin blutarm, hab den halben Magen
und fünf Rippen weg und niemand glaubts mir. Hier is ein
Taubstummer gewesen, vierzehn Tage ham sie ihn hier jede halbe Stunde
in ein in kaltes Wasser getauchtes Leintuch gewickelt, jeden Tag hat
man ihm ein Klistier gegeben und ihm den Magen ausgepumpt. Alle
Sanitäter ham schon geglaubt, daß ers gewonnen hat
und nach Haus gehen wird, bis ihm der Doktor was zum Brechen
verschrieben hat. Umreißen hats ihn können, und da
hat er klein beigegeben. Ich kann nicht länger den Taubstummen
spieln, sagt er, ich hab wieder Sprache und Gehör. Die Maroden
ham ihm alle zugeredet, er soll sich nicht ins
Unglück stürzen, aber er is dabei geblieben,
daß er spricht und hört wie die übrigen.
Und so hat ers auch früh bei der Visit gemeldet.«
»Er
hat sich lang genug gehalten«, bemerkte ein Mann, der
simulierte, daß er einen um einen vollen Dezimeter
kürzern Fuß habe, »nicht so wie der, was
simuliert hat, daß ihn der Schlag getroffen hat. Drei
Chinine, ein Klistier und ein eintägiges Fasten ham
genügt. Er hat gestanden, und bevors zum Magenpumpen gekommen
is, war vom Schlag keine Spur mehr. Am längsten hat sich der
gehalten, was von einem tollen Hund gebissen worn ist. Er hat gebissen,
geheult, wirklich, das hat er ausgezeichnet getroffen, aber den Schaum
beim Maul hat er nicht und nicht zuwege bringen können. Wir
ham ihm geholfen, wie wir ham können. Wir ham ihn paarmal eine
ganze Stunde vor der Visit gekitzelt, bis er Krämpfe gekriegt
hat und ganz blau geworn is, aber der Schaum beim Maul is nicht und
nicht gekommen. Es war schrecklich. Wie er sich einmal früh
bei der Visit ergeben hat, hat er uns leid getan. Er hat sich beim Bett
aufgestellt wie eine Kerze, hat salutiert und gesagt: ›Melde
gehorsamst, Herr Oberarzt, daß der Hund, was mich gebissen
hat, wahrscheinlich nicht toll war.‹ Der Oberarzt hat ihn so
eigentümlich angeschaut, daß der Gebissene am ganzen
Leib zu zittern angefangen hat und fortgesetzt hat: ›Melde
gehorsamst, Herr Oberarzt, daß mich überhaupt kein
Hund gebissen hat, ich hab mich selbst in die Hand
gebissen.‹ Nach diesem Geständnis hat man gegen ihn
wegen Selbstverstümmlung eine Untersuchung eingeleitet,
daß er sich die Hand abbeißen wollt, um nicht ins
Feld zu müssen.«
»Alle
solche Krankheiten, wo man Schaum vorm Maul braucht«, sagte
der feiste Simulant, »lassen sich schlecht simulieren. Wie
zum Beispiel die hinfallende Krankheit. Da war hier auch einer mit
hinfallender Krankheit, der hat uns immer gesagt, daß es ihm
auf einen Krampf nicht ankommt, so hat er auch manchmal zehn in einem
Tag zuwege gebracht. Er hat sich in Krämpfen gewunden, hat die
Fäuste geballt, hat die Augen herausgewälzt,
daß es ausgesehen hat, wie wenn er sie auf Stielen
hätt, hat um sich geschlagen, die Zunge herausgesteckt, kurz
ich sag euch, eine herrliche erstklassige hinfallende Krankheit, so
eine ganz echte. Auf einmal hat er Asten bekommen, zwei am Hals, zwei
am Rücken, und aus wars mit den Krämpfen und mit dem
Auf-den-Boden-Schlagen, weil er den Kopf nicht hat rühren
können, nicht sitzen und nicht liegen. Er hat Fieber gekriegt,
und im Fieber hat er bei der Visit alles verraten. Und er hat
uns mit diesen Asten ordentlich zugesetzt, weil er mit ihnen noch drei
Tage hat zwischen uns liegen müssen und zweite Diät
gekriegt hat, früh Kaffee mit einer Semmel, abends Brei oder
Suppe, und wir ham zuschaun müssen mit hungrigem ausgepumptem
Magen und ganzer Diät, wie der Kerl frißt, schmatzt
und vor Sattheit faucht und rülpst. Dreie hat er damit ins
Unglück gestürzt, sie ham auch gestanden. Die sind
mit Herzfehler gelegen.«
»Am
besten«, sagte einer von den Simulanten,
»läßt sich Wahnsinn simulieren. Von
unserem Lehrkörper sind nebenan im Zimmer zwei, einer schreit
fortwährend bei Tag und Nacht: ›Der Scheiterhaufen
Giordano Brunos raucht noch, erneuert den Prozeß
Galileis!‹, und der zweite bellt, erst dreimal langsam: haf
– haf – haf, dann fünfmal schnell
nacheinander: hafhafhafhafhaf und wieder langsam und so gehts
immerfort. Er hats schon über drei Wochen ausgehalten. Ich hab
auch ursprünglich einen Narren
machen wolln, hab
religiösen Wahnsinn heucheln, von der Unfehlbarkeit des
Papstes predigen wolln, aber zum Schluß hab ich mir von einem
Raseur auf der Kleinseite für fünfzehn Kronen einen
Magenkrebs besorgt.«
»Ich
kenn einen Rauchfangkehrer in Brĕwnow«, bemerkte ein anderer
Patient, »der macht euch für zehn Kronen so ein
Fieber her, daß ihr aus dem Fenster springt.«
»Das
is nix«, sagte ein anderer, »in Wrschowitz gibts
eine Hebamme, die euch für zwanzig Kronen so gut das Bein
ausrenkt, daß ihr euer Leben lang ein Krüppel
bleibt!«
»Mir
hat man das Bein für fünf Kronen
ausgerenkt«, ließ sich eine Stimme von einem Bett
in der Nähe des Fensters her vernehmen.
»Mich
kostet meine Krankheit schon über zweihundert«,
erklärte sein Nachbar, eine vertrocknete Stange,
»nennt mir, welches Gift ihr wollt, ihr werdet keins finden,
das ich noch nicht genommen hab. Ich bin ein lebendiges Giftmagazin.
Ich hab Sublimat getrunken, ich hab Quecksilberdämpfe
eingeatmet, ich hab Arsen gekaut, ich hab Opium geraucht, ich hab eine
Opiumtinktur getrunken, ich hab mir Morphium aufs Brot gestreut, ich
hab Strychnin geschluckt, ich hab eine Phosphormischung von Schwefel
und Schwefelsäure ausgetrunken. Ich hab mir Leber, Lunge,
Nieren, Galle, Hirn, Herz, Därme ruiniert. Niemand
weiß, was für eine Krankheit ich hab.«
»Das
beste is«, behauptete jemand von der Tür her,
»wenn man sich Petroleum unter die Haut am Arm spritzt. Mein
Vetter war so glücklich, daß man ihm den
Arm bis unterm Ellbogen abgenommen hat, und heut hat er vorm
Militär Ruh.«
»No
also, seht ihr«, sagte Schwejk, »das alles
muß jeder für unsern Kaiser aushalten. Sogar das
Magenpumpen und das Klistier. Wie ich vor Jahren bei meinem Regiment
gedient hab, da wars noch ärger. Da hat man so einen Maroden
krummgeschlossen zusammengebunden und ins Loch geworfen, damit er sich
auskuriert. Da hats keine Kavalletts gegeben wie hier, oder
Spucknäpfe. Eine bloße Pritsche, und auf der sind
die Maroden gelegen. Einmal hat einer wirklichen Typhus gehabt und der
andre neben ihm schwarze Blattern. Beide waren krummgeschlossen und der
Regimentsarzt hat sie in den Bauch gekickt, daß sie herich
Simulanten sind. Dann, wie diese zwei Soldaten gestorben sind, is es
ins Parlament gekommen und in der Zeitung gestanden. Man hat uns gleich
verboten, diese Zeitungen zu lesen, und eine Koffervisite gemacht, wer
diese Zeitungen hat. Und wie ich halt schon immer Pech hab, hat man sie
beim ganzen Regiment nirgends gefunden, nur bei mir. So hat man mich
also zum Regimentsrapport geführt, und unser Oberst, der Ochs,
Gott hab ihn selig, hat angefangen mich anzubrülln,
daß ich grad stehn soll, und hat gefragt, wer das in diese
Zeitung geschrieben hat, oder er wird mirs Maul von einem Ohr zum
andern zerreißen und mich einsperrn lassen, bis ich schwarz
wer. Dann is der Regimentsarzt gekommen, hat mir mit der Faust vor der
Nase herumgefuchtelt und geschrien: ›Sie verfluchter Hund,
Sie schäbiges Wesen, Sie unglückliches Mistvieh, du
Sozialistenbengel, du!‹ Ich schau allen aufrichtig in die
Augen, zwinker nicht mal und schweig, die Hand an der Mütze
und die Linke an der Hosennaht, sie laufen um mich herum wie Hunde,
belln mich an, und ich fort, wie wenn nichts. Ich schweig, leist die
Ehrenbezeigung, die linke Hand an der Hosennaht. Wie sies so vielleicht
eine halbe Stunde getrieben ham, is der Oberst auf mich zugelaufen und
hat gebrüllt: ›Bist du ein Blödian oder
bist du kein Blödian?‹ –
›Melde gehorsamst, Herr Oberst, ich bin ein
Blödian.‹ – ›Einundzwanzig
Tage strengen Arrest wegen Blödheit, zwei Fasttage
wöchentlich, einen Monat Kasernarrest, achtundvierzig Stunden
Spangen, gleich einsperrn, nichts zu fressen geben,
krummschließen, damit er sieht, daß das
Ärar keine Blödiane braucht. Wir wern dir schon die
Zeitungen aus dem Kopf schlagen, du Fallott‹,
schloß der Herr Oberst nach langem Herumlaufen.
Während ich gebrummt hab, ham sich in der Kaserne Wunder
ereignet. Unser Oberst hat den Soldaten überhaupt
verboten zu lesen, und wenns auch nur die
›Pražské Úřední
Noviny‹ waren, in der Kantine ham sie nicht mal Wurst und
Käsl in Zeitungen wickeln dürfen. Seit der Zeit ham
die Soldaten angefangen zu lesen, und unser Regiment is das gebildetste
geworn. Wir ham alle Zeitungen gelesen, und bei jeder Kompanie hat man
Verse und Lieder auf den Herrn Oberst gemacht, und wenn was beim
Regiment geschehn is, hat sich immer in der Mannschaft ein
Wohltäter gefunden, ders in die Zeitung gegeben hat unter dem
Titel ›Soldatenmißhandlungen‹. Und dran
war noch nicht genug. Sie ham den Abgeordneten nach Wien geschrieben,
daß sie sich ihrer annehmen solln, und die ham angefangen,
eine Interpellation nach der andern einzubringen, daß unser
Herr Oberst eine Bestie is und so was. Irgendein Minister hat zu uns
eine Kommission geschickt, damit sie das untersuchen soll, und ein
gewisser Franta Hentschl aus Hluboká hat dann zwei Jahre
gefaßt, weil ers war, der sich nach
Wien an die Abgeordneten
gewendet hat wegen der Watschen, die er am Exerzierplatz vom Herrn
Oberst erwischt hat. Dann, wie die Kommission weggefahren is, hat uns
der Herr Oberst alle antreten lassen, das ganze Regiment, und hat
gesagt, ein Soldat is ein Soldat, er muß das Maul halten und
weiterdienen, wenn ihm was nicht gefällt, so is das eine
Subordinationsverletzung. ›Ihr habt euch also gedacht, ihr
Lumpen, daß euch diese Kommission helfen wird‹,
sagt der Herr Oberst, ›einen Dreck wird sie euch helfen. Und
jetzt wird jede Kompanie an mir vorbeidefilieren und laut wiederholn,
was ich gesagt hab.‹ – So sind wir also eine
Kompanie hinter der andern marschiert, rechts schaut, wo der Herr
Oberst gestanden is, die Hand am Gewehrriemen, und ham ihn
angebrüllt: ›Wir ham uns also gedacht wir Lumpen,
daß uns diese Kommission helfen wird, einen Dreck wird sie
uns helfen.‹ – Der Herr Oberst hat gelacht,
daß er sich den Bauch gehalten hat, bis die elfte Kompanie
vorbeidefiliert. Sie marschiert, stampft, und wie sie zum Herrn Oberst
kommt, nichts, Stille, nicht ein Ton. Der Herr Oberst is rot geworn wie
ein Hahn und hat die elfte Kompanie zurückgeschickt, damit
sies wiederholt. Sie defiliert und schweigt, und eine Reihe nach der
andern schaut nur dem Herrn Oberst frech in die Augen. –
›Ruht!‹ sagt der Herr Oberst und geht am Hof auf
und ab, schlägt sich mit der Peitsche über die
Stiefelschäfte, spuckt aus, dann bleibt er auf einmal stehn
und brüllt: ›Abtreten!‹ setzt sich auf
seinen Gaul, und schon is er aus dem Tor heraus. Wir ham gewartet, was
mit der elften Kompanie geschehn wird, und fort, wie wenn nix.
Wir warten einen Tag, zwei, eine ganze Woche und fort, wie wenn nix.
Der Herr Oberst hat sich in der Kaserne überhaupt nicht
gezeigt, wovon die Mannschaft, die Chargen und die Offiziere
große Freude gehabt ham. Dann hamr einen neuen Oberst
bekommen, und von dem alten hat man erzählt, daß er
in einem Sanatorium is, weil er Seiner
Majestät dem Kaiser
einen eigenhändigen Brief geschrieben hat, daß die
elfte Kompanie gemeutert hat.«
Die
Zeit der Nachmittagsvisite rückte heran.
Militärarzt
Grünstein schritt von Bett zu Bett, hinter ihm ein
Sanitätsunteroffizier mit dem Protokollbuch.
»Makuna?«
»Hier!«
»Klistier
und Aspirin! – Pokorny?«
»Hier!«
»Magen
auspumpen und Chinin! – Kowařik?«
»Hier!«
»Klistier
und Aspirin! – Katatko?«
»Hier!«
»Magen
auspumpen und Chinin!«
Und so
gings einer nach dem andern, ohne Erbarmen, mechanisch, kurz.
»Schwejk?«
»Hier!«
Doktor
Grünstein betrachtete den neuen Zuwachs.
»Was
fehlt Ihnen?«
»Melde
gehorsamst, ich hab Rheuma!«
Doktor
Grünstein hatte sich während der Zeit seiner Praxis
eine feine Ironie angeeignet, die viel nachdrücklicher wirkte
als Geschrei.
»Aha,
Rheuma«, sagte er zu Schwejk, »da haben Sie aber
eine äußerst schwere Krankheit. Es ist wirklich ein
Zufall, Rheuma zu bekommen, wenn ein Weltkrieg ausgebrochen ist und man
in den Krieg ziehn soll. Ich glaube, das muß Sie schrecklich
verdrießen.«
»Melde
gehorsamst, Herr Oberarzt, daß es mich schrecklich
verdrießt.«
»Da
schau her, es verdrießt ihn also. Das ist sehr
hübsch von Ihnen, daß Sie sich gerade jetzt an
diesen Rheumatismus erinnert haben. In Friedenszeiten läuft so
ein armer Teufel herum wie ein Zickel, aber wie ein Krieg ausbricht,
gleich hat er Rheuma, und gleich versagen ihm die Knie. Tun Ihnen nicht
die Knie weh?«
»Melde gehorsamst, daß ja.«
»Und
die ganzen Nächte
können Sie nicht schlafen, nicht
wahr? Rheuma ist eine sehr gefährliche, schmerzhafte und
schwere Krankheit. Wir haben hier mit Rheumatikern schon gute
Erfahrungen gemacht. Die absolute Diät und der übrige
Teil unserer Behandlung hat sich sehr bewährt. Sie werden hier
früher gesund werden als in Pystian und werden an die Front
marschieren, daß es hinter Ihnen nur so stauben
wird.«
Zum
Sanitätsunteroffizier gewendet, sagte er:
»Schreiben
Sie: Schwejk, absolute Diät, zweimal täglich Magen
auspumpen, einmal täglich ein Klistier. Wies weitergehn wird,
werden wir sehn. Inzwischen führen Sie ihn ins
Ordinationszimmer, pumpen Sie ihm den Magen aus, und bis er zu sich
kommt, geben Sie ihm ein Klistier, aber ein ordentliches, daß
er alle Heiligen anruft, damit sein Rheuma erschrickt und
davonläuft.«
Dann
wandte er sich allen Betten zu und hielt eine Rede voll
schöner und vernünftiger Sentenzen:
»Glaubt
nicht, daß ihr einen Ochsen vor euch habt, der sich alles an
die Nase binden läßt. Mich bringt euer Benehmen
durchaus nicht aus dem Gleichgewicht. Ich weiß, daß
ihr alle Simulanten seid, daß ihr vom Militär
desertieren wollt. Und demgemäß behandle ich euch.
Ich habe Hunderte und Hunderte solcher Soldaten überlebt, wie
ihr es seid. In diesen Betten sind ganze Scharen von Menschen gelegen,
denen nichts anderes gefehlt hat als kriegerischer Geist.
Während ihre Kameraden im Felde kämpfen, haben sie
geglaubt, daß sie sich in den Betten wälzen,
Krankenkost bekommen und warten können, bis der Krieg vorbei
ist. Da haben sie sich aber sakramentisch getäuscht, und auch
ihr alle werdet euch sakramentisch täuschen. Noch nach zwanzig
Jahren werdet ihr aus dem Schlaf schreien, wenn ihr davon
träumen werdet, wie ihr bei mir simuliert habt.«
»Melde
gehorsamst, Herr Oberarzt«, ertönte es leise aus
einem Bett beim Fenster, »ich bin schon gesund, ich hab schon
in der Nacht bemerkt, daß mir der Stickhusten vergangen
is.«
»Sie
heißen?«
»Kowarik,
melde gehorsamst, ich soll ein Klistier bekommen.«
»Gut,
das Klistier bekommen Sie noch auf den Weg«, entschied Doktor
Grünstein, »damit Sie sich nicht beschweren,
daß wir Sie hier nicht behandelt haben. So, und jetzt alle
Maroden, die ich vorgelesen habe, dem Unteroffizier nach, damit jeder
bekommt, was ihm gebührt.«
Und
jeder bekam auch eine redliche Portion, wie sie ihm vorgeschrieben war.
Und wenn sich einige bemühten, auf die Vollstrecker der
ärztlichen Befehle durch Bitten oder die Drohung einzuwirken,
daß sie, die Patienten, sich auch zur Sanität melden
und ihre Peiniger ihnen vielleicht einmal in die Hände fallen
könnten, Schwejk verhielt sich tapfer.
»Schon
mich nicht«, forderte er jenen Schergen auf, der ihm das
Klistier gab, »denk an deinen Eid. Selbst wenn dein Vater
oder dein eigner Bruder hier liegen möcht, gib ihnen ein
Klistier, ohne mit der Wimper zu zucken. Denk dir, daß
Österreich auf solchen Klistieren ruht, und der Sieg ist
unser.« (...)